Totales kollektives Behördenversagen
und kein Ende in Sicht
Berliner Zeitung, 16. Dezember 2017
Unmittelbar nach dem Anschlag am 19. Dezember hat die Berliner Polizei viele Fehler gemacht. Zu diesem Fazit kam ein interner Bericht (die vollständige Fassung können Sie im hier verlinkten PDF einsehen, Anm. d. Red.) , den die örtliche Direktion 5 im Auftrag des Polizeipräsidenten erarbeitete. Er ist nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.
Unmittelbar nach dem Anschlag am 19. Dezember hat die Berliner Polizei viele Fehler gemacht. Zu diesem Fazit kam ein interner Bericht (die vollständige Fassung können Sie im hier verlinkten PDF einsehen, Anm. d. Red.) , den die örtliche Direktion 5 im Auftrag des Polizeipräsidenten erarbeitete. Er ist nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.
Eine vorläufige Version sickerte in diesem Herbst trotzdem nach draußen. Inzwischen schickte der Polizeipräsident eine unter „Vertraulich – nur für den Dienstgebrauch“ eingestufte Endversion an den Innensenator.
„Ungeübte Führungsgruppe“
Der detaillierten Bericht legt die Pannen schonungslos offen:
Um 20.01 Uhr meldete eine Streife des örtlichen Polizeiabschnitts, die auf dem Weihnachtsmarkt unterwegs war, der Fernmeldebetriebszentrale der örtlichen Direktion 2 einen lauten Knall aus Richtung Hardenberg-, Budapester Straße. Eine Person sei Richtung Kurfürstendamm flüchtig, es bestehe der Verdacht von Schüssen.
Ab 20.02 Uhr gingen Notrufe bei Feuerwehr und Polizei ein. Die Polizei ging von einem Amok-Läufer aus. In der vorläufigen wie auch in der 134 Seiten langen Endfassung des Berichtes heißt es auf Seite 16: „Es bleibt festzustellen, dass die Lage durch den Polizeiführer Phase 1 als Amoklage klassifiziert und dieses über mehrere Stunden aufrechterhalten wurde, während seine Besondere Aufbauorganisation nach der Konzeption „Anschläge“ ausgerichtet war.
In Richtung der Einsatzkräfte vor Ort wurde die Klassifizierung ’Amoktat’ nicht kommuniziert und hatte somit keine Auswirkung auf das taktische Verhalten. Intuitiv haben die Kräfte die Lage nach der Konzeption Anschläge bewältigt.“
Unterschiedliche Klassifizierungen
Generell übernimmt nach einem größeren Ereignis in der „Phase 1“, ein Beamter des Höheren Dienstes in der Leitstelle des Polizeipräsidiums die Führung. In „Phase 2“ wird dann eine „Besondere Aufbauorganisation“ geschaffen: Ein Führungsstab Schwerstkriminalität beziehungsweise die Direktion Einsatz übernehmen die Führung. So sollte es auch in diesem Fall sein. Vor Ort wurden auch verschiedene Einsatzabschnitte geschaffen, zum Beispiel der Einsatzabschnitt Kriminalpolizeiliche Maßnahmen oder der Einsatzabschnitt Aufklärung.
Von der Klassifizierung des Geschehens – zum Beispiel „Amok“ oder „Terror“ – hängen dann die Abläufe bei der Polizei ab. Doch in den kommenden Stunden wurde diese Klassifizierung mehrfach geändert. Erst am nächsten Tag, um 9.44 Uhr, lautete die Klassifizierung „Verdacht des Anschlagsfalls“. Um 16.03 Uhr legte sich die Behörde auf „Anschlag“ fest.
Diese unterschiedlichen Klassifizierungen zogen unterschiedliches Agieren und unklare Unterstellungsverhältnisse nach sich. Die Klassifizierungen wurden zudem nicht durchgehend kommuniziert; die Einsatzkräfte verständigen sich über unterschiedliche Kanäle und Leitstellen.
