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Donnerstag, 7. Dezember 2017

EIN GEOLOGE ÜBER DAS DESASTER WEIHNACHTEN 2004

Die Sumatra-Andamanen-Katastrophe vom 26. 12. 2004 und andere Beben


Das verheerende Erdbebeben von Sumatra mit der dadurch ausgelösten Flutwelle, die am Morgen des 26. Dezember 2004 die Menschen an den Küsten des Indischen Ozeans heimgesucht hat, hat infolge der grauenvollen Opferbilanz einen weltweiten Schock ausgelöst. Wieder einmal zeigte sich, dass der Mensch Naturgewalten solcher Dimensionen gegenüber hilflos da steht. Geophysiker meinen, dass diese Katastrophe ein wahrhaft planetares Ausmaß hatte, da das Beben die gesamte Erdkugel in Eigenschwingungen versetzte, die einen vollen Tag anhielten.
Doch in bestimmten Gegenden auf der Erde, die vornehmlich mit Plattengrenzen zusammenfallen, sind Beben nichts Ungewöhnliches. Rund 3000-mal pro Tag ereignet sich denn auch irgendwo ein Beben, solche der Magnitude 2,0 kommen täglich zweimal oder öfter vor.
Das ungewöhnliche am aktuellen Beben war allerdings seine Stärke von 9,0, die bisher nur vier Mal auf der Erde gemessen wurde: Chile 1960 (9,5), Alaska [Prince William Sound] 1964 (9,2), Alaska [Aleuten] 1964 (9,1), Kamtschatka (9,0).
Das verheerende Erdbebeben von Sumatra mit der dadurch ausgelösten Flutwelle, die am Morgen des 26. Dezember 2004 die Menschen an den Küsten des Indischen Ozeans heimgesucht hat, hat infolge der grauenvollen Opferbilanz einen weltweiten Schock ausgelöst. Wieder einmal zeigte sich, dass der Mensch Naturgewalten solcher Dimensionen gegenüber hilflos da steht. Geophysiker meinen, dass diese Katastrophe ein wahrhaft planetares Ausmaß hatte, da das Beben die gesamte Erdkugel in Eigenschwingungen versetzte, die einen vollen Tag anhielten.
Doch in bestimmten Gegenden auf der Erde, die vornehmlich mit Plattengrenzen zusammenfallen, sind Beben nichts Ungewöhnliches. Rund 3000-mal pro Tag ereignet sich denn auch irgendwo ein Beben, solche der Magnitude 2,0 kommen täglich zweimal oder öfter vor.
Das ungewöhnliche am aktuellen Beben war allerdings seine Stärke von 9,0, die bisher nur vier Mal auf der Erde gemessen wurde: Chile 1960 (9,5), Alaska [Prince William Sound] 1964 (9,2), Alaska [Aleuten] 1964 (9,1), Kamtschatka (9,0).



Quelle: SPIEGEL Nr. 1/2005

Ausschnitt aus "Strukturgeologische Karte des Indischen Ozeans und seiner Randgebiete", herausgegeben von der Kommission für die Geologische Karte der Welt, Paris 2004.
Die Lage des Bebengebietes wird durch einen Kreis markiert.

Detail aus obiger Darstellung. Man beachte die Häufigkeit von Erdbeben
mit einer Magnitude >5 und einer Herdtiefe bis 35 km (rote Quadrate) an
der Südwestseite des Indonesischen Inselbogens.

Historische Megabeben

Das schlimmste Erdbeben aller Zeiten ereignete sich im Jänner 1556 in der chinesischen Provinz Shanxi, als rund 830.000 Menschen starben. Lissabon wurde im Jahr 1755 von einem Erdbeben ähnlicher Stärke betroffen, dem eine Flutwelle (Tsunami) folgte, die 60.000 Menschen in den Tod riss. Die süditalienische Stadt Messina wurde 1908 von einem Beben betroffen, das einen Tsunami auslöste, dem bis zu 100.000 Tote zum Opfer fielen. Wie auch das Beispiel des Ausbruchs des Vulkans auf der Insel Santorin im Jahr 1628 vor Christus zeigte, können bei solchen Katastrophen ganze Kulturen ausgelöscht werden.

Epochenweisende Katastrophen

In der geologischen Vergangenheit der Erde gab es allerdings schon bisher zahlreiche Katastrophen, die das jüngste Geschehen bei weitem überstiegen. So wurden bei einem bisher noch nicht zur Gänze geklärten Ereignis an der Perm/Trias-Grenze, das war vor rund 250 Millionen Jahren, rund 95% aller damals lebenden Arten mehr oder weniger schlagartig vernichtet. Damit wird das Ende des Erdaltertums (Paläozoikums) und der Beginn des Erdmittelalters (Mesozoikum) markiert. Der Einschlag eines rund 10 Kilometer großen Asteroiden vor rund 65 Millionen Jahren hatte ebenfalls globale Folgen für das Leben auf der Erde. Diese Katastrophe an der Kreide/Tertiär-Grenze stand am Ende des Erdmittelalters (Mesozoikum).

