„Diese Katastrophe ist unter Bidens
Verantwortung geschehen“
WELT, 27.Aug.2021
Die
US-Soldaten hätten sich zu viel auf die Taliban verlassen, urteilt die
„Washington Post“ in ihrem Kommentar nach den Terroranschlägen am Flughafen
Kabul. Für die Londoner „Times“ gerät Biden immer mehr unter Druck, sein
Urteilsvermögen werde „schon stark angezweifelt“, weil er gegen den Rat seiner
Militärs den überstürzten Rückzug aus Afghanistan angeordnet hatte. Die
italienische „La Stampa“ sieht die Welt durch die Anschläge plötzlich zurück am
10. September 2001.
„Washington
Post“, USA: Eine schädliche Sicherheitslücke
„Was
moralisch ein Akt des Bösen war – vorhersehbar und sogar vorhergesagt – stellt
in operativer Hinsicht eine schädliche Sicherheitslücke dar. Diese muss behoben
werden, zumal US-Beamte offen gesagt haben, dass die terroristische Bedrohung
lange noch nicht vorbei ist. Die Taliban haben den Angriff verurteilt (...).
Und vielleicht ist die Empörung der Taliban aufrichtig, trotz all des
unschuldigen Blutes, amerikanisches und afghanisches, das sie im Laufe der
Jahre vergossen haben.
Dennoch
konnten zwei Selbstmordattentäter und zusätzliche bewaffnete Männer zuschlagen,
während die Taliban die Verantwortung für die Sicherung der Umgebung des
Flughafens hatten, einschließlich der Durchsuchung sich nähernder Menschen und
Fahrzeuge. Das Risiko, das die Biden-Regierung – wenn auch notwendigerweise –
eingegangen ist, indem sie sich auf die Taliban verließ, hat die von vielen
befürchteten Folgen gehabt.“
„The
Times“, Großbritannien: Bidens Autorität ist angeschlagen
„Diese
Gräueltat unterstreicht nur das ganze Ausmaß der Niederlage des Westens und das
klägliche und vermeidbare Debakel des Abzugs. Eine Operation, die vor 20 Jahren
als Reaktion auf die Anschläge vom 11. September auf Amerika begonnen wurde,
endete mit der Tötung weiterer Amerikaner durch Terroristen in Afghanistan.
(...)
Die
unmittelbare Folge des Anschlags wird sein, dass Joe Biden noch stärker unter
politischen Druck gerät. Das Urteilsvermögen des US-Präsidenten wird bereits
stark angezweifelt, weil er gegen den Rat seiner Militärs und ohne Rücksprache
mit Verbündeten diesen überstürzten Rückzug angeordnet hat, um seine eigene
willkürlich gesetzte Frist einzuhalten. Wie töricht diese Entscheidung war,
zeigte sich an der Geschwindigkeit und dem Ausmaß des Zusammenbruchs der
früheren afghanischen Regierung, sobald die US-Unterstützung eingestellt wurde.
(...)
Ganz
abgesehen davon, dass die meisten Republikaner den Deal des ehemaligen
Präsidenten Donald Trump mit den Taliban unterstützt hatten, der den
Rückzugsprozess in Gang setzte, ist diese Katastrophe unter Bidens
Verantwortung geschehen. Und es ist schwer vorstellbar, wie seine Autorität
wiederhergestellt werden kann.“
„La
Stampa“, Italien: Der Anschlag in Kabul wirft uns 20 Jahre zurück
„Die
Bomben gegen die verzweifelte zusammengedrängte Menge am Flughafen Kabul sind
nicht nur ein ungeheuerlicher Akt der Grausamkeit, an die wir uns durch
al-Qaida und den IS auf traurige Weise gewöhnt haben. Sie sind eine gewichtige
politische Geste, die die Uhr 20 Jahre zurückdreht.
Sie
wischen die Voraussetzungen der amerikanischen Entscheidung für einen Abzug aus
Afghanistan weg: die Niederlage und die Entwurzelung des Terrorismus. Und auch
die Amerikaner haben einen sehr hohen Preis an Menschenleben bezahlt. 20 Jahre
nach den Anschlägen vom 11. September kehrt der Terror in Afghanistan nach
Hause zurück. Während die USA und der Westen sich aus Afghanistan zurückziehen.
Wir sind plötzlich wieder zurück am 10. September 2001, nachdem wir den
Terrorismus 20 Jahre lang mit enormen Opfern bekämpft haben.“
„De
Tijd“, Belgien: Niederlage in Afghanistan ist komplett
„Durch
die Terroranschläge am Flughafen von Kabul ist eine chaotische Situation nahezu
unbeherrschbar geworden. Der weitere Verlauf der Evakuierungsmission ist nun
noch unsicherer. (...) Die Amerikaner wollen ihre Aktion bis zum 31. August
fortsetzen, also bis zur äußersten Frist, die von den Taliban zugestanden
wurde. Das wird jedoch erschwert durch die immer größeren Risiken. Weitere
Anschläge können nicht ausgeschlossen werden. (...)
Nach
den tumultartigen Szenen am Flughafen drohen auch im Rest des Landes chaotische
Verhältnisse. Bislang ist es dort relativ ruhig geblieben, selbst in der
Hauptstadt Kabul. Doch wie lange wird diese Ruhe noch andauern? Werden
Terrorgruppen, welche auch immer, weitere Anschläge verüben und das Chaos noch
verstärken? Die USA und Europa müssten neue Möglichkeiten finden, Einfluss auf
die Taliban und die Politik in Afghanistan auszuüben. Unter diesen Umständen
ist das jedoch eine nahezu unmöglich zu erfüllende Aufgabe. Damit ist die
Niederlage in Afghanistan komplett.“
„Libération“,
Frankreich: Amerikaner sind in Afghanistan gescheitert
Bereits
am Donnerstag kommentierte „Libération“: „Nachdem sie die Korruption mit
Hunderten Milliarden von Dollar weiter angetrieben haben, nachdem sie es nicht
geschafft haben, die afghanischen Führungskräfte zu ermutigen, ein Schulsystem
auf die Beine zu stellen, das die Bevölkerung dazu antreibt, seine Zukunft
selbst in die Hand zu nehmen, und – vor allem – nachdem sie kläglich daran
gescheitert sind, eine nationale Armee zu gründen, die dieses Namens auch
würdig ist, sind die Amerikaner mit ihrem Rückzug (aus Afghanistan) auf
tragische Weise gescheitert. Sie beschämen damit die europäischen Staaten, die
von den Ereignissen überwältigt wurden.“
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