Update: 18.06.2015, 10:41 Uhr
Von Heiner Boberski- Nächste Woche tagt in Wien die CTBTO, die Nukleartests und Erdbeben am schnellsten registriert.
Wien. Das Kürzel CTBTO bedeutet
"Comprehensive Nuclear-Test-Ban Treaty Organization". Dieser
Organisation geht es um die Einhaltung des Vertrags über das umfassende
Verbot von Atomversuchen, sobald dieser in Kraft tritt. Das kann aber
erst geschehen, wenn die Atomstaaten Indien, Pakistan und Nordkorea ihn
unterschrieben haben. Bis dahin agiert eine in Wien ansässige
Vorbereitungskommission, die vor allem das Internationale
Überwachungssystem (International Monitoring System, IMS) und das
Internationale Datenzentrum (International Data Centre, IDC) aufbaut und
betreibt sowie spätere Vor-Ort-Inspektionen (On-Site Inspections, OSI)
vorbereitet.
Als Nordkorea am 12. Februar 2013
zugab, gerade einen Atomtest durchgeführt zu haben, hatte dies die CTBTO
dank der Signale von 94 seismischen Überwachungsstationen und zwei
Infraschall-Kontrollstellen ihres Netzwerkes bereits bemerkt und ihre
183 Mitgliedsländer alarmiert.
Drei
Tage später, am 15. Februar 2013, schlug bei Tscheljabinsk in Russland
ein Meteor ein. Das Netzwerk, das weltweit als einziges seiner Art auch
Infraschall aufspüren kann, dokumentierte die Schockwelle, die von dem
explodierenden Feuerball ausging. Diese Daten haben den Wissenschaftern
geholfen, den Meteoreinschlag zu lokalisieren sowie die Höhe und das
Ausmaß der Energiefreisetzung zu messen.
Natürlich
konnte die CTBTO auch im März 2011, als das japanische Fukushima von
einer Nuklearkatastrophe heimgesucht wurde, exakte Angaben zur
Radioaktivität in Japan und dessen Umgebung machen, was den
Sicherheitsorganen half, die richtigen Maßnahmen zu setzen.
"Es
ist das einzige globale Netzwerk, das atmosphärische Radioaktivität und
für den Menschen unhörbare Schallwellen entdeckt", sagt Lassina Zerbo
aus Burkina Faso, Leiter des Wiener CTBTO-Büros. "Manche vergleichen das
System mit einer Kombination von einem gigantischen Erdstethoskop mit
Nase, das nach planetarischen Unregelmäßigkeiten Ausschau hält und dabei
horcht, fühlt und schnüffelt."
Der Ausbau des
Netzwerkes hat vor 18 Jahren begonnen. Diesem globalen Ohr entgeht
praktisch nichts - ob nukleare Tests, Vulkanausbrüche, Erdbeben oder
Meteore. Mit seinen derzeit elf Horchposten unter Wasser registriert es
nicht nur nahende Beben, sondern liefert es auch Hinweise auf berstende
Eisberge oder auf die Wanderung von Walen.
Das
ganze Netzwerk besteht momentan aus etwa 300 Stationen, die sich zum
Teil in den entlegensten und unzugänglichsten Regionen der Erde
befinden. Vier Arten von Daten werden dort gesammelt: seismische,
hydroakustische, Infraschall und zur Radioaktivität. Das Netzwerk ist
bereits zu 90 Prozent fertig, ganz ausgebaut soll es 337 Stationen
umfassen und praktisch jeden Winkel des Planeten erfassen können.
Derzeit landen täglich rund 15 Gigabyte an Daten im Kontrollzentrum in
Wien.
Daten für die Wissenschaft
Sowohl Forscher als auch wissenschaftliche Einrichtungen wie
Universitäten, aber auch Regierungen und Nichtregierungsorganisationen
haben inzwischen erkannt, dass die von diesem Netzwerk gesammelten Daten
sehr nützlich und vorteilhaft sein können. Das beginnt bei
Tsunami-Frühwarnungen und verbesserten Wettervorhersagen. Man gewinnt
Einblick in den Verlauf von Vulkaneruptionen, kann Luftfahrt und Piloten
vor gefährlicher Vulkanasche warnen. Nicht zuletzt dienen die
Informationen der Forschung zum Klimawandel und dessen Auswirkungen auf
die Schifffahrt.
Die CTBTO gibt auf einer
virtuellen Plattform Wissenschaftern aus vielen unterschiedlichen
Disziplinen Zugang zu diesen Daten. Alle zwei Jahre veranstaltet die
Organisation in Wien eine wissenschaftliche und technische Konferenz.
