Verfassungsschutz - Extremistenmiliz IS hat Deutschland im Visier© Picture Alliance Verfassungsschutz - Extremistenmiliz IS hat Deutschland im Visier Deutschland steht nach Angaben des Bundesverfassungsschutzes aktuell auf der Zielliste der Extremistenmiliz IS weit oben. "Europa ist Ziel des IS-Terrorismus", sagte der Präsident des Inlandsgeheimdienstes, Hans-Georg Maaßen, am Montag in Berlin. "Dabei ist Deutschland nach unserer Einschätzung vom IS höher priorisiert worden." Auch Al-Kaida bleibe eine ernstzunehmende Bedrohung, obwohl die Gruppe in der öffentlichen Wahrnehmung in den Hintergrund getreten sei. Al-Kaida "ist wirkmächtig wie zuvor und könnte versuchen, den Reputationsverlust durch neue, spektakuläre Terroranschläge wettzumachen".
In Deutschland wachse die Salafisten-Szene weiter. Zurzeit zähle der Verfassungsschutz 10.000 Salafisten im Land, vor einem Jahr seien es noch 8650 gewesen, sagte der Behördenchef. Das Bundeskriminalamt gehe von mehr als 670 Gefährdern aus, also Personen, denen ein Anschlag zugetraut wird. Täglich erhalte der Inlandsgeheimdienst unspezifische Hinweise auf nicht namentlich bekannte Personen oder Gruppen, die angeblich planten, einen Anschlag in Deutschland zu verüben. "Hinzu tritt die hohe Zahl an jungen, männlichen, muslimischen Asylsuchenden und Migranten, die zu einem großen Teil ohne geklärte Identität bei uns sind und über die wir nichts wissen."
Im vergangenen Jahr verübten Islamisten fünf Anschläge in Deutschland. Mindestens sieben weitere Angriffe scheiterten nach Maaßens Worten oder wurden vereitelt. Die Bedrohung werde auf absehbare Zeit nicht abnehmen. "Die Gefahr durch von IS oder Al-Kaida gesteuerte oder beeinflusste Terroranschläge wird in Zukunft weiterhin auf einem hohen Niveau bleiben oder sogar zunehmen."

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Beichte

Die Beichte (lat. confessio; Bußsakrament, auch Amt der Schlüssel) ist das mündliche Eingeständnis einer schuldhaften Verfehlung des Pönitenten oder Beichtkindes, gewöhnlich während eines Gesprächs unter vier Augen mit einem Beichtvater, der sogenannten Ohren-, Einzel- oder Privatbeichte.
In der römisch-katholischen Kirche und den orthodoxen Kirchen ist die Beichte eines der sieben Sakramente. Eine Generalabsolution ist nur ausnahmsweise und unter eng umgrenzten Bedingungen möglich. In der evangelisch-lutherischen Kirche ist die Beichte das dritte Sakrament. In anglikanischen und lutherischen Kirchen wird neben der Privatbeichte die sogenannte „allgemeine Beichte“ im Rahmen eines Gottesdienstes angeboten. Die altkatholische Kirche kennt – neben der Form des persönlichen Beichtgesprächs – das Bußsakrament als eigenständige „Feier der Versöhnung“ ohne individuelles Schuldbekenntnis.
Die Beichte kann in verschiedenen Formen abgelegt werden. In den Kirchen unterscheidet sich die Beichte dadurch von anderen Seelsorgegesprächen, dass sie auf eine formelle, meist sakramentale Sündenvergebung im Namen Christi hinzielt, gewöhnlich ausgedrückt mit den Worten „Deine Sünden sind dir vergeben“ oder „Ich spreche dich los von deinen Sünden“.

Neutestamentliche Grundlegung

Die Kirchen beziehen sich in der Lehre vom Bußsakrament unter anderem auf biblische Aussagen.
„Jesus sagte noch einmal zu ihnen: ‚Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.‘ Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sprach zu ihnen: ‚Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert.‘“ (Johannes 20,21–23 EU)
Jesus Christus zu Petrus: „Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein.“ (Matthäus 16,19 EU)
Jesus Christus zu seinen Jüngern: „Amen, ich sage euch: Alles, was ihr auf Erden binden werdet, das wird auch im Himmel gebunden sein und alles, was ihr auf Erden lösen werdet, das wird auch im Himmel gelöst sein.“ (Matthäus 18,18 EU)

Geschichte


Die biblischen Texte zur Beichte lassen nicht deutlich erkennen, ob sie privat oder öffentlich abgenommen wurde. Die erste nichtbiblische Erwähnung finden wir in der Didache, wo die Beichte erwähnt wird, aber nicht der Ritus, nach dem dieses Sakrament gespendet wurde. Auch der Hirte des Hermas kannte die Beichte, ging aber nicht auf die äußere Form ein. Erst der hl. Irenäus von Lyon schilderte eine öffentliche Beichte im Detail. Origenes verlangte die öffentliche Beichte im Fall von schwerwiegenden Sünden. Aus seiner Forderung kann man schließen, dass bei lässlichen Sünden die private Beichte genehmigt war. Die Entwicklung zur privaten bzw. Ohrenbeichte nahm ab dem Jahr 200 stets zu. Die Ohrenbeichte wurde oft bei Eremiten oder Priestern in Mönchsorden abgelegt. Der hl. Augustinus von Hippo († 430) erwähnt die öffentliche Beichte in keiner seiner Schriften; daraus schließt man, dass die Beichte im 5. Jahrhundert überwiegend privat bzw. in der Form der Ohrenbeichte abgelegt wurde. Allerdings wurde erst seit dem 9. Jahrhundert der Ablauf der Beichte vereinheitlicht, aber auch nur in groben Zügen. Die iroschottischen Mönche verbreiteten die Ohrenbeichte in ganz Europa.[1]
Das Beichtgeheimnis ist seit Anbeginn ein als selbstverständlich geltender Bestandteil des Bußsakramentes, allerdings gab es auch Verletzungen der absoluten Vertraulichkeit durch den Beichtvater. So musste das Schweigegebot kirchenrechtlich geregelt werden, was beim Vierten Laterankonzil (1215) geschah. Canon 21 (Omnis utriusque sexus) ordnete an, dass „jeder Gläubige […], der ins entscheidungsfähige Alter gekommen ist, […] wenigstens einmal jährlich allein seinem eigenen Priester alle Sünden treulich bekennen und […] die auferlegte Buße nach Kräften zu erfüllen suchen“ muss.[2] Zudem verfügte der Canon im Fall eines gebrochenen Beichtgeheimnisses die Suspension des Priesters.[3] Er musste auf Lebenszeit in einem strengen Kloster Buße tun. Nach geltendem Kirchenrecht hat die Verletzung des Beichtgeheimnisses die sofortige Exkommunikation des Priesters zur Folge.[4]
Mit der Reformation entstanden einige Kritikpunkte an der bestehenden Praxis. Im 19. und 20. Jahrhundert erfuhr die Beichte in einigen liturgisch orientierteren Zweigen des Protestantismus wieder einen Aufschwung.
Das Zweite Vatikanische Konzil und die damit einhergehende Liturgiereform in der römisch-katholischen Kirche betonten wieder mehr die Heilswirkung dieses Sakramentes und legte deshalb Wert darauf, dass dieses Sakrament als „Feier der Versöhnung“ (mit Gott, der Kirche und den Menschen) verstanden wird. Aus diesem Grund wird das Bußsakrament auch als Sakrament der Versöhnung bezeichnet.

Römisch-katholische Kirche

Alle getauften Gläubigen sind zur häufigen Beichte eingeladen[5], vor allem in den Bußzeiten der Kirche und vor den hohen Festtagen. Darüber hinaus sind diejenigen, die sich einer schweren Schuld bewusst sind, zum Empfang des Bußsakraments verpflichtet. Wer sich bewusst ist, eine Todsünde begangen zu haben, darf selbst dann, wenn er tiefe Reue empfindet, die heilige Kommunion nicht empfangen, bevor er die sakramentale Absolution erhalten hat.[6] Jeder Gläubige, der das Unterscheidungsalter erreicht hat, ist verpflichtet, wenigstens einmal im Jahr seine schweren Sünden zu bekennen. (Can. 989 CIC). Den Gläubigen wird empfohlen, auch ihre übrigen („lässlichen“) Sünden zu beichten.[7]

Voraussetzungen

In der römisch-katholischen Kirche versteht man unter Beichte entweder das Sündenbekenntnis als solches oder den Gesamtvorgang der Spendung des Bußsakramentes. Das Bußsakrament bewirkt die Wiederherstellung der Taufgnade, die für das ewige Leben bei Gott notwendig ist. Für eine gültige Beichte müssen fünf Voraussetzungen gegeben sein: Gewissenserforschung, Reue, guter Vorsatz, Bekenntnis und Wiedergutmachung (Katholischer Erwachsenenkatechismus).
  • Die Gewissenserforschung zielt vor der eigentlichen Beichte darauf ab, sich der Sünden und ihrer Umstände bewusst zu werden.
  • Die Reue ist der wichtigste Teil der Beichte. Ohne Reue ist eine Vergebung der Sünden nicht möglich. Was man nicht bereut, kann man nicht gültig beichten. Man unterscheidet zwischen der vollkommenen Reue (aus Liebe zu Gott) und der unvollkommenen Reue. Die vollkommene Reue ist der Wunsch des frommen Herzens, sich aus Liebe zu Gott ganz von der Sünde abzuwenden; und sich voll zum Vertrauen in die Liebe Gottes, zur Gemeinschaft mit Jesus Christus, zu bekehren. Bei der unvollkommenen Reue kann auch die Angst vor ewiger oder zeitlicher Strafe durch Gott oder die Angst vor der Verfehlung des ewigen Ziels überwiegen.
  • Der gute Vorsatz muss in der Absicht bestehen, in Zukunft alle schweren Sünden zu meiden.
  • Für eine gültige Beichte ist das Bekenntnis aller bewussten schweren Sünden (auch Todsünden) nötig, derer man sich seit der Taufe erinnert und die noch nicht durch eine sakramentale Beichte vergeben worden sind. Eine Sünde ist dann schwer, wenn ein Gebot Gottes in einer wichtigen Sache, mit klarem Bewusstsein und in freier Entschiedenheit übertreten worden ist. Es wird auch geraten, weniger schwere, sogenannte lässliche Sünden zu bekennen.
  • Die Wiedergutmachung besteht zunächst in der Pflicht, begangenes Unrecht soweit irgend möglich zu begleichen, beispielsweise muss Gestohlenes zurückgegeben werden. Zum anderen soll das Bußwerk helfen, die Folgen der Schuld in Solidarität mit der Kirche abzutragen. Hinsichtlich der Genugtuung, der Beseitigung der Sündenfolgen also, bildet die Kirche als Communio sanctorum eine zeitliche und ewige Gemeinschaft mit Christus und seinen Heiligen.
Somit kann keine wirksame Lossprechung bekommen,
  • wer keine Reue über seine Sünden empfinden will
  • wer die nächste Sünde oder die Gelegenheiten zur Sünde nicht meiden will
  • wer seinen Feinden nicht verzeihen, fremde Ehre nicht wiederherstellen oder anderes Unrecht nicht ausgleichen will, obwohl er es könnte.