Aktuelles Beben: später keine geologischen Spuren ?

So verheerend das aktuelle Beben für die Menschen in den Anrainerstaaten des Indischen Ozeans (und viele zehntausende Urlauber) auch war, so schwer wird es sich jemals als geologische Katastrophe an der heutigen Landoberfläche in der Zukunft nachweisen lassen. Vermutlich wird es nur in einzelnen Riffkorallen Spuren hinterlassen oder in Mangrovensümpfen; die von den Flutwellen stark betroffenen Ökosysteme werden sich hingegen rasch erholen.
Anzunehmen ist jedoch, dass große am Kontinentalhang abgelagerte lockere Sedimentmassen durch dieses Beben, lawinenartig in die ozeanische Tiefsee abrutschen. Sich immer wiederholende Vorgänge dieser Art führen zur Ablagerung der s.g. Flyschsedimente, wie sie aus dem Wienerwald bekannt sind. Demnach würde sich dieses Beben in Form einer bis zu mehreren Meter dicken Sand(stein)lage auch noch nach Millionen von Jahren abbilden. Zeitspannen ohne Bebenaktivität zeichnen sich durch feine schlammige Ablagerungen (spätere Tonmergellagen) ab.

Flyschaufschluss bei Auhof (Wienerwald).
Rhythmischer Wechsel von grobkörnigen Sandsteinbänken,
die nach submarinen Rutschungen abgelagert wurden,
mit feinkörnigen Mergellagen aus Zeiten ruhiger Sedimentation.

Prognosen: eine Minute Zeit für Alarm ?

Prognosen über ein Erdbeben bleiben trotz milliardenschweren Forschungen weiterhin unsicher und niemand ist in der Lage, den Zeitpunkt für eine akute Gefahr genau vorherzusagen. In Wahrheit ist die Entstehung von Erdbeben in den vergangenen Jahren immer unverständlicher geworden.
Die einzige Hoffnung richtet sich derzeit auf die Etablierung von Warnsystemen, die es ermöglichen, die seismischen P-Wellen (= Primär-Wellen) von den S-Wellen (= Sekundär-Wellen) zu unterscheiden. Erstere breiten sich doppelt so schnell aus und richten im Gegensatz zu den Sekundär-Wellen keine großen Schäden an. Je nach Entfernung des Bebenherdes könnte damit nach dem ersten Signal von P-Wellen bis zu einer Minute Zeit bleiben, einen Alarm auszulösen.

Kleine Erdbebenkunde

Rupturartige Bewegungen von Gesteinen entlang von Störungen, Brüchen oder wie in diesem Fall von Subduktionszonen erzeugen zwei Grundformen von seismischen Wellen, nämlich Raum-Wellen und Oberflächen-Wellen.
Raum-Wellen breiten sich vom Bebenherd in alle Richtungen aus und bewegen sich mit hohen Geschwindigkeiten durch das Erdinnere. Diese Wellen, die zu entfernten Stellen auf der Erdoberfläche gelangen, werden in Primäre (P-) und Sekundäre (S-) Wellen unterteilt. Die P-Wellen, auch als Kompressionswellen (Druckwellen) bezeichnet, pflanzen sich mit etwa 6 Kilometer pro Sekunde fort und drücken das Gestein vor sich zusammen und ziehen das hinter sich liegende auseinander. Die S-Wellen oder Scherwellen laufen undulierend und verursachen Auf-und-ab- und Seitwärtsbewegungen. Sie bewegen sich mit etwa 3,2 Kilometer pro Sekunde durch die Erde.
Oberflächen-Wellen als zweite Form von seismischen Wellen richten die größten Schäden an. Sie verbreiten sich vom Epizentrum über die Erdoberfläche wie Wellen auf einem Wasserteich. Oberflächen-Wellen werden in Rayleigh und Love-Wellen bzw. R- und Q-Wellen unterteilt. Sie können die Erde sowohl vertikal (R-Wellen) als auch horizontal erschüttern, und erzeugen ein sichtbares Rollen und Wogen der Erdoberfläche wie auch eine ruckartige Zickzackbewegung. Im Vergleich zu Raumwellen bewegen sich Oberflächen-Wellen am langsamsten, doch richten sie die schlimmsten Zerstörungen an.