Dieses Jahr werden von 22. bis 26. Juni etwa 1000 Wissenschafter in der
Wiener Hofburg erwartet, um dort Erfahrungen auszutauschen. Vielleicht
wird dabei auch über den Flug MH370 der Malaysia Airlines debattiert -
ein Rätsel, für dessen Lösung auch das große Ohr der CTBTO bisher nicht
reichte.
Organisation des Vertrags über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen
Organisation des Vertrags über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen Comprehensive Nuclear-Test-Ban Treaty Organization (CTBTO) |
||
---|---|---|
Hauptsitz der CTBTO-Vorbereitungskommission in Wien, Österreich |
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Organisationsart | autonome Organisation | |
Kürzel | CTBTO PrepCom | |
Leitung | Lassina Zerbo | |
Status | 183 Mitgliedstaaten (alle Unterzeichnerstaaten) | |
Gegründet | 19. November 1996 | |
Hauptsitz | Wien, Österreich | |
www.ctbto.org |
Inhaltsverzeichnis
CTBTO-Vorbereitungskommission
Bis zum Inkrafttreten des CTBT ist die CTBTO-Vorbereitungskommission (CTBTO Preparatory Commission, CTBTO PrepCom) mit Sitz in Wien, Österreich seit 1997 damit beauftragt, ein weltweites Kontrollnetz aufzubauen. Die Vorbereitungskommission ist im Vienna International Centre untergebracht. Lassina Zerbo aus Burkina Faso leitet die Organisation[1].Dazu betreibt die Vorbereitungskommission zwei Arbeitsgruppen:
- Arbeitsgruppe A
- für den jährlichen Finanzhaushalt, Mitarbeiterfragen, Rechtsangelegenheiten, Personalwesen.
- Arbeitsgruppe B
- für die Verifikation der Einhaltung des Vertrages. Dies umfasst den Aufbau und den Betrieb des Internationalen Überwachungssystems (International Monitoring System, IMS), des Internationalen Datenzentrums (International Data Centre, IDC), die Vorbereitung und später die Steuerung von Vor-Ort-Inspektionen (On-Site Inspections, OSI) und die Erarbeitung und Pflege der jeweiligen Handbücher.
Die Vorbereitungskommission wurde durch Beschluss der Unterzeichnerstaaten des CTBT vom 19. November 1996 gegründet und genießt den Status einer Internationalen Organisation. Trotz enger Beziehungen zu den Vereinten Nationen ist sie keine UN-Sonderorganisation. Mit Inkrafttreten des CTBT und Errichtung der CTBTO wird die Vorbereitungskommission aufgelöst.
Aufgaben
Überwachung
- 50 primäre und 120 sekundäre seismologische Messstationen, deren Technologie im Stande ist, nukleare Explosionen von Erdbeben oder anderen Erschütterungen zu unterscheiden. Primäre Messstationen liefern dabei ständig Daten, während sekundäre Stationen nur auf Anfrage Daten übermitteln.
- 11 Stationen zur Hydroakustiküberwachung, welche die Ozeane mit speziellen Sensoren nach Schallwellen abhören.
- Über ein Netzwerk von 60 Infraschallstationen werden mittels hochempfindlicher Barometer für das menschliche Ohr nicht mehr als Schall wahrnehmbare Luftdruckschwankungen gemessen. Jede Station soll mit mindestens vier Barometern ausgestattet sein, die auf einem Gebiet mit einem Durchmesser von ca. 2,5 Kilometern verteilt sind. Jedes einzelne Barometer registriert noch Druckunterschiede von nur einem Milliardstel des normalen Atmosphärendrucks. Durch die räumliche Verteilung dieser extrem empfindlichen Barometer können selbst schwächste Signale noch erfasst werden. Schallwellen, die von Überschallflugzeugen beim Durchstoßen der Schallmauer entstehen, können eindeutig von Atombombenversuchen unterschieden werden.
