Klimaanlagen als Virenschleuder?
Forscher rekonstruierten, dass die Übertragung des Virus wahrscheinlich von einem einzigen Infizierten im Restaurant ausging. Andere Infektionswege als den gleichzeitigen Restaurantbesuch schlossen sie aus. Dennoch steckte dieser "Patient 0" nicht nur Menschen an, die an seinem Tisch saßen. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Klimaanlage in diesem Fall eine entscheidende Rolle spielte. Durch deren Luftstrom könnten die Viren deutlich weiter transportiert worden sein als beim Sprechen, Husten oder Niesen. Die Experten fordern deshalb, den Abstand zwischen Tischen weiter zu vergrößern, Klimaanlagen besser zu überwachen und die Außenbelüftung zu verbessern.
Doch es wäre verfrüht, von der Studie aus China auf die Gefährlichkeit aller Belüftungsanlagen zu schließen. "Es gibt technische Unterschiede bei Klimaanlagen und die Möglichkeit der Filterung, das alles müsste man in die Betrachtung einbeziehen", sagt Epidemiologe Rafael Mikolajczyk von der Universität Halle. "Wir gehen beim Coronavirus eher von einer Tröpfcheninfektion aus, wo die Übertragung eher in direkter Nähe stattfindet als über Aerosole, die über weitere Entfernungen getragen werden." Zwar konnten erste Studien nachweisen, dass sich auch nach Stunden noch infektiöse Viren in der Luft befinden können. Ob diese Virenlast ausreicht, um Menschen zu infizieren, ist jedoch noch unklar. Worüber sich Experten einig sind: Grundsätzlich trägt eine gute Belüftung in Räumen sogar eher dazu bei, das Ansteckungsrisiko zu senken. So gehen sie davon aus, dass zum Beispiel das Virus in einem Berliner Club oder einer Bar in Ischgl auch deshalb so viele Menschen infizierte, weil es in den Räumlichkeiten kaum Frischluftzufuhr gab.
Auch aus dem Umweltbundesamt (UBA) heißt es, es komme vor allem auf die Art der Klimaanlage und deren Wartung an. So sei es auf Kreuzfahrtschiffen üblich, die Abluft aus den Innenräumen über die zentralen Lüftungsanlagen nicht vollständig nach draußen abzugeben, sondern teilweise weiter in den Räumen zirkulieren zu lassen. Das könne zur Übertragung des Erregers führen. Das würde den Verdacht erhärten, dass sich auf dem Kreuzfahrtschiff Diamond Princess, das in Japan mit Hunderten Corona-Infizierten unter Quarantäne gestellt wurde, zahlreiche Passagiere über das zentrale Belüftungssystem mit dem Virus angesteckt haben könnten. Auch beim Ausbruch von Sars 2003 war es in einem Wohnblock in Hongkong vermutlich aufgrund einer defekten Abluftanlage zu Hunderten Infektionen gekommen.
Diese Gefahr sieht man auch beim Umweltbundesamt: Durch falsche Planung oder unzureichende Wartung von Belüftungsanlagen könnten "Fehlströmungen" auftreten. So könnte die Abluft aus einem Gebäudeteil ungewollt als Zuluft in einen anderen Bereich gelangen. Beim UBA heißt es dazu: "In solchen Fällen kann eine Verbreitung von Viren über die Klimaanlage nicht ausgeschlossen werden." Wenn eine Anlage nur einen einzigen Raum belüftet, einwandfrei funktioniert und regelmäßig gewartet wird, gebe es keine erhöhte Infektionsgefahr. (SZ)
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