Feier

Es gibt zwei ordentliche Formen der Feier des Bußsakraments:
  • die Feier der Versöhnung für Einzelne
  • die gemeinschaftliche Feier der Versöhnung mit Bekenntnis und Lossprechung der Einzelnen (forma sollemnior: Caeremoniale Episcoporum Nr. 251).
Für Menschen in Lebensgefahr vorgesehen ist die gemeinschaftliche Feier der Versöhnung mit allgemeinem Bekenntnis und Generalabsolution. Das Einzelbekenntnis darin vergebener schwerer Sünden muss, falls der Gläubige überlebt, sobald wie möglich nachgeholt werden (can. 962 CIC).
Die gottesdienstlichen Ordnungen finden sich in: Die Feier der Buße nach dem neuen Rituale Romanum. Studienausgabe, hrsg. von den Liturgischen Instituten Salzburg, Trier und Zürich, Einsiedeln u. a. 1974. Die pastorale Einführung ist auch im Internet zugänglich.[8]
Die Feier der Versöhnung für Einzelne hat folgende Gestalt:

Begrüßung

Nach dem Betreten des Beichtstuhls oder -zimmers macht der Beichtende das Kreuzzeichen und beginnt mit folgenden Worten:
Beichtender Priester
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. Gott, der unser Herz erleuchtet, schenke dir wahre Erkenntnis deiner Sünden und Seiner Barmherzigkeit.
Amen.
Falls genügend Zeit vorhanden ist, kann der Priester ein Schriftwort lesen oder sprechen.

Bekenntnis und Genugtuung

Nun erfolgt das eigentliche Bekenntnis der Sünden im Beichtgespräch. Der Priester kann dem Beichtenden am Ende des Gespräches eine angemessene Buße zur Genugtuung für seine Sünden auftragen. Diese kann den Charakter eines Gebets oder eines Werkes der Nächstenliebe haben.

Reuegebet und Lossprechung

Grundlegend bei der Beichte ist die sakramentale Lossprechung, die in der römisch-katholischen Kirche nur durch einen Priester in persona Christi und in persönlicher Gegenwart des Beichtenden erteilt werden kann. Einige Sünden, die mit einer dem apostolischen Stuhl vorbehaltenen Exkommunikation verbunden sind, können nur nach Rückfrage (Rekurs) des Beichtvaters beim zuständigen hierarchischen Vorgesetzten losgesprochen werden. Im Fall des Schwangerschaftsabbruchs haben gemäß Beschluss der Österreichischen und Deutschen Bischofskonferenz alle Beichtväter die Vollmacht zur Absolution auch von der damit verbundenen Exkommunikation.
Der Beichtende, der im Bekenntnis seine Sünden und Verfehlungen vor dem Priester bekannt hat, spricht nun ein kurzes Reuegebet seiner Wahl und wird losgesprochen.
Beichtender Priester
Reuegebet Gott, der barmherzige Vater, hat durch den Tod und die Auferstehung seines Sohnes die Welt mit sich versöhnt und den Heiligen Geist gesandt zur Vergebung der Sünden. Durch den Dienst der Kirche schenke er dir Verzeihung und Frieden. So spreche ich dich los von deinen Sünden im Namen des + Vaters und des + Sohnes und des + Heiligen Geistes.
Amen.
oder auch in der lateinischen Form:
Beichtender Priester

Deus, Pater misericordiarum, qui per mortem et resurrectionem Fílii sui mundum sibi reconciliavit et Spiritum Sanctum effudit in remissionem peccatorum, per ministerium Ecclesiae indulgentiam tibi tribuat et pacem. Et ego te absolvo a peccatis tuis in nomine Patris, et Filii, et Spiritus Sancti, Amen.
Amen.

Dank und Entlassung

Beichtender Priester
Danket dem Herrn, denn er ist gütig.
Sein Erbarmen währt ewig. Der Herr hat dir die Sünden vergeben. Geh hin in Frieden.

Das Verhältnis von Beichte und Ablass

Durch eine gültige Beichte erlangt der Gläubige nach katholischem Verständnis die Vergebung der gebeichteten Sünden. Befand sich der Gläubige aufgrund begangener schwerer Sünden nicht mehr im Stand der Gnade, so wird durch die Beichte dieser Sünden die Gemeinschaft mit Gott und der Kirche wiederhergestellt. Die Beichte tilgt jedoch nicht die durch die begangenen Sünden verursachten, zeitlichen Sündenstrafen, die gegebenenfalls noch im Fegefeuer (Reinigungszustand) verbüßt werden müssen. Gläubige, die neben der Sündenvergebung auch noch die Verminderung der zeitlichen Sündenstrafen erreichen wollen, können zusätzlich zur abgelegten Beichte einen Ablass erlangen. Da die Erlangung eines Ablasses an die Bedingung gekoppelt ist, dass sich der Gläubige im Stand der Gnade befindet, ist die Beichte somit oftmals Voraussetzung für das Erlangen eines Ablasses.
Die genaue Darlegung der römischen Bußlehre wurde erst nach der Reformation im Konzil von Trient (zwischen 1545 und 1563) definiert. Der Ablass zur Tilgung zeitlicher Sündenfolgen ist seither nicht mehr käuflich und wird deutlich vom Bußsakrament unterschieden.

Laienbeichte

Neben der sakramentalen Beichte kennt die Kirche auch die sogenannte Laienbeichte, die etwa vom hl. Thomas von Aquin ausdrücklich empfohlen wird. Sie ersetzt nicht die sakramentale Beichte und führt nicht zu einer Vergebung der Sünden. Insbesondere bei schweren Sünden ist die sakramentale Beichte notwendig. Die Wirkung der Laienbeichte besteht beispielsweise in einer erweiterten Gewissenserforschung, sie kann die Reue über Sünden vergrößern, sie ist eine Übung der Demut und sie kann eine sakramentale Beichte vorbereiten. So ist sie eine sinnvolle Ergänzung, ist aber wenig bekannt und wird deswegen kaum praktiziert.

Orthodoxe Kirche

In den orthodoxen Kirchen wird die Beichte praktiziert und zu den Sakramenten gezählt. Die meisten orthodoxen Gläubigen sehen eine kürzlich abgelegte Beichte als Voraussetzung für den Empfang der Kommunion an; einige Kirchen spenden sie ausdrücklich nur an Gläubige, die am Vorabend gebeichtet haben.
Beichtstühle sind nicht üblich, gewöhnlich wird sich der Beichtende in einem Privatraum seines Beichtvaters einer Christus-Ikone zuwenden und so seine Beichte ablegen, wobei der daneben kniende Priester durch Gebete und Fragen helfen soll. Viele Orthodoxe ziehen es vor, einen anderen Priester als den ihrer Ortsgemeinde als Beichtvater aufzusuchen; dabei soll der Beichtvater aber nicht von Beichte zu Beichte gewechselt werden. Wenn es ein Kloster in der Nähe gibt, wenden sich viele auch an einen Mönch als Beichtvater. Da die meisten keine Priestermöche sind, holt der Mönch in diesem Fall zum Abschluss einen Priester hinzu, der dann die Lossprechung vollzieht.
Die altchristliche Form der Beichte vor der ganzen Gemeinde wird heute nur noch selten geübt; jedoch manchmal noch im Falle von Erwachsenentaufen, wenn der Täufling es wünscht. Die Lossprechung muss hier ebenfalls von einem Priester erteilt werden.

Evangelisch-lutherische Kirchen

Lutherische Kritik am römisch-katholischen Bußinstitut

Martin Luther wandte sich zwar energisch gegen jede menschliche Leistung zur Sündenvergebung (sämtliche Sünden beichten zu müssen, Ablasshandel, etc.), befürwortete aber die Einzelbeichte. Er beichtete selbst regelmäßig, in schwierigen Zeiten sogar täglich. Die Kritik der lutherischen Reformation, insbesondere der Bekenntnisschriften der Evangelisch-lutherischen Kirche als Lehrnorm dieser Konfession, richtet sich also nicht generell gegen die Beichte, die als Sakrament nach den lutherischen Bekenntnisschriften verstanden werden muss, sondern gegen das, was als Fehlentwicklungen des römisch-katholischen Beichtinstituts gesehen wurde. Das römisch-katholische Bußinstitut umfasst:
  1. Erkenntnis der Schuld
  2. wahre Reue = contritio cordis (lateinisch: wörtlich Zerknirschung des Herzens)
  3. Bekenntnis der Schuld = confessio oris (Lippenbeichte)
  4. Genugtuung = satisfactio operum
  5. Zuspruch der Vergebung = absolutio
  • Eine Streitfrage ist die contritio cordis (Zerknirschung des Herzens)
Luther und die lutherischen Bekenntnisschriften widersprechen der römischen Lehrauffassung, dass der Mensch überhaupt in der Lage sei, eine vollkommene, alle Sünden umfassende Reue zu empfinden, da der Mensch nur einen Teil seiner Sünden erkennen könne. Weiter wird angemerkt, dass der Mut zur Beichte und die Absolution nicht aus der Zerknirschung des Herzens heraus erfolgen könne, sondern der sündige Mensch sich hin zum Opfer Christi zu wenden habe. Der Mensch als Sünder bleibt ein homo incurvatus in se ipsum (in sich gekrümmter Mensch). Der dritte Kritikpunkt wendet sich schon an dieser Stelle gegen die römisch-katholische Lehre von der Erbsünde, die in der römischen Tradition nicht so streng gefasst wird wie in der lutherischen Erbsündenlehre. Hierdurch ergebe sich viertens, dass das Evangelium in Christus nicht hinreichend gewürdigt werde. In der lutherischen Beichtlehre ist der Mensch nicht Subjekt des Handelns, sondern Objekt. Der sündige Mensch wird von Gott als solcher erkannt. Erst wenn der Mensch sich von Gott als Sünder erkennen lässt, wird ihm sein Sündersein bewusst. Erst durch das hermeneutische Prinzip – Gesetz und Evangelium – komme der Kontext zwischen Reue und Beichte zum Ausdruck.
  • Eine weitere Streitfrage ist die „Genugtuung“ („satisfactio operum“)
  1. Luther verneinte, wegen seiner strengeren Auffassung von der Erbsünde, die Möglichkeit einer Genugtuung seitens des verdorbenen Menschen und verweist auf den „stellvertretenden Tod Jesu“, mit dem er die Rechtfertigung aus Gnade „sola gratia“ begründet.
  2. Die Ablehnung der „satisfactio operum“ ist einer der Gründe für Luthers Widerstand gegen die römisch-katholische Kirche und gegen den Ablasshandel.
  3. Dieser Ablasshandel war entstanden, weil in der Beichtpraxis mitunter an Stelle der Wiedergutmachung eine Ersatzleistung durch gute Werke gefordert wurde, die auch im Kauf von Ablasszetteln bestehen konnte und die in der Praxis sogar als Kauf der Vergebung zu verstehen war.
  4. Diese satisfactio operum hatte ursprünglich ihren Sinn darin, dass sie ein Zeichen echter Reue darstellte: Der Beichtende sollte hierdurch deutlich machen, dass seine Reue ernst war. Sie bestand hauptsächlich aus Fasten, Gebet und Spenden. Diese Leistung wird im Namen der göttlichen Gerechtigkeit erbracht und ist entweder im Leben oder im Fegefeuer abzuleisten. Jedoch kennen auch Luther und die lutherische Kirche eine Genugtuung. Diese ist aber Christi Kreuzesopfer und keine menschliche Leistung. Der Begriff Genugtuung wird vermieden, weil er aus Sicht Luthers negativ besetzt ist.
  5. Weiter wird der „Beichtzwang“ kritisiert, den es in den lutherischen Kirche nicht gibt.