- 80 Stationen mit Radionukliddetektoren erfassen spezielle, nur bei Atombombenexplosionen freigesetzte radioaktive Partikel, 40 dieser Stationen überwachen darüber hinaus die Konzentration radioaktiver Edelgase[2]
Bis Mai 2012 waren bereits über 280 von insgesamt 337 Messstationen (etwa 85 %) fertig installiert und funktionsfähig.[3] Mit der Einrichtung und Wartung der seismologischen und infraakustischen Anlagen in Deutschland ist die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover beauftragt;[4] die radiologische Messstation auf dem Schauinsland wird vom Bundesamt für Strahlenschutz betrieben.[5]
Nordkoreanische Atomwaffentests 2006 und 2009
Am Morgen des 9. Oktober 2006 führte Nordkorea im Nordosten des Landes einen Atomwaffentest durch. Das Internationale Überwachungssystem der CTBTO erfasste die Explosion mit 22 seismischen Stationen. Innerhalb von zwei Stunden erhielten die CTBTO Mitgliedstaaten erste Informationen über Zeitpunkt, Ort und Stärke der Explosion. Zwei Wochen später erfasste eine Radionuklid-Messstation in Yellowknife, Kanada, Spuren eines radioaktiven Isotops des Edelgases Xenon in der Luft. Mit Hilfe atmosphärischer Transportberechnungen konnte Nordkorea als einzig möglicher Ursprungsort des Edelgases eingegrenzt werden. Die Anwesenheit von radioaktivem Xenon ist ein Nachweis für eine atomare Explosion.[6]Nordkorea führte am 25. Mai 2009 einen zweiten Atomwaffentest durch. Deutlich mehr seismische Stationen der CTBTO - 61 - registrierten das Ereignis im Vergleich zu 2006, einerseits aufgrund der stärkeren Explosion und andererseits durch den Fortschritt beim Aufbau der Messstationen. Die Fläche für eine potenzielle Vor-Ort Inspektion konnte daher genauer eingegrenzt werden: Im Jahr 2009 betrug diese Fläche 264 km² im Vergleich zu 880 km² im Jahr 2006.[7][8]
Zivile Anwendungen
Die Messdaten des IMS sind auch für zivile und wissenschaftliche Anwendungen, neben dem eigentlichen Vertragszweck, interessant. Durch die hochsensiblen Monitoringsysteme und das eigene Datenübertragungsnetz kann die CTBTO wertvolle Daten für Tsunami-Warnorganisationen bereitstellen, insbesondere seismische Daten. Ein entsprechender Beschluss zur Regelung dieser Datenweitergabe wurde im Jahr 2006 gefasst. Aufgrund relevanter Abkommen haben zurzeit Tsunamiwarnzentren in 8 zumeist indopazifischen Ländern direkten Zugriff auf betreffende CTBTO Messdaten (Stand: Mai 2012).[9]Während der Nuklearkatastrophe von Fukushima im Frühjahr 2011 erfassten über 40 CTBTO Radionuklid-Stationen die globale Ausbreitung von radioaktiven Isotopen aus dem zerstörten Kernkraftwerk in Japan.[10] Auch der Airburst des Meteor von Tscheljabinsk konnte von Infraschallmessstellen detektiert werden.[11][12] CTBTO Messdaten sind allen 183 Mitgliedstaaten zugänglich. Zurzeit machen über 1200 wissenschaftliche und akademische Institutionen in 120 Staaten von diesem Angebot Gebrauch.[13]
CTBTO Messdaten können darüber hinaus Anwendung in einer Vielzahl von Bereichen finden, unter anderem in der zivilen Luft- und Schifffahrt, bei der Erforschung der Ozeane, von Vulkanen oder des Klimawandels.[14]
Untersuchungen vor Ort
Das Provisorische Technische Sekretariat (PTS) bereitet auch mögliche vor-Ort-Untersuchungen, sogenannte On-site Inspections, vor, um nach Inkrafttreten des Vertrages bei Verdacht auf eine Vertragsverletzung die Natur verdächtiger Ereignisse zu untersuchen. Mit verschiedenen Methoden kann dann innerhalb kurzer Zeit vor Ort nach den Spuren von Atomwaffentests gesucht werden, wobei aber verschiedene vertragliche Vorgaben einzuhalten sind.Die Technische Sekretariat selbst entscheidet nicht über Vertragsverletzungen, sondern ist beauftragt, den Mitgliedsstaaten alle Daten und Auswertungen zur Beurteilung eventueller Ereignisse zur Verfügung zu stellen. Falls diese zur Auffassung gelangen, dass eine Vertragsverletzung vorliegt, können sie geeignete Maßnahmen im Rahmen des internationalen Rechts empfehlen, und den Fall an die Vereinten Nationen weiterleiten. Diese Regelungen werden erst nach Inkrafttreten gültig.
Siehe auch
Weblinks
Commons: CTBTO – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
- Homepage der CTBTO Vorbereitungskommission (englisch)
- Deutsches Nationales Datenzentrum der BGR
- Kernwaffenteststopp
- Was das globale Ohr alles hört wienerzeitung.at
Einzelnachweise
- CTBTO Webseite, Potential Civil and Scientific Applications of CTBT Verification Data and Technologies abgerufen am 23. Mai 2012
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