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Freitag, 6. August 2021

DER DEUTSCHE TSUNAMI: STAATSHAFTUNG UND SCHADENSERSETZPFLICHT

 Schadensersatz des Staates für Flutschäden: Wer zu spät gewarnt hat, muss haften

 Professor Stefan Hertwig, 6. August 2021; KSA

Nach der Flutkatastrophe haben der Bund und die betroffenen Länder natürlich „unbürokratische Hilfen“ versprochen. Es könnte jedoch sein, dass sie auch ganz bürokratisch Schadensersatz zu leisten haben.

 


© dpa Von der Flut zerstörtes Haus in Mayschoß, Rheinland-Pfalz

Das wäre dann der Fall, wenn sie eine rechtzeitige Warnung der Betroffenen pflichtwidrig unterlassen hätten. Paragraf 839 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) und Artikel 34 des Grundgesetzes verpflichten nämlich den Staat zum Schadensersatz, wenn seine zuständigen Beamten fahrlässig eine ihnen gegenüber den Bürgern obliegende Amtspflicht verletzt haben. 

Urteil des Bundesgerichtshofs

Der Bundesgerichtshof hat 1990 ein Urteil bestätigt, dass eine Gemeinde für haftbar erklärt hatte, die trotz Warnungen vor den Gefahren eines bei Tauwetter einsetzenden Eisgangs nicht darauf hingewirkt hatte, dass Sandsäcke bereitgestellt und die Betroffenen gewarnt wurden. 

Daneben kommt auch eine Haftung der Behörden wegen der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht in Betracht. Diese verlangt von den Behörden, alle geeigneten und zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um Gefahren in ihrem Aufgabengebiet abzuwehren oder wenigstens einzuschränken. 

Scharfe Kritik von britischer Forscherin

Die britische Forscherin Hannah Cloke, die sich mit Wasserkreislauf und Wasserhaushalt beschäftigt und am Aufbau des europäischen Frühwarnsystems Efas beteiligt war, hat kritisiert, dass Efas schon am 10. Juli, also vier Tage vor der Flutkatastrophe, die nationalen Behörden vor extremen Überschwemmungen gewarnt habe. Irgendwo sei dann die Warnkette unterbrochen worden, und es seien die Warnungen nicht bei den gefährdeten Menschen angekommen. 

Konkret liegen auch Vorwürfe gegen den Landkreis Ahrweiler vor, wo die Warnung vor einem Sieben-Meter-Pegel der Ahr etwa anderthalb Stunden liegen geblieben seien, bis dann endlich Katastrophenalarm ausgelöst wurde. Sollten sich solche Vorwürfe bestätigen, lägen Amtspflichtverletzungen bzw. Verletzungen von Verkehrssicherungspflichten auf der Hand. 

Nachweis erforderlich

Betroffene müssen allerdings beweisen, dass die pflichtwidrig unterlassene Warnung für einen erlittenen Schaden „ursächlich“ war, dieser Schaden also bei rechtzeitiger Warnung gar nicht oder nicht in dem tatsächlichen Umfang eingetreten wäre. Bei Personenschäden steht das außer Frage, weil Menschen rechtzeitig hätten in Sicherheit gebracht werden können. In gleicher Weise gilt das dann aber auch für mobile Güter, insbesondere Wertsachen wie Autos, Schmuck, Gemälde und Mobiliar, insbesondere Betriebseinrichtungen. 

Problematischer könnte der Nachweis sein, welche Gebäudeschäden bei rechtzeitigen Warnhinweisen vermeidbar gewesen wären. Hier wird es darauf ankommen, welche technischen Maßnahmen auf lokaler Ebene insgesamt noch hätten ergriffen werden können, etwa die Errichtung mobiler Schutzwände oder die Öffnung von Schleusen und Stauwehren. 

Als Maßnahmen zum Objektschutz kommen aber auch mobile Elemente wie Schlauchdämme und Sandsäcke in Betracht. Schließlich wäre es mög-lich gewesen, Fenster und Türen mit Vorsatzscheiben und Ähnlichem abzudichten oder und leistungsfähige Pumpen bereitzuhalten.

 Das Interesse der Versicherungen

Ansprüche aus Amtspflichtverletzungen sind im Übrigen auch für die Versicherungen von Interesse, die wegen der Hochwasserschäden eintreten müssen. Bei den Ansprüchen aus Versicherungsleistungen handelt es sich nämlich nicht um eine „anderweitige Ersatzmöglichkeit“ des Verletzten, hinter der ein Anspruch aus Amtspflichtverletzungen zurücktreten würde. Leistet vielmehr zunächst die Versicherung, geht der Anspruch des Geschädigten wegen Amtspflichtverletzung auf sie über.

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