Die Beichte im Licht der lutherischen Bekenntnisschriften

Die Evangelisch-Lutherischen Bekenntnisschriften als alleinige gültige Lehrnorm in den lutherischen Kirchen treten für die Beichte ein, da sich nach lutherischer Bekenntnisauffassung in der Beichte die Rechtfertigung des Sünders vor Gott am deutlichsten ereignet. Neben Taufe und Abendmahl wird die Beichte als drittes Sakrament benannt. Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses definiert im 13. Artikel, dass als Sakramente im strikten Sinne Taufe, Beichte und Abendmahl zu gelten haben.
„Vere igitur sunt sacramenta baptismus, coena Domini, absolutio quae est sacramentum poenitentiae. Wahrhaft jedoch sind Sakramente die Taufe, das Mahl des Herrn, die Absolution, d. h. das Bußsakrament.“
  • Der Kleine Katechismus und der Große Katechismus Martin Luthers – beide Schriften gehören zum Korpus der lutherischen Bekenntnisschriften – behandeln die Beichte ausführlich. Unter anderem heißt es im Kleinen Katechismus zum Thema Beichte:
„Was ist die Beichte?
Die Beichte begreift zwei Stücke in sich: eins, dass man die Sünden bekenne; das andere, dass man die Absolution oder Vergebung vom Beichtiger (regelmäßig: der Pfarrer) empfange als von Gott selbst, und ja nicht daran zweifele, sondern fest glaube, die Sünden seien dadurch vergeben vor Gott im Himmel.

Welche Sünden soll man denn beichten?
Vor Gott soll man aller Sünden sich schuldig geben, auch die wir nicht erkennen, wie wir im Vaterunser tun. Aber vor dem Beichtiger (Pfarrer) sollen wir allein die Sünden bekennen, die wir wissen und fühlen im Herzen.“
  • Die Schmalkaldischen Artikel betonen ebenfalls die Beichte.
    Die Absolution, die Wirkung der Schlüsselgewalt, ist auch eine Hilfe und ein Trost gegen die Sünde und das böse Gewissen; so ist sie von Christus im Evangelium gestiftet worden. Deshalb soll man in der Kirche die Beichte oder Absolution nicht in Abgang kommen lassen.
  • Die Confessio Augustana von 1530 behandelt das Thema Beichte und Buße in den Artikeln 11,12 und 25 und wehrt sich gegen den Vorwurf, dass die Beichte abgeschafft worden ist. Vielmehr ist die Beichte in Geltung und in Praxis. Zum anderen wird der Beichtzwang und die Auflage, dass alle Sünden gebeichtet werden müssen, kritisiert.

Die Beichtpraxis in lutherischen Kirchen heute


Lutherischer Beichtgottesdienst auf der Hallig Oland, 1891
An die Stelle der Einzelbeichte mit Handauflegung ist in den Gottesdiensten der lutherischen Landeskirchen seit dem „Berliner Beichtstuhlstreit“ (1698), vielfach die „Allgemeine Beichte“, ein Rüstgebet (Confiteor, die gemeinsame Bitte um Vergebung) getreten oder besondere Beicht- und Bußgottesdienste. In vielen evangelischen Kirchen ist ein Sündenbekenntnis mit Zuspruch der göttlichen Vergebung der Sünde Teil der evangelischen Liturgie des Abendmahls. In den Gliedkirchen der VELKD werden seit 1993 drei Möglichkeiten für die Beichte innerhalb des Hauptgottesdienstes angeboten:
  • im Zusammenhang mit der Abendmahlsfeier
  • im Eröffnungsteil
  • nach der Predigt
jeweils mit einer Zeit der persönlichen Gewissensprüfung, Absolutionsformel, gemeinsam oder durch den Liturgen, mit oder ohne Handauflegung. Daneben steht die freiwillige Praxis der Einzelbeichte, die in der Agende der VELKD geregelt ist und deren liturgischer oder freier Form ein Gespräch vorangeht. Das Gegenüber des Beichtenden ist der Pfarrer bzw. die Pfarrerin. „Die Kirche beruft (ordiniert) und bevollmächtigt einzelne Christen, die Beichte zu hören und die Absolution zu erteilen“.[9]
Die Einzelbeichte „ist unzweifelhaft ein Ausdruck persönlicher Reife“[10] und überdies ein wichtiges seelsorgerliches Angebot, das in neuerer Zeit zunehmend in Anspruch genommen wird.[11] Klaus-Peter Hertzsch schreibt dazu: „Es gibt auch in der evangelischen Kirche Menschen, die regelmäßig zur Beichte gehen […] Die Beichte hat in früheren Zeiten andere Formen gehabt, die uns heute fremd wären. Sie ist im Lauf der Geschichte auch missverstanden und missbraucht worden und so in Verruf gekommen. Sie hat in der römisch-katholischen Kirche einen viel festeren Platz als bei uns und gilt deshalb vielen als ‚typisch katholisch‘. Aber all das ändert nichts daran, dass uns hier eine Möglichkeit und große Hilfe gegeben ist, das, was uns bedrückt, verunsichert, wirklich loszuwerden, und das, wonach wir uns sehnen, zu gewinnen: Klarheit und Frieden für unser Leben.“[12]
In der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) wird die Gemeinsame Beichte oftmals unmittelbar vor oder in Zusammenhang mit der Lutherischen Messe gehalten. Die Absolution wird unter Handauflegung jedem Pönitenten, der am Altar kniet, vom Pfarrer zugesprochen. Ebenso werden in der Einzelbeichte („Privatbeichte“) vor dem Pfarrer Sünden bekannt, beispielsweise in der Sakristei, und im Namen des dreieinigen Gottes unter Handauflegung vergeben. Der Ablauf ähnelt dem der Gemeinsamen Beichte. In der SELK darf nur ein ordinierter Pfarrer die Beichte abnehmen.

Anglikanische Kirchen

Im Anglikanismus ist die Beichte gewöhnlicherweise ein Bestandteil des gemeinschaftlichen, öffentlichen Gottesdienstes, besonders bei der Eucharistiefeier. Diese Form der Beichte beinhaltet einen Aufruf zur Buße seitens des Priesters, eine Zeit des stillen Gebets, um ein stilles Gedenken der eigenen Sünden zu ermöglichen, eine Form der allgemeinen Beichte, die von allen Anwesenden gemeinsam gesprochen wird, und der Zuspruch der Absolution durch den Priester, der oft mit dem Zeichen des Kreuzes begleitet wird.
Die private Beichte (auch Ohrenbeichte genannt) wird auch von manchen Anglikanern praktiziert und ist besonders unter Anglokatholiken verbreitet.
Es besteht keine allgemeine Verpflichtung zur privaten Beichte, aber das Verständnis ist verbreitet, dass es unter bestimmten einzelnen Zuständen wünschenswert sei. Ein anglikanischer Aphorismus im Bezug auf diese Praktik besagt: „Alle dürfen; keiner muss; einige sollten.“[13]

Reformierte Kirchen

Die reformierte Kirche lehnt die Einzelbeichte als normale Praktik ab. Für Ulrich Zwingli,[14] Heinrich Bullinger[15] und Johannes Calvin war die Beichte „nichtbiblische“ Praxis.
Zwingli argumentierte, da Christus von der Sünde befreit habe, gebe die sakramentale Sündenvergebung keinen Sinn. In der Verkündung von Jesu Tod, in der Predigt also, werde die Binde- und Lösegewalt ausgeübt. Damit wandte sich Zwingli gegen die traditionelle Vorstellung einer Schlüsselgewalt und ausdrücklich gegen Luthers Festhalten an der Ohrenbeichte[16]
Calvin sah die Ohrenbeichte erst dann als berechtigt an, „wenn einer es nicht mehr glauben kann, weil ihn sein Gewissen quält oder Zweifel am Erbarmen Gottes die Gewissheit erschüttert“. Die Generalabsolution hingegen sei „etwas Verkorkstes und Altmodisches“. Sie wird in der reformierten Tradition seit über hundert Jahren kaum noch genutzt.[17]
In der Reformierten Liturgie werden Beichte und Absolution im Zusammenhang mit dem Abendmahl ausdrücklich erwähnt und ausgeführt.[18] Erwähnung findet die Beichte in der Reformierten Liturgie zudem in der Fassung des Ordinationsvorhalts, der aus der Ordnung der Evangelischen Kirche der Union übernommen wurde.[19]

Amische

Die „Ordnung“ der täuferischen Amischen sieht bei schweren Verfehlungen eines Gemeindemitglieds das Schuldbekenntnis vor der ganzen Gemeinde vor.