Polizisten meldeten sich selbst zum Dienst
Polizisten, die aus den Medien von dem Anschlag erfuhren, versetzten sich selbst in den Dienst, was die anfängliche Lagebewältigung erleichterte. Allerdings wurden die Beamten nicht zentral erfasst, sie wurden nicht in die Lage eingewiesen und bekamen keine Aufträge. Die Unkenntnis von Kommunikations- und Meldewegen führte zu Verständigungsproblemen. Zudem wusste anfangs niemand, wie viele Beamte zur Verfügung standen. Ein Detail am Rande: Der rufbereite Polizeiarzt bot sich am Abend zwei Mal an, wurde aber ignoriert.
Der Polizeiführer „Phase 1“ im weit entfernten Polizeipräsidium wusste zeitweise gar nicht, was vor Ort passierte: Die verantwortliche Führungskraft im Bereich des Breitscheidplatzes hatte keinen Kontakt mit dem Polizeiführer Phase 1, „was auch auf technische Funkprobleme und den Umgang mit dem angeblichen ’Amokkanal’ zurückgeführt werden könnte“, heißt es in dem Bericht. Eine gezielte Einflussnahme auf die polizeilichen Maßnahmen und die Einsatzsteuerung war dem Polizeiführer Phase 1 unter anderem durch diesen Umstand nur sehr eingeschränkt möglich.“
Von sechs im Dienst befindlichen Einsatzeinheiten entsandte der Polizeiführer „Phase 1“ nur eine Hundertschaft zum Anschlagsort. Aus eigenem Antrieb heraus begab sich dann eine weitere Einsatzeinheit zum Breitscheitplatz. Weil Kräfte falsch eingesetzt wurden, musste die Polizei auf Mitarbeiter des BVG-Sicherheitsdienstes zum Freihalten der Not- und Rettungswege am Breitscheidplatz zurückgreifen.
„Unfall mit flüchtendem Fahrer“ vermutet
Im Gegensatz zu den anderen Dienststellen ging der Staatsschutz gegen 23 Uhr von einem Terroranschlag aus. Der Polizeiführer im Lagezentrum vermutete jedoch einen „Verkehrsunfall mit flüchtendem Fahrer“. Zudem hatten Beamte kurz nach der Tat den Verdächtigen Navid B. festgenommen, wenn auch nur aufgrund einer einzigen Zeugenaussage.
Die Führung des Einsatzabschnitts „Kriminalpolizeiliche Sofortmaßnahmen“ lehnte wegen mangelnder Erkenntnisse eine Sofortfahndung nach dem Täter ab. Es habe nur wenige und widersprüchliche Angaben zu Bekleidung und Fluchtrichtung gegeben. Trotz flächendeckender Verbreitung von Smartphones sei kein Zeuge gefunden worden, der Fotos oder Videos vom Täter gemacht habe.
Die Autoren des Berichtes kritisieren, dass der Polizeiführer „Phase 1“ unabhängig von der Klassifizierung „Amok“ oder „Anschlag“ eine Tatortbereichsfahndung hätte auslösen müssen. Dies sei selbst bei einer angenommenen Unfallflucht bei diesem Schadensausmaß gerechtfertigt gewesen.
„Maßnahme 300“ zu spät ausgelöst
Aus all diesen Gründen wurde auch erst fünf Stunden nach der Tat, um 0.54 Uhr, bundesweit die „Maßnahme 300“ ausgelöst: die „Sofortmaßnahmen im Falle von Politisch motivierter Kriminalität von länderübergreifender, bundesweiter und internationaler Bedeutung“. Das Konzept beinhaltet einen Katalog von verdeckten und offenen Fahndungsmaßnahmen. Unter anderem müssen dabei bundesweit alle Gefährder und relevanten Personen überprüft werden. „Bei der sofortigen Klassifizierung als Anschlag hätten die Polizeien der anderen Bundesländer sowie die Bundespolizei nach eigenem Bekunden andere Maßnahmen durchgeführt“, heißt es in dem Bericht.