Aktive Subduktionszone mit Verschiebungen von 6,4 cm/Jahr

Am Sonntag, den 26. Dezember 2004 hob sich der Meeresboden vor Sumatra plötzlich um bis zu 20 Meter. Damit löste sich die tektonische Spannung, die durch die Unterschiebung der Indisch-Australischen Platte unter die Eurasische Platte aufgestaut war. Zuerst wurde der Meeresboden nach unten gedrückt, dann "federte" er zurück und hob die darüber liegenden Wassermassen urplötzlich an: Es entstand die „Killerwelle“.
Die Spreizungsraten in der Mitte des Indischen Ozeans, wo entlang von ozeanischen Rückensystemen ständig neue Kruste gebildet wird, sind im Indik relativ hoch: So wurden vereinzelt Werte um 8 Zentimeter pro Jahr gemessen, die Unterschiebung vor Sumatra erfolgt mit 6,4 Zentimeter pro Jahr. Entlang dieser höchst aktiven Plattengrenze, die als typische Subduktionszone fungiert, waren schon bisher Beben ein alltägliches Phänomen.

Bewegungsraten in cm pro Jahr im plattentektonischen Umfeld des
Indischen Ozeans (aus "Strukturgeologische Karte etc.").
Im Bebengebiet wurde die sehr hohe Rate von 6-8cm/Jahr errechnet.

Tsunamis – unausweichliche Flutwellen ?

Im Zusammenhang mit den verheerenden Flutwellen, die durch das besagte Erdbeben ausgelöst wurden, sei daran erinnert, dass bereits anlässlich eines Workshops „Tsunamis in the South Pacific“ im September 2003 in Wellington, Neuseeland, Empfehlungen zur Installierung eines „Tsunami Warning Sytems“ im südwestlichen Pazifik und im Indischen Ozean ausgesprochen wurden. Unter anderem wurde von den Experten folgende Empfehlung verabschiedet:
„ As Indonesia has recently decided to create a national tsunami warning system, the Workshop recommends that Indonesia and other countries of the South-West Pacific proceed in the development of the Regional Tsunami Warning System for the SW Pacific and Indian Oceans with reference to the ITSU Master Plan for Further Development of the Pacific Tsunami Warning System. This will benefit the countries of the region and also enhance the ability of the Pacific Tsunami Warning Center (PTWC) to locate smaller earthquakes in this area and to assess their tsunami threat”.

Ferdinand von Hochstetter: Österreichs Pionier in der Tsunami-Forschung

Einer der ersten, der Flutwellen als Resultat von Erdbeben wissenschaftlich analysiert hat, war der österreichische Geologe Ferdinand von Hochstetter (1829 – 1884) im 19. Jahrhundert. Rund 8 Jahre nach seiner Rückkehr von der Novara-Expedition, die ihn für knapp ein Jahr auf Neuseeland festhielt, hat er von Wien aus das Erdbeben von Peru vom 13. August 1868 beschrieben und dabei insbesondere die Wirkung von Flutwellen (Tsunamis) untersucht. Hochstetter berichtet darüber zuerst 1868, unmittelbar nach dem Bebenereignis, in einem kurzen Bericht im Anzeiger der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Die Gesamtergebnisse seiner Beobachtungen veröffentlichte er in einem dreiteiligen Bericht in den Sitzungsberichten der Akademie zwischen 1868 und 1870.
Die notwendigen Informationen über den Auslöser der Flutwellen und deren Ausbreitung hat Hochstetter von verschiedenen Quellen im pazifischen Raum (Neuseeland, Australien, Honolulu und Peru) auf dem Seeweg und per Postkutsche erhalten! Auf Basis dieser Daten hat Hochstetter das Erdbeben in Peru richtigerweise mit den Tsunamiwellen am 15. August an der Ostküste Neuseelands beziehungsweise Australiens korreliert. Aus den zeitverzögerten Registrierungen der Beobachtungsstationen berechnete er die Wellengeschwindigkeit mit 325 bis 464 Seemeilen pro Stunde und hat darüber hinaus festgestellt, dass von den Flutwellen Wassermassen bis in große Tiefe beeinflusst werden! Das alles lange bevor andere Anrainerstaaten des pazifischen Ozeans den Zusammenhang zwischen diesem Tsunami und dem Peru Erdbeben erkannten und lange bevor Tsunami Bildungs- und Ausbreitungsprozesse physikalisch verstanden wurden.

Den Hinweis auf F.v. Hochstetter verdankt die Geologische Bundesanstalt Frau Dr. Eleonore Hoke, Wellington, Neuseeland.

Originalzeichnung von F. v. Hochstetter
zur Ausbreitung des Tsunami in Folge des Peru-Bebens vom 13. August 1868.
Es ist dies die weltweit erste, wissenschaftlich fundierte Darstellung dieses Phänomens!

© Hans P. Schönlaub
Direktor der Geologischen Bundesanstalt

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