Evangelikale Gemeinschaften

Auch in evangelikalen Gruppen gibt es oft eine Art Beichte in Form eines Sündenbekenntnisses vor einem Seelsorger, der die Vergebung zuspricht, manchmal anlässlich der Bekehrung, mancherorts auch als regelmäßige spirituelle Praktik. Dieser Seelsorger muss jedoch kein Geistlicher sein (Laienbeichte).

Beichte in nichtchristlichen Kulturen

Innerhalb der Inkakultur wurde zur Vergebung von Sünden gebeichtet. Es gab drei verschiedene Beichtväter, die je nach Art der Verfehlung aufgesucht wurden. Es gab Beichtväter von hohem und niederem Stand und gauklerische Beichtväter, letztere erkannten durch den Einsatz von Losen oder Tiereingeweideschau, wenn jemand Verfehlungen verhehlen wollte. Zur Vergebung der Sünden wurden auch Züchtigungen eingesetzt.[20]

Beichtgeheimnis

In allen Kirchen kennt man das Beichtgeheimnis: der Beichtvater (ggf. „auch Dolmetscher und andere, die auf irgendeine Weise aus der Beichte zur Kenntnis von Sünden gelangt sind“, can. 983 CIC) ist zu strengster Verschwiegenheit verpflichtet über alles, was in der Beichte zur Sprache kam, selbst wenn er dafür den Martertod erleiden müsse (hl. Johannes Nepomuk); auch gegenüber sämtlichen staatlichen und kirchlichen Stellen. Er darf auch niemanden auf eine frühere Beichte ansprechen. Wenn er in der Beichte von einem schweren Verbrechen erfährt, wird er den Beichtenden normalerweise auffordern, sich zu stellen, und dies sogar eventuell zu einer Voraussetzung für die Lossprechung machen; die Entscheidung bleibt aber beim Beichtenden. In den meisten Staaten ist das Beichtgeheimnis auch staatlicherseits anerkannt, sodass zum Beispiel ein Lauschangriff auf einen Beichtstuhl verboten ist.[21]

Beichtspiegel

Bei der Gewissenserforschung kann ein sogenannter Beichtspiegel hilfreich sein. Sein Aufbau soll eine gute Vorbereitung auf die Beichte ermöglichen.

Beichtzettel

Unter einem Beichtzettel (schedula confessionis) versteht man die vom Beichtvater übergebene Bescheinigung der abgelegten Beichte.

Psychoanalyse

Vor allem im Hinblick auf psychische Störungen wurde eine heilsame Wirkung der Beichte angenommen.[22] Der Psychiater und Theologe Johannes B. Torelló untersuchte die Beziehung zwischen Beichte und Psychotherapie und arbeitete die Unterschiede heraus.[23]
Nach Meinung der Psychoanalytikerin Eveline List sei das Christentum im Mittelalter die bestimmende ideologische Macht geworden; insbesondere die Etablierung der „Ohrenbeichte“ für alle Christen habe als Kontrolle der einzelnen Menschen gedient, die Macht der Kirche vermehrt und die Idee der persönlichen Schuld propagiert.[24]
Nach Viktor Frankl wollte die Psychoanalyse Freuds „weltliche Beichte“ sein, während die Logotherapie „ärztliche Seelsorge“ sei.[25]

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Bundesamt für Verfassungsschutz

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) ist ein deutscher Inlandsnachrichtendienst, dessen wichtigste Aufgabe die Überwachung von Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland ist. Er verfügt über keine polizeilichen Befugnisse.
Zusammen mit dem Bundesnachrichtendienst (BND) und dem Amt für den Militärischen Abschirmdienst (MAD) gehört das BfV zu den drei Nachrichtendiensten des Bundes.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz untersteht dem Bundesministerium des Innern und wird von einem Präsidenten geleitet. Im Jahr 2012 waren im BfV rund 2.750 Personen beschäftigt (2011: rund 2.700).[2] Rechtsgrundlage ist das Bundesverfassungsschutzgesetz. Für das Jahr 2016 ist das Haushaltsvolumen mit rund 261 Millionen EUR veranschlagt.[1]
Das Bundesamt für Verfassungsschutz ermittelt gemäß § 5 Abs. 2 BVerfSchG bei gegen den Bund gerichteten oder länderübergreifenden Bestrebungen und Tätigkeiten (siehe Auftrag), bei Sachverhalten mit außenpolitischer Bedeutsamkeit oder auf Ersuchen einer der 16 Landesbehörden für Verfassungsschutz, die als Landesämter oder Abteilungen des Innenministeriums nicht dem BfV, sondern – wie auch die Polizei – dem jeweiligen Innenminister des betreffenden Bundeslandes unterstehen. Der Bund hat Weisungsrechte gegenüber den Ländern in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes, wenn ein Angriff auf die „[…] verfassungsmäßige Ordnung des Bundes erfolgt“ (§ 7 BVerfSchG).

Geschichte


Bericht über das im Auftrag der US-Army arbeitende „Amt für Verfassungsschutz“ vom September 1950
Ein indirekter Vorläufer des Bundesamtes war in der Weimarer Republik der Reichskommissar für Überwachung der öffentlichen Ordnung, der von 1920 bis 1929 existierte und ebenfalls über keine polizeilichen Befugnisse verfügte, sondern die Nachrichtengewinnung über verfassungsfeindliche Bestrebungen im Deutschen Reich koordinierte.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz wurde am 7. November 1950 durch die Initiative der Alliierten Hohen Kommissare John Jay McCloy, Ivone Kirkpatrick und André François-Poncet aufgrund des Bundesverfassungsschutzgesetzes vom 27. September 1950 gegründet. Bereits vorher betrieb die United States Army in Deutschland eine Tarneinrichtung namens „Amt für Verfassungsschutz“, deren Agenten unter anderem die Aufgabe hatten, Informationen über die 1945 wieder zugelassene KPD zu sammeln.[3] Der Aufbau in der Gründungsphase wurde von den Sicherheitsdirektoren der Hohen Kommissare bis in Details gelenkt, um zu verhindern, dass eine neue Gestapo entstehen könnte. Dies blieb auch weiter ein zentrales Leitmotiv für die organisatorische Entwicklung des Bundesamts. Darüber hinaus bestimmen die Alliierten nicht nur den ersten Präsidenten des Bundesamts aus den Vorschlägen der Bundesregierung, sondern kontrollierten und genehmigten die Einstellung des Personals, so dass ehemalige Angehörige der verbrecherischen NS-Organisationen Gestapo, SS und SD des Reichssicherheitshauptamts dort zunächst nicht beschäftigt wurden.[4]
Bis 1955 stand die Behörde unter Aufsicht der Alliierten. Die Befugnisse und die Arbeitsweise des Amtes entsprachen den Vorgaben des Polizeibriefes der Alliierten vom 14. April 1949; dieser erlaubte die Einrichtung einer „Stelle zur Sammlung und Verbreitung von Auskünften über umstürzlerische, gegen die Bundesregierung gerichtete Tätigkeiten“. Grundlage der Tätigkeit sollte von Anfang an das Sammeln von Nachrichten ohne polizeiliche Exekutivbefugnisse sein. Diese Trennung geheimdienstlicher und polizeilicher Tätigkeiten (sog. Trennungsgebot, vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 BVerfSchG) ist eine Reaktion auf die Erfahrungen mit der Geheimen Staatspolizei als politischer Polizei.[5]
Trotz dieser organisatorischen Abgrenzung gab es starke personelle Kontinuitäten; bis zum Ende der alliierten Aufsicht 1955 waren viele ehemalige Mitarbeiter der Gestapo als freie Mitarbeiter oder in Tarnfirmen beschäftigt, danach auch regulär im Amt. Daneben wuchs eine jüngere Generation juristisch geschulter Mitarbeiter heran, denen die Methoden der "alten Hasen" suspekt waren. 1963 wurden noch 16 Mitarbeiter als ehemalige Mitglieder von Gestapo, SS oder SD ermittelt. Den Alliierten war dies bekannt, es war ihnen im antikommunistischen Kampf des Kalten Krieges aber nicht mehr wichtig. Sie wurden in andere Ämter versetzt. Danach war der Öffentlichkeit auch die Mitgliedschaft in der NSDAP zunehmend suspekt für eine leitende Tätigkeit, weshalb der Behördenleiter Schrübbers gehen musste. Mit der Neuen Linken differenzierte sich das Feld der zu beobachtenden Verfassungsgegner, insbesondere durch den Linksterrorismus der RAF sowie den internationalen Terrorismus, der in Deutschland seit dem Attentat auf die Olympischen Spiele 1972 spürbar wurde.[6]
Der Präsident des Amtes, Heinz Fromm, hat 2009 eine Kommission einberufen, die diese Vergangenheit und weitere Bezüge des Amtes zur NS-Zeit auf Grundlage der Archivdaten detailliert aufklären soll.[5] Die Kommission nahm erst im November 2011 ihre Arbeit auf.[7] Am 1. Oktober 2013 wurden ein erstes Zwischenergebnis veröffentlicht, bei dem die verantwortlichen Bochumer Historiker Constantin Goschler und Michael Wala einen „durch vielerlei Umstände stark reduzierte[n] Quellenbestand“ feststellten. Durch Auswertung von Impflisten, Dokumenten von Personalratswahlen sei eine Personaldatenbank mit etwa 1500 Namen erstellt worden. Bei 13 % aller BfV-Mitarbeiter sei ein NS-Hintergrund feststellbar gewesen.[8]
Die Änderung des Zuschusses aus dem Bundeshaushalt sieht man in folgendem Diagram:

Auftrag

Einsatzfelder

Die Aufgaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz ergeben sich aus § 3 BVerfSchG (Aufgaben des Verfassungsschutzes) i. V. m. § 5 BVerfSchG (Abgrenzung zwischen Bund und Ländern):

Informationsbeschaffung und -auswertung

Eine wesentliche Aufgabe des Bundesamtes für Verfassungsschutz ist das Sammeln und Auswerten von Informationen, beispielsweise sach- oder personenbezogene Auskünfte, Nachrichten oder Unterlagen über Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. Hierzu gehören unter anderem politische oder gewalttätige Aktivitäten, die aufgrund ihrer antidemokratischen Einstellungen bzw. Absichten die Sicherheit bzw. den Bestand der Bundesrepublik Deutschland gefährden, wie zum Beispiel extrem links beziehungsweise rechts gerichtete Parteien und Organisationen oder terroristische Vereinigungen. So stehen beispielsweise die als rechtsextrem eingestufte NPD, die als linksextrem eingestufte Deutsche Kommunistische Partei, die Vereinigung Scientology oder das Terrornetzwerk Al-Qaida aufgrund von als verfassungsfeindlich oder terroristisch eingestuften Aktivitäten unter Beobachtung des Bundesamtes für Verfassungsschutz.
Der Verfassungsschutz beschäftigt im Bereich der Informationsbeschaffung auch sogenannte V-Personen, die z. B. auch bei der NPD aktiv sind, woran letztlich das NPD-Verbotsverfahren scheiterte, weil sie aus Gründen des Quellenschutzes nicht als Zeugen im Verbotsverfahren benannt werden konnten.
Das Informations- und Kommunikationstechnikzentrum der Bundespolizei unterstützt das BfV gemäß § 10 BPolG auf dem Gebiet der Funktechnik.
Im Jahr 2008 forderten die Leiter der Verfassungsschutzämter gezielt die strategische Überwachung von relevanten Internet-Knoten (wie z. B. dem DE-CIX).[9]