In ihrem Fazit sprechen die Autoren des Berichtes „in der Gesamtschau“ von einer „erfolgreichen Einsatzbewältigung“. Sie geben aber unter anderem zu bedenken: „Der 19.12.2016 offenbarte die Verwundbarkeiten des polizeilichen Einsatzmanagements.“
„Der Bericht zeigt klar das dramatische Führungsversagen: Während viele engagierte Beamte ihr Bestes gegeben haben, wusste durch die fehlende Führung die eine Hand nicht, was die andere tat“, sagt der FDP-Abgeordnete Marcel Luthe. „Entgegen der damaligen Behauptung des Polizeipräsidenten hat man sehr wohl die Fahndung schleifen lassen, nachdem Navid B. verhaftet war und so dem oder den Tätern die Flucht erleichtert.“
Die ganze Geschichte des kollektiven Behördenversagens im Fall Amri lesen Sie unter https://story.berliner-zeitung.de/akte-amri
Die Geschichte wiederholte sich
12 Jahre später im Dezember:
- im Dezember 2004 (Tsunami-Massaker in Thailand)
- im Dezember 2016 (Terroranschlag in Berlin)
1) Die für die Sicherheit des Bürgers zuständigen Behörden sind - ob im Falle einer akut unmittelbar drohenden transozeanischen Katastrophe im Ausland ob im Falle eines bevorstehenden Terroranschlag direkt vor ihrer Nase im Inland - zu NICHTS fähig und zwar sowohl auf der Landes- als auch auf der Bundesebene.
2) Dieser totalen Unfähigkeit deutscher Pennerbehörden im bürokratischen Koma, im Weihnachtsurlaub und im notorischen pathologischen Tiefschlaf folgt ein unentschuldbares, kriminelles, kollektives und totales Staatsversagen, das ursächlich ist für die Herbeiführung beider Desaster.
3) Das sträflich kriminelle Versagen und die damit einhergehende komplette Blamage und Bankrotterklärung des Staatsapparats, sprich der Sicherheitsbehörden, dieser parasitären Taugenichtse von Beruf, wird vertuscht und verheimlicht.
4) Ihm folgen keine dienstlichen, juristischen und politischen Konsequenzen - eine umfassende Aufarbeitung beider Katastrophen bleibt aus.
5) Die politisch Verantwortlichen für das Desaster (im Fall Amri sind es allein in Berlin gewiss Berliner Bürgermeister und sein Innensenator) und die zahlreichen Versager bei den Bundes- und Landesbehörden dürfen weiterhin ungeschoren im Amt bleiben und sich auf Kosten des Steuerzahlers im Rampenlicht sonnen.
6) NICHTS ändert sich in puncto Sicherheit, ALLES bleibt beim Alten. Deshalb folgt einem Massendesaster in Thailand mit über 550 gewaltsam und grausam getöteten Bundesbürgern ein weiteres Desaster mitten in Berlin.
7) Opfer beider Katastrophen werden durch den Staat in den Arsch getreten, gedemütigt, drangsaliert und mit billigen Kondolenzworten abgespeist.
8) Alle Regeln des demokratischen Rechtsstaates werden außer Kraft gesetzt.
9) Opfer dieses kriminellen Unrechtsstaates werden mit ihrem Schicksal allein gelassen.
10) Der unbestrafte und ungesühnte kriminelle Frevel der verbrecherischen Staatsmacht wird immer größer und nimmt unter diesen Umständen logischerweise kein Ende... kein Ende in Sicht.
9) Opfer dieses kriminellen Unrechtsstaates werden mit ihrem Schicksal allein gelassen.
10) Der unbestrafte und ungesühnte kriminelle Frevel der verbrecherischen Staatsmacht wird immer größer und nimmt unter diesen Umständen logischerweise kein Ende... kein Ende in Sicht.
Jerzy Chojnowski
Chairman-GTVRG e.V.
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