Griechenland: „Nie da
gewesene Naturkatastrophe“: Premier Mitsotakis verspricht Bestandsaufnahme nach
Waldbränden
Höhler, Gerd
12. August 2021
In den meisten griechischen Brandgebieten hat sich die Lage
zuletzt entspannt. Ministerpräsident Mitsotakis verteidigt seinen Kampf gegen
die Feuer, räumt aber auch Fehler ein.
Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis hat
die Strategie seiner Regierung beim Kampf gegen die verheerenden Waldbrände
verteidigt, zugleich aber mögliche Fehler eingeräumt. Die Situation in den
meisten Brandgebieten entspannte sich am Donnerstag.
Nach ersten Schätzungen sind in Griechenland in den
vergangenen zehn Tagen mindestens 300 Gebäude abgebrannt. Weitere 1000 wurden
beschädigt. Tausende Menschen sind obdachlos. „Wir befinden uns bereits am
zehnten Tag einer nie da gewesenen Naturkatastrophe“, sagte Mitsotakis am
Donnerstag in einer Pressekonferenz in Athen. Die Lage habe sich zum Glück
etwas gebessert, „aber uns stehen mit Sicherheit schwere Tage bevor, bis die
diesjährige Brandsaison hinter uns liegt“, warnte der Premier.
Im Norden der Insel Euböa östlich von Athen kämpften derweil
570 Feuerwehrleute und Hunderte Freiwillige gegen immer wieder aufflammende
Brandherde. Auf der Halbinsel Peloponnes wurden die griechischen
Löschmannschaften von Feuerwehren aus Frankreich und Deutschland unterstützt.
Insgesamt helfen in Griechenland 23 Staaten mit
Löschflugzeugen, Fahrzeugen und Feuerwehrleuten. Mitsotakis dankte den Ländern
für die Unterstützung. Die schnelle und effiziente ausländische Hilfe sei
„bewegend“ sagte Mitsotakis.
Die Brände, die während der extremsten Hitzewelle seit
Menschengedenken ausbrachen, haben nach der Auswertung von Satellitenbildern
mindestens 90.000 Hektar eingeäschert. Am größten sind die Schäden auf Euböa.
Dort vernichteten die Feuerstürme etwa 51.000 Hektar Wald, Olivenhaine,
Weinberge und Feigenplantagen. Verheerende Brände wüteten in den vergangenen
Tagen auch im Norden der griechischen Hauptstadt Athen und auf der Halbinsel
Peloponnes.
Mitsotakis verspricht Aufarbeitung der Katastrophe
Regierungschef Mitsotakis ging auf die Kritik am
Katastrophenmanagement seiner Regierung ein und kündigte eine Bestandsaufnahme
an, sobald die Brände vollständig gelöscht sind. „Wir haben Menschenleben
gerettet, aber wir haben Besitz und Wälder verloren“, sagte Mitsotakis. „Wir
werden über alles sprechen: Wie wir vorbereitet waren, aber auch welche Fehler
gemacht wurden, was wir aus dieser Katastrophe gelernt haben und wie wir besser
werden können.“
Als Erfolg wertete Mitsotakis, dass bisher in den rund 600
Feuern, die in den vergangenen zehn Tagen ausbrachen, nur ein Mensch sein Leben
verloren hat. Bei Athen erschlug ein umstürzender Strommast einen Brandhelfer.
Mit frühzeitigen Evakuierungen sei es gelungen, Tausende
Menschen in Sicherheit zu bringen. Jeden Tag seien die Feuerwehren mit rund 100
aktiven Bränden konfrontiert gewesen. „Unsere oberste Priorität ist, das Leben
von Menschen und Tieren zu retten“, betonte der Premier. Danach komme der
Schutz der Gebäude, der Infrastruktur und der Natur, sagte Mitsotakis.