Spionageabwehr

Ebenso gesetzlicher Auftrag des Bundesamtes für Verfassungsschutz ist die Aufklärung von „sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten […] für eine fremde Macht“ (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 BVerfSchG), d. h. die sog. Spionageabwehr im Inland. Hier gilt es, die Tätigkeiten fremder Nachrichtendienste aufzuklären und deren Spionagetätigkeit gegen politische und öffentliche Institutionen (z. B. politische Parteien oder Regierungsbehörden) oder Wirtschaftsunternehmen zu verhindern.[10] Hierzu gehört auch die Aufdeckung von illegalen Geschäften oder Know-How-Abflüssen, die der Weiterverbreitung von atomaren, biologischen oder chemischen Waffen dienen könnten. Entsprechende Aktivitäten, die im Ausland stattfinden, werden vom Bundesnachrichtendienst beobachtet.
Die Abwehr von Spionage im Bereich der Bundeswehr bzw. des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums der Verteidigung (§ 1 Abs. 1 MADG) ist Aufgabe des Amt für den Militärischen Abschirmdienst.

Geheim- und Wirtschaftsschutz

Ein weiteres Aufgabengebiet des Bundesamtes für Verfassungsschutz ist der Geheim- und Wirtschaftsschutz. Bezogen auf die Arbeit des BfV sind hierunter Vorschriften und Handlungsanweisungen bzw. -empfehlungen zu verstehen, die den Schutz von Verschlusssachen des Staates und der von ihm beauftragten Industrie (Geheimschutz) bzw. von Geschäftsgeheimnissen (Wirtschaftsschutz) vor unbefugtem Zugriff gewährleisten sollen. Das BfV bietet hierzu Publikationen im Internet[11] sowie Beratungen von Wirtschaftsunternehmen an. Zudem führt das BfV Sicherheitsüberprüfungen für Personal in geheimschutzbetreuten Bereichen von Wirtschaftsunternehmen durch. Die Informationsvermittlung zwischen dem BfV und der Wirtschaft wird seit 2008 im „Ressortkreis Wirtschaftsschutz“ von der Arbeitsgemeinschaft für Sicherheit der Wirtschaft übernommen.[12]

Einsatzmethodik

Das BfV verwendet zusammen mit den Landesbehörden für Verfassungsschutz ein Computersystem mit dem Namen NADIS zur Speicherung von personenbezogenen Daten.
Zur Sammlung von Informationen bedient sich das Bundesamt für Verfassungsschutz verschiedener Möglichkeiten:

Öffentliche Quellen

Den größten Teil seiner Informationen bezieht das Bundesamt für Verfassungsschutz aus öffentlichen Quellen, wie Zeitungen, Fernsehen, dem Internet, Flugblättern und ähnlichem. Zudem besuchen Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz öffentliche Informationsveranstaltungen beobachteter Organisationen.
Hauptartikel: Open Source Intelligence

Nachrichtendienstliche Mittel

Das BfV darf gemäß § 8 BVerfSchG sog. nachrichtendienstliche Mittel einsetzen. So werden zum Beispiel durch das BfV Informationen von V-Personen (Quellen) gewonnen, die sich in extremistischen oder terroristischen Kreisen bewegen. Auch darf das BfV Observationen durchführen, heimliche Bild- und Tonaufzeichnungen anfertigen und Tarnkennzeichen und Tarnpapiere nutzen.
Das BfV ist zudem zur Brief- und Telekommunikationsüberwachung (Aufzeichnung von Telefongesprächen, Internet- und sonstige Datenübertragungen, Mobilfunkzellenabfragen) ermächtigt. Bei der Durchführung dieser Aktionen ist es jedoch an das Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses gebunden. Die Überwachung von sog. gebündelter Telekommunikation (etwa über Satellit oder in Internet-Knoten) ist gemäß § 5 G10 dem Bundesnachrichtendienst vorbehalten.
Online-Durchsuchungen
Die Behörde macht gegenüber der Öffentlichkeit keine Angaben zur Praxis der Online-Durchsuchungen. Ob grundsätzlich Online-Durchsuchungen durch Behörden zulässig sind, ist umstritten.[13] Veröffentlichungen des Chaos Computer Clubs im Oktober 2011 berichteten über Mängel polizeilich und nachrichtendienstlich eingesetzter Software zur Quellen-Telekommunikationsüberwachung und lösten die sog. Staatstrojaner-Affäre aus.
Steuersatz
Informanten (V-Leute) der Geheimdienstbehörden in Deutschland müssen nur einen ermäßigten Steuersatz in Höhe von 10 Prozent auf ihre Einkünfte zahlen.[14]

Zusammenarbeit mit anderen Geheimdiensten

Das Bundesamt arbeitet mit inländischen und ausländischen Geheimdiensten zusammen. Dabei kam es in mindestens einem Fall vor, dass der Verfassungsschutz sich für die Enttarnung eines US-Spions um Mithilfe an US-Behörden gewandt hat. Es handelte sich um einen Spion der US-Geheimdienstbehörde NSA, der den NSA-Untersuchungsausschuss ausspionierte.[15]

Rechtsgrundlage und Kontrolle

Kontrolle bzw. Rechenschaftslegung

Das Bundesamt für Verfassungsschutz wird, wie BND und MAD, im Rahmen der parlamentarischen Kontrolle vom Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestags in Zusammenarbeit mit der Budgetöffentlichkeit (sog. Vertrauensgremium nach § 10a Abs. 2 BHO), welchem die Bewilligung der geheimzuhaltenden Wirtschaftspläne der Nachrichtendienste obliegt, überwacht.
Zur Rechenschaftslegung und zur allgemeinen Information über politischen Extremismus, Spionageabwehr und Geheimschutz veröffentlicht der Bundesinnenminister jährlich einen kostenfrei auf Anforderung erhältlichen Verfassungsschutzbericht, der auch auf der Homepage heruntergeladen werden kann.

Vom Staat unabhängige Beobachter

Besonders in den 1980er Jahren gab es bundesweit Gruppen wie die Initiative „Bürger beobachten die Polizei“, die die Aktivitäten des Verfassungsschutzes kritisch begleiteten. Auch in der Humanistischen Union und in vielen (links-)liberalen und linken Organisationen ist der Verfassungsschutz seit langem eines der zentralen Themen, wenn es um die Fragen nach einer offenen und demokratischen Gesellschaft geht. Dazu zählt auch das „Komitee für Grundrechte und Demokratie“ und andere Menschenrechtsorganisationen. Das Magazin Bürgerrechte & Polizei/CILIP berichtet seit dieser Zeit regelmäßig auch über Problematiken, die mit dem Verfassungsschutz verbunden sind.
Zu einem Skandal kam es 1991, als in der Berliner Autonomen-Szene der Verfassungsschutzbericht bereits vor seiner offiziellen Veröffentlichung auf Plenen und im autonomen Wochenblatt „interim“ vorgestellt und diskutiert wurde. So genannte „Ansprechversuche“ seitens des Verfassungsschutzes wurden publik gemacht. Die Diskussionen um die „Militanz“ wurden dabei auch vor dem Hintergrund der Verfassungsschutzaktivitäten geführt, dessen Aktionen, wie die Bereitstellung einer Bombe für die Gruppe „Tupamaros West-Berlin“ für einen (gescheiterten) Anschlag auf das Jüdische Gemeindehaus in Berlin 1968, auch Anlass zur grundsätzlichen Ablehnung politischer Gewalt waren. Im Fall „Celler Loch“ wurde festgestellt, dass der Verfassungsschutz zugleich Auftraggeber und Drahtzieher sowie Sprengstoff-Lieferant für die Sprengung eines Loches in die Außenmauer der JVA Celle in Niedersachsen war, um mit entsprechender Legendierung einen Lockspitzel in eine bis dahin nicht ausreichend überwachte Häftlingsgruppierung einzuschleusen.

Organisation


Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln

Der Neubau auf dem Kasernengelände Am Treptower Park in Berlin

Struktur

Das Bundesamt für Verfassungsschutz wird durch einen Präsidenten (seit August 2012 Hans-Georg Maaßen) und zwei Vizepräsidenten (seit 1. August 2013 Thomas Haldenwang; seit 1. April 2016 Ernst Stehl)[16] geleitet.[17] Das Amt ist in Abteilungen untergliedert:[18]
  • Abteilung 1 – Grundsatz
  • Abteilung 2 – Rechtsextremismus/-terrorismus
  • Abteilung 3 – Zentrale Fachunterstützung
  • Abteilung 4 – Spionageabwehr, Geheim- und Sabotageschutz
  • Abteilung 5 – Ausländer- und Linksextremismus
  • Abteilung 6 – Islamismus und islamistischer Terrorismus
  • Abteilung Z – Zentrale Dienste
  • Abteilung IT – Informations- und Sondertechnik
Im Jahr 2006 wurde der Beschluss des damaligen Bundesinnenministers Wolfgang Schäuble öffentlich,[19] die Abteilung 6 an den Standort Berlin-Treptow zu verlagern. In der Folge gab es öffentliche Proteste von Mitarbeitern des BfV.[20]

Führung, Personal und V-Leute

Präsidenten

Laut einer Dokumentation des CIA schlugen die USA Bundeskanzler Konrad Adenauer 1950 vor, den früheren Widerstandskämpfer Fabian von Schlabrendorff zum ersten Leiter des BfV zu berufen; doch habe Schlabrendorff selbst aus gesundheitlichen Gründen diesen Vorschlag zurückgewiesen.[21]

