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Donnerstag, 13. April 2017

BESLAN-EGMR-GERICHTSURTEIL LIEGT VOR







Russland wegen Versagens in Beslan verurteilt

13. April 2017







© dpa In der Schule in Beslan befindet sich heute eine Gedenkstätte.  
 
Bei der Erstürmung einer von Terroristen besetzten Schule im Jahr 2004 waren 331 Menschen ums Leben gekommen. Das Urteil ist ein erster Sieg im Kampf um Aufklärung.
 
Der 1. September 2004 soll eigentlich ein fröhlicher Tag werden in Beslan. In der Kleinstadt in der russischen Republik Süd-Ossetien feiern die Menschen die Einschulung der Erstklässler. Doch dann stürmen Terroristen die Schule Nummer eins. Sie nehmen hunderte Menschen als Geiseln: Eltern, Kinder, Großeltern.
Zwei Tage müssen sie in der Turnhalle ausharren, und dabei zusehen, wie die Täter Geiseln erschießen. Am 3. September kommt es zum Massaker: Eine von den Terroristen platzierte Bombe explodiert, die Turnhalle brennt. Russische Soldaten stürmen das Gelände und liefern sich eine Schießerei mit den Terroristen. 331 Menschen sterben, darunter 186 Kinder.
Bis heute ist unklar, was damals genau passierte. Die Akten sind verschlossen, dabei sind grundlegende Fragen noch unbeantwortet: Wer steckte hinter der Geiselnahme? Wer gab den ersten Schuss ab? Konnten einige Terroristen fliehen?
Daran kann auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nichts ändern. Die Straßburger Richter verurteilten Russland dazu, 409 Opfern insgesamt knapp drei Millionen Euro Schmerzensgeld zu zahlen. In der Urteilsbegründung heißt es, Russland habe gegen Artikel 2 der Menschenrechtskonvention verstoßen, der Staaten dazu verpflichtet, Menschenleben zu schützen. Zwar habe Russland angesichts der unnachgiebigen Haltung der Geiselnehmer vor einer schwierigen Entscheidung gestanden. Die bei der Erstürmung der Schule angewandte Gewalt sei jedoch "unverhältnismäßig" gewesen. Bei der Vorbereitung und der Kontrolle des Einsatzes habe es zudem "schwere Versäumnisse" gegeben. Russland kann gegen das Urteil binnen drei Monaten Rechtsmittel einlegen.

Überlebende kämpfen seit Jahren für Aufklärung

Die Entscheidung des Gerichts ist dennoch ein Erfolg. Denn seit Jahren kämpfen Überlebende und Angehörige der Opfer darum, dass ihre Rufe nach Aufklärung gehört werden. Einige haben sich in der Organisation "Beslans Simme" zusammengetan, versuchten mithilfe von Hungerstreiks und Protesten auf das Thema aufmerksam zu machen. Inzwischen richtet sich der Zorn gegen den Kreml: Während der Gedenkveranstaltung im vergangenen September wurden mehrere Frauen festgenommen. Sie trugen T-Shirts mit der Aufschrift "Putin - der Henker von Beslan".
Die Anhänger von "Beslans Stimme" sehen die Verantwortung direkt beim russischen Präsidenten. Aus ihrer Sicht habe er den Schießbefehl gegeben. "Putin behauptet, die ukrainische Regierung würde ihr eigenes Volk angreifen. Aber unsere Regierung hat dasselbe gemacht und Kinder getötet", zitiert die Moscow Times Swetlana Mariejewa. Ihre 13-jährige Tochter starb in Folge der Geiselnahme in ihren Armen. Aslambek Aslachanow gibt der russischen Regierung eine Teilschuld. Er sollte damals im Herbst 2004 mit den Terroristen verhandeln. Doch als er in Beslan eintraf, war das Unglück schon geschehen. Die Erstürmung des Gebäudes bezeichnet er in einem Interview als "inkompetent ausgeführt".
 

Geiseldrama in Beslan
Europäischer Gerichtshof verurteilt Russland

Im Jahr 2004 verübten Islamisten einen Anschlag auf eine Schule in Beslan und töteten hunderte Menschen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt Russland und wirft dem Land schweres Versagen vor.



Straßburg
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Russland schweres Versagen während des blutigen Geiseldramas im Jahr 2004 in einer Schule in Beslan vorgeworfen. Die Straßburger Richter verurteilten Moskau am Donnerstag dazu, 409 Opfern insgesamt knapp drei Millionen Euro Schmerzensgeld zu zahlen. Dabei wurde berücksichtigt, dass Russland Angehörige und Überlebende bereits teilweise entschädigt hat.
Bei dem Terrorangriff auf eine Schule starben mehr als 330 Menschen, unter ihnen mehr als 180 Kinder. Schwer bewaffnete Islamisten aus dem Konfliktgebiet Nordkaukasus nahmen damals mehr als 1100 Geiseln. Die Lage eskalierte mit mehreren Explosionen und einem stundenlangen Feuergefecht.
Der Menschenrechtsgerichtshof warf den Sicherheitskräften „erhebliche Mängel“ beim Krisenmanagement vor: „Man kommt nicht um den Schluss herum, dass der Mangel an Verantwortung und Koordination in gewissem Maße zu dem tragischen Ende der Vorfälle beigetragen hat.“
Die Verwendung von Panzerkanonen, Granat- und Flammenwerfern durch die Einsatzkräfte sei unverhältnismäßig gewesen und habe zu Opfern unter den Geiseln geführt, heißt es weiter.
Die Behörden hätten außerdem nicht genug getan, um die Tragödie zu verhindern, obwohl Hinweise auf mögliche Pläne für einen Anschlag auf eine Bildungseinrichtung in der Region vorgelegen hätten. So seien weder die Schule noch die Öffentlichkeit gewarnt worden.
Die Straßburger Richter forderten Russland dazu auf, Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen. Es müsse insbesondere ein Bewusstsein für Einsatzregeln geschaffen werden.
dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH / Nachrichtenagentur

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Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) wurde 1959 in Straßburg von den Mitgliedstaaten des Europarats errichtet, um die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention sicherzustellen. Diese wurde 1950 unterzeichnet. Der EGMR urteilt über Beschwerden einzelner Personen sowie Personengruppen und Staaten, die sich auf Verletzungen der in der Europäischen Menschenrechtskonvention anerkannten Rechte beziehen. Seit 1998 ist der EGMR ein ständig tagender Gerichtshof. Bürger können sich, nachdem die innerstaatlichen Rechtsbehelfe erschöpft sind, mit Beschwerden direkt an ihn wenden.

Die vom Gerichtshof gefällten Urteile sind für die betroffenen Staaten bindend und haben Regierungen dazu veranlasst ihre Gesetze und ihre Verwaltungspraxis in vielen Bereichen zu ändern. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs macht die Konvention so zu einem lebendigen Instrument, um neuen Herausforderungen zu begegnen sowie Rechtstaatlichkeit und Demokratie in Europa zu festigen.

Der Sitz des Gerichtshofs ist Straßburg. Von hier aus überwacht der EGMR die Achtung der Menschenrechte von 800 Millionen Menschen, die in den 47 Mitgliedstaaten des Europarats leben.
Ende 2015 gab es 64 850 anhängige Rechtssachen.
http://www.coe.int/en/web/portal/gerichtshof-fur-menschenrechte
 




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