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DER SPIEGEL
Flutkatastrophe: CDU in Rheinland-Pfalz will offenbar Untersuchungsausschuss
Frank Patalong7. August 2021
Dreieinhalb Wochen nach der Flutkatastrophe rückt die Schuldfrage in den Fokus. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den CDU-Landrat von Ahrweiler, seine Partei will nun offenbar eine parlamentarische Aufarbeitung.
Am Freitag gab die Staatsanwaltschaft Koblenz bekannt, dass sie gegen Jürgen Pföhler ermittelt, den CDU-Landrat des Kreises Ahrweiler, ob er und ein von ihm beauftragter Beamter eine Schuld am katastrophalen Verlauf der Flutkatastrophe dort trugen. Am Tag darauf hat nun die CDU-Fraktion im Landtag Rheinland-Pfalz wissen lassen, dass sie eine parlamentarische Aufarbeitung der Hochwasserkatastrophe befürwortet. Nach Informationen aus Parteikreisen will die CDU-Fraktion die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Flutkatastrophe beantragen.
Der Fraktionsvorsitzende Christian Baldauf und der stellvertretende Fraktionschef Gordon Schnieder haben für Montag zu einem Pressegespräch »über aus Sicht der CDU-Landtagsfraktion notwendige Konsequenzen aus der Hochwasserkatastrophe« eingeladen. An diesem Tag solle die Entscheidung zu einem Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses mitgeteilt werden, verlautete am Samstag aus der Partei. Zuvor hatte die »Rhein-Zeitung« berichtet, dass die Fraktion diesen Weg gehen will.
Bislang hatte nur die AfD nach der Sturzflut im Ahrtal vom 14. Juli einen Untersuchungsausschuss verlangt. Die Freien Wähler sprachen von einem »Versagen in Meldeketten«. CDU-Fraktionsvorsitzender Baldauf hatte sich hingegen bisher gegen einen Untersuchungsausschuss ausgesprochen und stattdessen die Aufarbeitung der Katastrophe in einer Enquete-Kommission vorgeschlagen.
Ein Untersuchungsausschuss muss eingesetzt werden, wenn dies von mindestens einem Fünftel der Mitglieder des Landtags beantragt wird. Bei 101 Mitgliedern wären das 21 Abgeordnete. Die CDU-Fraktion umfasst 31 Abgeordnete. Ein Untersuchungsausschuss besteht in der Regel aus neun Mitgliedern des Landtags. Dabei muss jede Fraktion vertreten sein.
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Landrat weist Verantwortung von sich
Bei den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Koblenz gegen Landrat Pföhler (CDU) und ein weiteres Mitglied des Krisenstabes geht es um den Anfangsverdacht der fahrlässigen Tötung und fahrlässigen Körperverletzung durch Unterlassen. Im Kern soll die Frage geklärt werden, ob durch frühere Warnungen oder Evakuierungen Leben hätten gerettet werden können. In Rheinland-Pfalz starben 142 Menschen, davon 141 im Ahrtal.
Pföhler hatte bereits am Freitag jede Verantwortung von sich gewiesen: Er sei sich gar nicht vor Ort gewesen und habe die Aufgaben für solche Katastrophenfälle »schon vor Jahren« an den Beamten delegiert, gegen den nun ebenfalls ermittelt wird. Nach SPIEGEL-Informationen wusste die Kreisverwaltung Ahrweiler am 14. Juli 2021 durch Warnungen des Landesamtes für Umwelt in Mainz seit spätestens 15:26 Uhr, dass an der Ahr ein Jahrhunderthochwasser drohte. Landrat Pföhler ordnete aber erst nach 23 Uhr eine Evakuierung an, als sich der Pegel in Altenahr schon auf die sieben Meter zubewegte – als normal gelten dort im Sommer 50 Zentimeter.
Wiederaufbaukosten im Ahrtal: »zweistellige Milliardensumme«
Der Wiederaufbau des von der Flutkatastrophe betroffenen Ahrtals könnte nach Schätzung der Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Altenahr, Cornelia Weigand, eine zweistellige Milliardensumme kosten. Weigand bekräftigte am Samstag im Deutschlandfunk ihre Forderung an den Bund, schnellstmöglich einen Sonderfonds zur Unterstützung des Wiederaufbaus zu bilden. Einige Dörfer hätten weiter keinen Zugang zu Trinkwasser. Zudem würden viele Häuser lange nicht bewohnbar sein, weil es etwa keine Heizung mehr gebe oder die Abwasserversorgung nicht funktioniere. Langfristig brauche es Sicherheit gegen künftige Hochwasser, ein gutes Frühwarnsystem und funktionierenden Katastrophenschutz.
Die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten beraten am Dienstag mit Kanzlerin Angela Merkel über Hilfen für die vom Hochwasser betroffenen Regionen. Der geplante Wiederaufbaufonds soll nach SPIEGEL-Informationen mit mindestens zehn Milliarden Euro ausgestattet werden.
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