Hans-Georg Maaßen
Seit 1. August 2012 Präsident des BfV
Zeitraum Vorsitzender Bemerkung
1950–1954 Otto John Im Juli 1954 tauchte der ehemalige britische Geheimdienstler John in der DDR auf. Nach dortigen Rundfunk-Propagandaauftritten und Verhören durch MfS und KGB kehrte er überraschend Ende 1955 zurück und wurde zu einer vierjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Der freiwillig bzw. erzwungen erfolgte Aufenthalt Otto Johns in der DDR war einer der ersten großen politischen Skandale der jungen Bundesrepublik.
1954–1955 Hanns Jess (CDU), (kommissarisch) Nach der mutmaßlichen Flucht von Otto John in die DDR wurde Jess mit der kommissarischen Leitung des Amtes bis zur Ernennung von Hubert Schrübbers betraut.
1955–1972 Hubert Schrübbers (CDU) Rücktritt, nachdem seine Tätigkeit in der NS-Justiz während der Zeit des Nationalsozialismus bekannt wurde. Unter Schrübbers sollen auffällig viele hohe Positionen im Bundesamt mit ehemaligen SS- bzw. SD-Angehörigen besetzt worden sein. 1962–1967 war Ernst Brückner sein Vizepräsident. Ab 1970 wurde Werner Smoydzin, der 1943 in die NSDAP eintrat, Vizepräsident des BfV.[22]
1972–1975 Günther Nollau Rücktritt nach der Entdeckung des DDR-Spions Günter Guillaume im Bundeskanzleramt von Willy Brandt.
1975–1983 Richard Meier Rücktritt wegen einer Privataffäre (verurteilt wegen fahrlässiger Tötung in einem Verkehrsunfall).
1983–1985 Heribert Hellenbroich (CDU) Im Juli 1985 wurde er Präsident des Bundesnachrichtendienstes und bereits am 29. August in den Ruhestand geschickt, nachdem sich sein ehemaliger Untergebener, der Regierungsdirektor im BfV Hansjoachim Tiedge in die DDR abgesetzt hatte. Tiedge war Gruppenleiter in der Spionageabwehr.
1985–1987 Ludwig-Holger Pfahls (CSU) Im Juli 1999 wegen des Vorwurfs der Bestechlichkeit in seinem späteren Amt als Staatssekretär beim Bundesministerium der Verteidigung untergetaucht und international gesucht, im Juli 2004 in Paris verhaftet, am 12. August 2005 wegen Vorteilsnahme und Steuerhinterziehung zu 2 Jahren und drei Monaten Haft verurteilt, der Vorwurf der Bestechlichkeit musste fallengelassen werden; seit 1. September 2005 unter Auflagen wieder auf freiem Fuß. Im November 2011 für 4½ Jahre Haft verurteilt, wegen Betrugs und Bankrotts.[23]
1987–1991 Gerhard Boeden (CDU)
1991–1995 Eckart Werthebach (CDU) Rücktritt aufgrund Wiederaufnahme von Ermittlungen wegen Verdachts auf Geheimnisverrat.
1995–1996 Hansjörg Geiger
1996–2000 Peter Frisch (SPD) Mitglied im „Gesprächskreis Nachrichtendienste in Deutschland e. V.“
2000–2012 Heinz Fromm (SPD) Nach Pannen bei den Ermittlungen gegen die Neonazi-Zelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ bat Fromm um die Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand[24] zum 31. Juli 2012,[25] die von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich angenommen wurde.[26]
seit 1. August 2012 Hans-Georg Maaßen

Bekannte Mitarbeiter (BfV und LfV)

  • Rita Breuer, Referatsleiterin in der Abteilung 6 (Islamismus und islamistischer Terrorismus) des BfV, Autorin von Broschüren des BMI
  • Sena Ceylanoglu, Historikerin, Referentin, BfV, Bundesministerium des Innern
  • Wolfgang Cremer (bis Ende 2006), Jurist, Leiter der Abteilung 4 Spionageabwehr, zuvor Leiter der Abteilung 2 Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus des BfV, Autor in Sammelbänden; Anfang 2007 Wechsel zum BND
  • Klaus-Dieter Fritsche, Vizepräsident des BfV von 1996 bis 2005
  • Heinz Fromm, Präsident des LfV Hessen von 1991 bis 1993, Präsident des BfV von 2000 bis 2012
  • Rudolf van Hüllen, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung 2 (Deutscher Links-/Rechtsextremismus, -terrorismus) des BfV
  • Bodo W. Becker, Pressesprecher des BfV
  • Armin Pfahl-Traughber, Autor zahlreicher Zeitschriften, seit 1994 beim Bundesamt für Verfassungsschutz, Abt. Rechtsextremismus, zunächst als Referent, später zum Referatsleiter befördert. Heute Professor an der Fachhochschule des Bundes, Außenstelle BMI-Schule I
  • Tânia Puschnerat, Autorin im Jahrbuch Extremismus & Demokratie, Referatsleiterin in der Abteilung 6 Islamismus/Islamistischer Terrorismus des BfV, Privatdozentin an der Ruhr-Universität Bochum
  • Hans Elmar Remberg, Vizepräsident des BfV von 2006 bis 2010, vorher Leiter der Abteilung 5 (Beschaffung und Auswertung von Informationen zu Terrorismus und Organisierter Kriminalität) des Bundesnachrichtendienstes, Eintritt in den BND 1974
  • Helmut Roewer (bis 1994), im Juni 2000 als Chef des Thüringer Verfassungsschutzes suspendiert
  • Monika Rose-Stahl, Dozentin an der Fachhochschule des Bundes, Fachbereich Öffentliche Sicherheit/Schule für Verfassungsschutz
  • Thomas Sippel, Jurist, bis 2012 Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes als Nachfolger von Roewer, 1987–2000 BfV
  • Matthias Weber, Diplom-Politologe, Autor im Jahrbuch Extremismus & Demokratie, Referent in der Abteilung 2 Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus des BfV
  • Alexander Eisvogel, Leiter der Abteilung 6 des BfV von 2004 bis 2006, Präsident des LfV Hessen von 2006 bis 2010, Vizepräsident des BfV seit Mai 2010
  • Werner Pätsch, Mitarbeiter bis 1963, der die Verletzung von Post- und Fernmeldegeheimnis durch deutsche, amerikanische und britische Geheimdienste sowie die Beschäftigung ehemaliger Nazis aufdeckte

Bekannte V-Leute (BfV und LfV)

  • Andreas Szypa (FAP), V-Mann mit Einwilligung seiner „Kameraden“, Ziel war die zusätzliche Geldbeschaffung. 50 Prozent des Honorars gingen an seine „Kameraden“.
  • Bernd Schmitt, V-Mann, Anfang der 1990er Mitbegründer des Solinger „Deutschen Hochleistungs-Kampfkunstverbands“. Schmitt schulte die später als rechtsextrem eingestuften jugendlichen Attentäter von Solingen in seiner Kampfsportschule „Hak Pao“. Schmitt war verantwortlich für den Saalschutz der zugelassenen Partei „Deutsche Liga für Volk und Heimat“ in Köln.[27]
  • Hans Dieter Lepzien (NSDAP-Aufbauorganisation), konstruierte die Bomben für die Attentate der in Niedersachsen operierenden „Gruppe Otte“.[28]
  • Joachim Apel (Propagandaarbeit, Waffenbesorgung, Mithilfe bei Brandanschlägen bei der Emder „Kampfgemeinschaft Nationaler Sozialisten“, lt. Prozess vor dem Landgericht Aurich 1984.).
  • Peter Weinmann, u. a. für das Bundesamt für Verfassungsschutz. (Wehrsportgruppe Hoffmann u. a.)[29][30]
  • Mathias Meier (NPD), von 1998 bis 2000 V-Mann für das Bundesamt für Verfassungsschutz.
  • Michael Grube (NPD), von 1997 bis 1999 („ohne förmlich verpflichtet zu werden“) V-Mann für das Landesamt für Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern. 1998 kandidierte er für die NPD bei den Landtagswahlen. Im März 1999 beteiligte er sich an der Planung und Durchführung eines Brandanschlages auf eine Pizzeria. Grube hatte vom VS Listen mit Namen vermeintlicher Linker aus Wismar und Umgebung erhalten.[31]
  • Michael Wobbe, Rechtsextremist aus Quakenbrück, Sicherheitschef bei der Nationalistischen Front. Nach seinem Ausstieg wurde über ihn ein Buch geschrieben (Der V-Mann, Rotbuch Verlag); ist heute Vater von drei Kindern.
  • Mike Layer (NPD), von 1996 bis 1997 V-Mann für das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg.
  • Norbert Schnelle, „Junge Nationaldemokraten“ (JN), später „Nationalistische Front“ (NF), war von 1983 bis 1985 V-Mann. „Er war beteiligt an mehreren Straftaten und warnte seine Kameraden vor Hausdurchsuchungen“.[31]
  • Thomas Dienel (Thüringer Neonazi-Szene).
  • Tino Brandt, von 1994 bis 2001 für das Landesamt für Verfassungsschutz Thüringen tätig; treibende Kraft im neonazistischen Kameradschaftsnetzwerk „Thüringer Heimatschutz“; seit 1999 in der NPD; seit April 2000 stellvertretender Landesvorsitzender der NPD.
  • Udo Holtmann (NPD), von 1978 bis 2002 für das Bundesamt für Verfassungsschutz als omni modo facturus.
  • Werner Gottwald (Mitbegründer und Waffenlieferant für die NSDAP/AO, dort aktiv bis 1980).[32]
  • Wolfgang Frenz (NPD), von 1961 bis 1995 für das Landesamt für Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen tätig als omni modo facturus.
  • Klaus Steinmetz (RAF, s. GSG-9-Einsatz in Bad Kleinen).
  • Ulrich Schmücker (Bewegung 2. Juni) – der Prozess um seinen Tod gilt als Justizskandal, da das Verfahren – wie offiziell festgestellt – vielfach manipuliert und vom Verfassungsschutz und mindestens zwei Staatsanwälten massiv behindert wurde.
  • Peter Urbach, genannt „S-Bahn-Peter“. Er versorgte am 11. April 1968 Demonstranten gegen den Springer-Konzern „mit einem guten Dutzend zündfertiger Molotowcocktails[33] und lieferte Bomben und Waffen an Personen aus der Berliner APO, die später zu den Gründungsmitgliedern der Rote Armee Fraktion gehörten. Außerdem lieferte er die Bombe für den Anschlag auf das Jüdische Gemeindehaus in Berlin 1969.
  • Hans Müller-Beuthow[34]
  • Verena Becker[35]