Mit den Evakuierungen zieht die staatliche
Zivilschutzbehörde die Lehre aus der Feuerkatastrophe im Athener Vorort Mati.
Dort starben vor drei Jahren mehr als 100 Menschen, weil der Ort nicht
rechtzeitig geräumt worden war.
Die Evakuierungen stoßen aber auch auf Kritik. Viele Bewohner
wären gern zurückgeblieben, um ihren Besitz gegen die Flammen zu verteidigen.
Manchen, die den Evakuierungsbefehl ignorierten, gelang das tatsächlich.
Premier sieht Hauptgrund für Feuer im Klimawandel
Auf die Frage nach der Entstehung der Brände sagte
Mitsotakis, er sei sicher, „dass einige Feuer das Ergebnis von Brandstiftung
waren“. Als eigentliche Ursache für das Ausmaß der Katastrophe sieht der
Premier aber den Klimawandel. „Die Klimakrise ist hier, und sie zeigt uns:
Alles muss sich ändern, von der Ausrichtung der Wirtschaft bis zu unserer
Energiepolitik“, sagte Mitsotakis.
Der Premier erinnerte daran, dass seine Regierung erst
kürzlich den Ausstieg aus der Kohleverstromung von 2028 auf 2025 vorgezogen
habe. Im Herbst soll das griechische Parlament das erste Klimaschutzgesetz in
der Geschichte des Landes beschließen. „Die Klimadaten, die wir haben,
erfordern mutige Lösungen – nicht die Natur macht die Fehler, sondern die
Menschheit“, sagte Mitsotakis.
Er kündigte für Mitte September eine Konferenz der Staats-
und Regierungschefs aus neun Mittelmeerländern in Athen an. „Beim Treffen der
Med-9 wird der Umgang mit dem Klimawandel im Mittelmeerraum im Fokus stehen“,
sagte Mitsotakis. Er erhoffe sich von der Zusammenkunft die Verabschiedung
einer „Athener Erklärung“ zur gemeinsamen Klimapolitik. „Alle Mittelmeerländer
stehen vor demselben Schicksal“ und müssten deshalb zusammenarbeiten.
Wolkenbrüche löschten Brandnester
In den Brandgebieten entspannte sich die Lage am Donnerstag
weiter. Nach der extremen Hitze der vergangenen Tage kam den Feuerwehren jetzt
ein Wetterumschwung zur Hilfe: Über den Brandgebieten im Norden Euböas und auf
der Halbinsel Peloponnes zogen Gewitter auf. Die Wolkenbrüche löschten
vielerorts die Brandnester. Aber noch war die Gefahr nicht gebannt.
In Arkadien auf der Halbinsel Peloponnes fachte der Wind am
Donnerstagnachmittag die Flammen neu an. Die Feuerwehren versuchten am Boden
und aus der Luft, die Feuerfronten von bewohnten Gebieten fernzuhalten.
Die großen Brände im Norden Athens sind dagegen vollständig
gelöscht. Dort und auf der Insel Euböa hat die Bestandsaufnahme der Schäden
begonnen. Die Regierung hatte am Mittwoch ein 500 Millionen Euro schweres
Hilfspaket für die Geschädigten der Feuerkatastrophen angekündigt. Es sieht finanzielle
Soforthilfen von bis zu 20.000 Euro für betroffene Haushalte vor. Den
Wiederaufbau abgebrannter Häuser bezuschusst die Regierung mit bis zu 150.000
Euro sowie mit Bürgschaften für zinslose Darlehen.
Wer durch die Brände obdachlos geworden ist, hat Anspruch
auf einen monatlichen Mietzuschuss von 500 Euro. Zu dem Hilfspaket gehören auch
Steuerstundungen. Die Bewilligung der Hilfen werde unbürokratisch auf einer
eigens dafür eingerichteten Internetplattform erfolgen und die Auszahlung in
Kürze beginnen, kündigte Mitsotakis an. (Handelsblatt)
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