11. September 2006
Tsunami 2004 - Ein Verein klagt an
Dezember 2004: Jerzy Chojnowski will Klarheit über die Katastrophe. Für den 53-Jährigen hat das Frühwarnsystem perfekt funktioniert, nur der Mensch dahinter hat kläglich versagt.
Von Andreas Burgmayer
Norderstedt. Jerzy Chojnowski (53) hofft, dass die Verbitterung, die er empfindet, es ihm nicht unmöglich macht, die Dinge sachlich zu sehen. Dass ein Tsunami seinen Vater Konrad Jan Chojnowski am 26. Dezember 2004 gegen 10 Uhr im Alter von 83 Jahren in Bang Tao auf der Insel Phuket verschlang und tötete, das hat er auch knapp zwei Jahre danach kaum verwunden. Dass aber die Öffentlichkeit den Tod seines Vaters und den der weiteren 549 deutschen Staatsbürger als Folge einer unvermeidbaren Naturkatastrophe sieht, das macht Chojnowski fassungslos. "Es ist eine Verhöhnung der Opfer, von einer Naturkatastrophe zu sprechen. Die schlimmen Folgen des Tsunami waren die Folge eines globalen menschlichen Versagens, für das bisher niemand zur Rechenschaft gezogen wurde."
Der Norderstedter hat einen Verein gegründet, die German Tsunami Victims Response Group (GTVRG). "Bisher waren wir ein sehr leiser Verein. Nun wollen wir sehr laut werden", sagt Jerzy Chojnowski. Der Verein klagt an: Er und die anderen Hinterbliebenen von deutschen Tsunami-Opfern wollen Antworten. Im Kern geht es ihnen um die Frage: Wie kann es sein, dass es trotz weltumspannender Frühwarnsysteme nicht möglich war, zumindest in manchen der betroffenen Regionen eine rechtzeitige Warnung vor dem Tsunami abzugeben? Chojnowski, der sich seit dem Tod seines Vaters akribisch mit der Auswertung der wissenschaftlichen Aufzeichnungen rund um den Tsunami beschäftigt, stellt die These auf: "Die Technik hat perfekt funktioniert. Allein der Mensch dahinter hat kläglich versagt."
Jerzy Chojnowski, der ein erfahrener Skipper und Yachtberater ist, hat mit seinem Vater auch sein Urvertrauen in die Fürsorgepflicht des Staates gegenüber seinen Bürgern verloren. "Es gab aus seismologischer Sicht damals unzählige Hinweise darauf, dass ein großes Seebeben in der Region bevorsteht", sagt er. Doch Warnungen von Seismologen und anderen Wissenschaftlern, von Tourismusverbänden oder Regierungsstellen habe es keine gegeben. Chojnowski: "Das ,Worst Case Scenario' wurde trotz der vorliegenden Daten fahrlässig verworfen." Nicht jedes Seebeben löst einen Tsunami aus - es besteht aber immer die Wahrscheinlichkeit. Das zweite schwere Seebeben nach dem verheerenden Tsunami Weihnachten 2004, am Ostermontag im März 2005, wurde von den Behörden weitaus sensibler behandelt. Jerzy Chojnowski: "Unter den gleichen technischen Möglichkeiten wie Weihnachten 2004 war es plötzlich möglich, Tsunami-Warnungen in Windeseile zu verbreiten. Doch dann bei einem dritten Seebeben im Juli 2006 - wieder ein Versagen." *)
Dass der Tsunami Jerzy Chojnowski damals zwar mitriss, aber auch lebend wieder "ausspuckte", deutet der 53-Jährige nicht nur als Glück, sondern auch als Menetekel. "So etwas kann jederzeit wieder passieren. Selbst wenn nun mit vielen Millionen Euros ein Tsunami-Frühwarnsystem installiert wird", sagt Chojnowski. Seine Thesen verbreitet er in Briefen. An den Präsidenten der USA, George W. Bush, an das deutsche Außenministerium, an Seismologen und Wissenschaftler in aller Welt. Antworten bekam er keine. "Es gibt keine Untersuchungsberichte über den Ablauf der Katastrophe. Und wenn, kann man sie nicht einsehen. Wie man es richtig macht, zeigt das Beispiel Japan: Nach dem Erdbeben in Kobe und dem Versagen der Einsatzkräfte gab es zahlreiche Untersuchungen - die Japaner wollten aus ihren Fehlern lernen", sagt Jerzy Chojnowski.
Besonders enttäuscht sind er und viele andere deutsche Hinterbliebene von Tsunami-Opfern von der Bundesregierung. "500 Millionen Euro für die Folgen des Tsunami hat die Bundesregierung bereitgestellt, 670 Millionen Euro haben die Bundesbürger gespendet. Doch kein Hinterbliebener eines deutschen Opfers hat bisher auch nur einen Cent gesehen", sagt Chojnowski. Das stimmt nicht ganz: Als Jerzy Chojnowski nach der Katastrophe in Thailand nur mit einer Badehose bekleidet vor dem deutschen Konsulat auftauchte, da drückte ihm ein Beamter 100 thailändische Baht, umgerechnet zwei Euro, in die Hand. Jerzy Chojnowski: "Es gibt noch zwei weitere Tsunami-Opfer, die es zu beklagen gilt: Die Gerechtigkeit und die Wahrheit."
Seinen Verein möchte Jerzy Chojnowski zu einem Forum für alle Hinterbliebenen in Deutschland machen. Er will gegen das Vergessen antreten und dafür sorgen, dass sich ein Desaster wie Weihnachten 2004 nicht mehr wiederholt. Für seine Arbeit benötigt Jerzy Chojnowski Spenden (Spendenkonto GTVRG, Deutsche Bank, BLZ 200 700 24, Konto-Nummer 021 389 200, auf Wunsch gegen Spendenbescheinigung).
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GTVRG e.V. bittet um Spenden: IBAN DE74 2007 0024 0021 3892 00 BIC: DEUTDEDBHAM
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*) Es handelt sich um ein Seebeben im Sundagraben vor der Südküste von Java am 17. Juli 2006, den von ihm ausgelösten Tsunami und die darauffolgende Tsunami-Katastrophe, die nach einem ähnlichen behördlichen Versagensmuster verleif, wie das Tsunami-Desaster am 26. Dezember 2004. s. auch http://en.wikipedia.org/wiki/
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German Tsunami Victims Response Group e.V.
was established as a German non-profit tsunami victims organisation
acting worldwide to prevent man-made disasters
Account for Donations:
IBAN: DE74 2007 0021 3892 00, BIC: DEUTDEDBHAM
Help us, please, donate!*************************************************************