Personalrekrutierung und Ausbildung

Das BfV beschäftigt Beamte und Tarifbeschäftigte. Die Laufbahnen für die Beamten gliedern sich wie im übrigen Bundesdienst, eine Tätigkeit im BfV erfolgt
Die Laufbahnausbildung für den mittleren Dienst erfolgt im BfV sowie der Akademie für Verfassungsschutz (AfV).[37] Auszubildende sind während der Ausbildung Beamte auf Widerruf. Nach erfolgreichem Abschluss ist eine Verwendung in allen Fachbereichen möglich, Schwerpunkte sind der Einsatz in der Observation oder als Bürosachbearbeiter.[38]
Die Laufbahnausbildung für den gehobenen Dienst erfolgt im BfV und an der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung (FH Bund). Der Fachbereich Nachrichtendienste ist für die Beamtenausbildung von Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst (BND) zuständig. Der FH Bund sind Ausbildungseinrichtungen einzelner Bundesbehörden angegliedert (z. B. Schule des BND (SBND), Akademie für Verfassungsschutz (AfV)). Die FH-Ausbildung gliedert sich in verschiedene Studienabschnitte, die an der FH Bund sowie – als Praktika – im BfV und einem LfV absolviert werden. Die verfassungsschutzspezifischen Lehrinhalte werden in der Außenstelle der FH Bund in Swisttal-Heimerzheim vermittelt. Einzelne Abschlussarbeiten/Seminararbeiten von Nachwuchsbeamten des Verfassungsschutzes werden in der Schriftenreihe Beiträge zur inneren Sicherheit der FH Bund veröffentlicht.
Die Ausbildung und Laufbahn der Beamten des Verfassungsschutzes ist in einer Verordnung geregelt.[39]
Im Gegensatz zum Bundesnachrichtendienst führt das BfV keine Laufbahnausbildungen für technische Beamte durch. Das Bundesministerium des Innern fördert jedoch ausgewählte Informatikstudenten, die gegebenenfalls auch im BfV zum Einsatz kommen können.
Das BfV zahlt eine monatliche Sicherheitszulage in Höhe von 120,80 Euro für Beamte der Besoldungsgruppen A2 bis A5, 161,06 Euro für Beamte der Besoldungsgruppen A6 bis A9 und 201,32 Euro für Beamte der Besoldungsgruppen A10 und höher.[40]
Gemäß § 10 SÜG ist für Mitarbeiter des BfV vor Beginn der Tätigkeit eine erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (Ü3) durchzuführen.

Beobachtete Organisationen und Personen

Beispiele für Personengruppen, von denen einzelne Mitglieder vom BfV und angeschlossenen Organisationen befragt oder beobachtet worden sind:

Fälle bekanntgewordener Überwachung

Abhöraffäre 1963

1963 deckte der Mitarbeiter des Verfassungsschutzes Werner Pätsch die Verletzung von Post- und Fernmeldegeheimnis durch den Verfassungsschutz in Zusammenarbeit mit amerikanischen und britischen Geheimdiensten auf, sowie die Beschäftigung ehemaliger Nazis. Es kam zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung um das Aufdecken von Staatsgeheimnissen, in deren Folge das Öffentlichmachen von illegalen Aktivitäten juristisch gestärkt wurde.

Lauschaffäre Traube

1976 begann ein mehrmonatiger „Lauschangriff“ auf den des RAF-Terrorismus verdächtigten ehemaligen Atom-Manager Klaus Traube, der in der Öffentlichkeit als „Lauschaffäre Traube“ bekannt wurde. Der Terrorismusverdacht erwies sich als falsch, der damals verantwortliche Innenminister Werner Maihofer musste zurücktreten.

Der Fall Tatjana Wolfhart

1992 war das Bundesamt für Verfassungsschutz mitverantwortlich für die Entlassung von Tatjana Wolfhart. Wolfharts Arbeitgeber kündigte der durch das BfV als „Sicherheitsrisiko“ eingestuften Presseassistentin des Anlagenbaukonzerns Lurgi auf Grund ihrer Kontakte zu zwei ehemaligen, aber aus der Haft entlassen RAF-Terroristen. Tatjana Wolfhart selbst hatte sich nichts zu Schulden kommen lassen. Für das BfV war es ausreichend, dass Tatjana Wolfhart Kontakt zu diesen Personen hatte, um sie bei ihrem Arbeitgeber anzuschwärzen.[41]

Weitergabe von privaten Informationen an politische Gegner

Der ehemalige Präsident des Verfassungsschutzes, Eckart Werthebach hat private Informationen von Thilo Weichert an die FDP-Abgeordnete Rosemarie Fuchs weitergeben als dieser sich für das Amt des brandenburgischen Datenschutzbeauftragten bewarb. Seine Kandidatur scheiterte daraufhin.[41]

NPD-Verbotsverfahren

Ebenso machte das BfV im Rahmen des Verbotsverfahrens gegen die NPD von sich reden. Ein wesentlicher Grund, warum das Verbotsverfahren scheiterte, ist, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz sich in Übereinstimmung mit dem verantwortlichen Innenminister Otto Schily weigerte, mitzuteilen, welche Parteiaktivitäten von der Partei selbst und welche vom Verfassungsschutz beziehungsweise durch in den Parteiapparat als Funktionäre eingeschleuste Vertrauenspersonen des Verfassungsschutzes initiiert wurden. Da das Bundesverfassungsgericht somit nicht beurteilen konnte, welche Handlungen der Partei originär zuzurechnen waren und für welche Aktivitäten indirekt der Verfassungsschutz mitverantwortlich war, lehnte es den Antrag auf Verbot der NPD ab.
Unwidersprochen blieb die Agenturmeldung der dpa, dass etwa jeder siebente Funktionsträger in der NPD-Leitungsebene vom Kölner Bundesamt finanziert wird.

Junge-Freiheit-Urteil

Junge-Freiheit-Urteil: Im Mai 2005 stellte das Bundesverfassungsgericht im Rechtsstreit zwischen der Wochenzeitung Junge Freiheit und dem Land Nordrhein-Westfalen fest, dass die Erwähnung des konkreten Presseorgans als rechtsextreme Publikation im entschiedenen Einzelfall im Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen eine unzulässige Einschränkung der Pressefreiheit darstelle.

Urteil zur Beobachtung der Partei „Die Republikaner“

Im April 2006 entschied das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg,[42] dass die Partei „Die Republikaner“ zu Unrecht in den Berliner Verfassungsschutzbericht aufgenommen wurde, nachdem im Dezember 1992 der Berliner Innensenator Weisung erteilte, die Republikaner beobachten zu lassen.

Urteil zur Beobachtung des Bürgerrechtlers Rolf Gössner

Aufgrund einer „Kontaktschuld“ wurde der Rechtsanwalt und Publizist Rolf Gössner 38 Jahre vom Bundesamt für Verfassungsschutz dauerüberwacht. Kurz vor der ersten mündlichen Verhandlung einer Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit vor dem Verwaltungsgericht Köln teilte das Bundesamt für Verfassungsschutz überraschend mit, dass die Beobachtung „nach aktuell erfolgter Prüfung“ eingestellt worden sei.[43] Mit der Klage sollte der Inlandsgeheimdienst verpflichtet werden, alle über ihn gesammelten Daten zu sperren und nach einer Einsichtnahme zu löschen.
Am 3. Februar 2011 urteilte das Verwaltungsgericht Köln, dass die andauernde Beobachtung von Anfang an rechtswidrig gewesen sei.[44][45]

Aktenschredder-Affäre

Kurz nach dem Bekanntwerden der Morde, Sprengstoffanschläge und Banküberfälle der rechtsextremen Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund wurden beim Verfassungsschutz potenziell relevante Akten zum Umfeld der Täter vernichtet, daraufhin trat der Präsident Heinz Fromm zurück.[46] Fromm sagte vor dem Bundestags-Untersuchungsausschuss zum NSU aus, dass der Vorfall zu einem „schwerwiegenden Verfall für das Ansehen des BfV geführt“ habe, „dessen Folgen für die Funktionsfähigkeit des Amtes nicht vorhersehbar sind“. Er sei von seinen eigenen Mitarbeitern „hinters Licht geführt worden“ und schloss nicht aus, dass ein Referatsleiter etwas vertuschen wollte.[47][48]
Dabei sollen insgesamt 7 Operativakten in zwei Schritten im Abstand von 2 Tagen vernichtet worden sein.[49][50] Der größte Teil der 7 Akten zur Operation Rennsteig wurde am 11. November 2011 geschreddert. Ein kleiner Teil nach Angaben von Sebastian Edathy erst 2 Tage später, nachdem die Behördenleitung zunächst einen Stopp verfügt hatte.[51]
Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde Kenan Kolat äußerte sich:
„Die Verfassungsschutzämter führen ein Eigenleben, […] Hier wird getrickst, getäuscht und vertuscht. […] Wer Akten schreddere, wolle etwas verbergen“[52]
Nach den Ermittlungsfehlern kündigte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich Anfang Juli 2012 einen grundlegenden Umbau des Verfassungsschutzes an. Dabei schloss er eine Verringerung der bisher 16 Landesämter für Verfassungsschutz nicht aus und sprach von einer möglichen Ausweitung der Befugnisse des Generalbundesanwalts.[53]
Die Familien der Mordopfer erstatteten Strafanzeige gegen den Verfassungsschutz mit dem Vorwurf der Strafvereitelung im Amt.[54]
„Das ARD-Magazin Report Mainz hat 50 V-Leute aus der Neonazi-Szene identifiziert und deren Wirken analysiert […]: Fast jeder Vierte war demnach während seiner Tätigkeit für die Sicherheitsbehörden an Straftaten beteiligt.“[55]
Es gibt eine zeitliche Überschneidung bei 2 Fahrzeuganmietungen in Zwickau durch den V-Mann mit dem Decknamen „Primus“ und zwei NSU-Morden in Nürnberg und München. In einer Befragung durch Beamte des Bundeskriminalamts gab der V-Mann an, nichts davon zu wissen.[56]
Der erste Thüringer NSU-Untersuchungsausschuss wirft den Verfassungsschutzämtern „mittelbare Unterstützung“ und „Begünstigung“ rechtsextremer Strukturen vor.[57]
Innerhalb des Bundesamts für Verfassungsschutz wurde der Beamte, der die NSU-Akten schreddern ließ (der sog. Lingen), in die Sonderkommission zur Aufklärung des „Themenkomplex NSU“ berufen.[58]
Seit 2005 lag dem BfV eine Daten-DVD mit dem NSU-Kürzel vor. Das Bundesamt hatte jedoch immer beteuert, nie substanzielle Informationen über das Terrortrio gehabt zu haben.[59]

Die Linke

Von den 53 Mitgliedern der Bundestagsfraktion der Partei Die Linke wurden während der 16. Legislaturperiode 27 durch das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet. Auf Beschwerde des Abgeordneten Bodo Ramelow urteilte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am 17. September 2013, dass die Überwachung von Ramelow gegen das Grundgesetz verstoße und einzustellen sei, da die Überwachung nur an seiner Parteimitgliedschaft festgemacht wurde und er selbst nicht verdächtig sei, „Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung zu verfolgen“.[60]

Bekannte Kritiker

Wolfgang Neuss

In Anspielung auf die Entstehungsgeschichte des deutschen Verfassungsschutzes durch Rekrutierung von ehemaligen Beamten aus dem Personalstamm von NS-Verfolgungsbehörden wie der Gestapo bzw. des der SS unterstellten Reichssicherheitshauptamts konstatierte der Schauspieler und Kabarettist Wolfgang Neuss in einem von der Wochenzeitung Die Zeit publizierten offenen Brief an den seinerzeit designierten SPD-Kanzlerkandidaten Willy Brandt bereits im Februar 1966: „Man muss das Grundgesetz vor seinen Vätern schützen und die Verfassung vor ihren Schützern.“[61][62]

Dietrich Murswiek

Ein wichtiger Kritiker der Verfassungsschutzpraxis ist der Staatsrechtler Dietrich Murswiek. In verschiedenen Publikationen setzte er sich mit der Problematik des Grundrechtseingriffs durch Verfassungsschützer auseinander.[63] Zuletzt hatte er sich im Dezember 2006 auf einer Tagung zum Thema „Islam und Verfassungsschutz“ zu diesem Themenkomplex geäußert und die Praxis der Verfassungsschutzberichte erneut kritisiert.[64] Murswieks Kritik richtet sich dabei vor allem gegen die sog. „Verdachtsberichterstattung“: „In den meisten Verfassungsschutzberichten wird nicht nur über erwiesene Verfassungsfeinde berichtet, sondern auch über solche Organisationen, die von der Verfassungsschutzbehörde lediglich verdächtigt werden, verfassungsfeindliche Bestrebungen zu verfolgen. Diese Praxis ist rechtswidrig. Sie findet in den Verfassungsschutzgesetzen keine Grundlage und verstößt zudem gegen das Grundgesetz.“[65] Voraussetzung für die Berichterstattung im Verfassungsschutzbericht sei laut den Verfassungsschutzgesetzen nämlich, dass es sich bei den Organisationen, über die berichtet werde, um Organisationen handele, die tatsächlich extremistische Bestrebungen verfolgten und nicht um solche, bei denen es nur tatsächliche Anhaltspunkte dafür gäbe, dass sie möglicherweise solche Bestrebungen verfolgen könnten. Der Verfassungsschutz dürfe im Verfassungsschutzbericht also nicht über alle Organisationen berichten, die er rechtmäßig beobachte. Tatsächlich habe das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg deshalb für Berlin die Verdachtsberichterstattung verboten. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf und das Oberverwaltungsgericht Münster sowie das Bundesverfassungsgericht erklärten sie dagegen für zulässig.[66] Wenn man die Verdachtsberichterstattung aber für zulässig erachte, so muss laut Murswiek sichergestellt sein, dass in den Berichten die Unterscheidung von Fällen erwiesener Verfassungsfeindlichkeit und von Verdachtsfällen möglich sei. Zwar habe der Verfassungsschutzbericht des Bundes aus dem Junge-Freiheit-Urteil des Bundesverfassungsgerichts mittlerweile Konsequenzen gezogen, indem er seine Rubriken ausdrücklich als „Bestrebungen und Verdachtsfälle“ kennzeichne, die gegenwärtigen Verfassungsschutzberichte genügten aber auch unter diesem Aspekt nicht den Anforderungen des Grundgesetzes. Es dürfe in der amtlichen Berichterstattung im Sinne einer „negativen Sanktion“ keine „Herrschaft des Verdachts“ herrschen: „Die Verfassungsschutzgesetze sowie die vom Bundesverfassungsgericht für den Verfassungsschutz aufgestellten Kriterien lassen nicht zu, dass die Berichterstattung nur auf den Verdacht eines Verdachts gestützt wird.“[67]
Für besonders problematisch hält Murswiek die Praxis der Verfassungsschutzberichte, „Kaskaden des Verdachts“[68] aufzubauen: „Der Verfassungsschutz bekämpft also Organisationen, für die er lediglich Anhaltspunkte dafür hat, dass sie verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgen, genauso wie erwiesene Verfassungsfeinde, und er setzt sein Sanktionsinstrumentarium auch gegen diejenigen ein, die sich – weil sie den Verdacht nicht teilen – an der Ausgrenzung dieser des Extremismus lediglich verdächtigten Organisationen nicht beteiligen. Schon die erste Stufe – die Bekämpfung auf Verdacht hin – ist rechtsstaatswidrig. Die zweite Stufe, die Verdächtigung und Bekämpfung auch desjenigen, der den auf der ersten Stufe Verdächtigten nicht ausgrenzt, ist noch schlimmer. Konsequent weitergedacht, muss jetzt auch der auf der zweiten Stufe Verdächtigte ausgegrenzt werden, und wer das nicht tut, gilt wiederum als ausgrenzungsbedürftiger Extremist. So lassen sich Kaskaden des Verdachts konstruieren.“[69]

Rolf Gössner

Der selbst jahrzehntelang überwachte Bürgerrechtler Rolf Gössner hat die Methoden des Verfassungsschutzes mit denen der Stasi verglichen.[44] Diese seien ähnlicher, „als viele Politiker das wahrhaben wollten“. Er hält deshalb die Bezeichnung als „Verfassungsschutz“ für verfälschend und spricht von „Geheimdienst“.
Gössner bezweifelt die Rechtsstaatlichkeit des sogenannten In-camera-Verfahrens wegen weitgehender Geheimhaltungsbefugnisse des Verfassungsschutzes und damit einhergehend eingeschränkter Entscheidungsgrundlage der Tatgerichte. Zudem kritisiert er die Verschwendung von Steuergeldern für rechtswidrige Überwachungsmaßnahmen.[70]

Bündnis 90/Die Grünen

Im Jahr 2001 forderte der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele die Abschaffung des Verfassungsschutzes.[71] Für eine derartige Auflösung sprach sich im darauffolgenden Jahr auch der Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Grünen, Jürgen Trittin, aus.[72]
Niedersachsens Grüne haben im Oktober 2012 in ihrem Wahlprogramm festgeschrieben, den Verfassungsschutz auf Landesebene abschaffen zu wollen.[73] Dies geschah, nachdem bekannt wurde dass Jan Wienken, Vorstandsmitglied der Grünen Jugend Niedersachsen vom Landesamt für Verfassungsschutz überwacht wurde. Daraufhin stellten mehr als 100 Mitglieder der Grünen Jugend Anfragen an den Verfassungsschutz, ob auch über sie beim Landesamt für Verfassungsschutz Akten geführt werden.[74] Der Bundessprecher der Grünen Jugend, Karl Bär forderte im September 2012 die Abschaffung des Verfassungsschutzes.[75]
Die Grünen-Bundestagsfraktion hat im November 2012 beschlossen, die Verfassungsschutzämter abschaffen zu wollen.[76][77] Ein wesentlicher Kritikpunkt ist der Mangel an Respekt der Verfassungsschutzbehörden gegenüber der Untersuchungsarbeit im Bundestag bzw. in den Landtagen.
Die Grünen-Bundesvorsitzende Claudia Roth äußerte sich:
„Verfassungsschutzämter in Bund und Ländern haben sich zum blinden Fleck der Demokratie entwickelt“[78]
Angesichts der mutmaßlichen Verwicklungen des Verfassungsschutzes in die rechtsterroristische Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds sagte Cem Özdemir, der Kollege Roths im Vorsitz der Bündnisgrünen in einem Interview mit dem Reutlinger Generalanzeiger, veröffentlicht in der Wochenend-Zeitung Sonntag Aktuell im April 2013:
„Am Ende brauchen wir eine neue Sicherheitsarchitektur, denn mit diesem Verfassungsschutz ist die Verfassung nicht zu schützen. Die dortigen Beamten sind bestenfalls überfordert, schlimmstenfalls haben sie selbst Ansichten, die es unmöglich machen, Rechtsradikalismus wirksam zu bekämpfen. Im Prinzip brauchen wir eine institutionelle Neugründung mit neuem Personal.“[79]

Jugendorganisation der SPD (Jusos)

Der zum damaligen Zeitpunkt Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Jungsozialistinnen und Jungsozialisten in der SPD (Jusos) Sascha Vogt sprach sich im Jahr 2011 für eine Abschaffung des Verfassungsschutzes in Bund und Ländern aus.[80] Die Jusos selbst fordern auf ihrem Internetauftritt: „Der Staat sollte ganz auf V-Leute verzichten und den Verfassungsschutz und seine Methoden massiv reformieren.“[81]

Die Linke

Viele Politiker der Partei Die Linke kritisieren die Beobachtung der Linksfraktion im Bundestag durch den Verfassungsschutz, dessen Abschaffung sie fordern. Während der von seiner Fraktion beantragten Aktuellen Stunde, die am 26. Januar 2012 in der 155. Bundestagssitzung stattfand, nannte ihr damaliger Fraktionschef im Bundestag, Gregor Gysi, das Bundesamt für Verfassungsschutz, den „Inlandsgeheimdienst“, wörtlich „ballaballa und ein[en] Pfeifenverein“. Bei dieser persönlichen Erklärung berief er sich auf die Tatsache, dass seit Jahren vom Rechtsterrorismus organisierte Morde (NSU) in Deutschland verübt werden und dieses Bundesamt nicht in der Lage ist, „einen einzigen Beitrag zu leisten, um sie zu verhindern, oder wenigstens […] darauf hinzuweisen, dass der Rechtsterrorismus dahintersteckt“, während 27 Abgeordnete der Linken die ganze Zeit beobachtet werden.[82]
Laut Medienberichten soll ein Drittel der 76-köpfigen Linksfraktion überwacht werden. Der saarländische Linken-Abgeordnete Thomas Lutze und der hessische Linken-Abgeordnete Ulrich Wilken fordern die Abschaffung des Verfassungsschutzes.[83][84]
Die Fraktion der Linken im Landtag von Nordrhein-Westfalen hat eine Broschüre mit dem Titel „Ausser Kontrolle: Wie der Verfassungsschutz die Verfassung bedroht“ erstellt. Darin wird die Verstrickung der Verfassungsschützer in die Terrorakte des Nationalsozialistischen Untergrundes thematisiert.[85]