Soziale Ungleichheit:
Wer reich ist, macht Politik
ZEIT ONLINE
Alexandra Endres
22. Januar 2018
Weltweit wächst die Ungleichheit, warnt Oxfam. Die Zahlen
der Hilfsorganisation mögen nicht so exakt sein, wie sie scheinen. Aber sie beschreiben
ein ernsthaftes Problem.
Die Zahlen klingen alarmierend. Die reichsten 42 Personen
der Welt besäßen gemeinsam so viel Vermögen wie die ärmere Hälfte der
Menschheit, schreibt die Hilfs- und Entwicklungsorganisation Oxfam in ihrem
neuen Bericht zur weltweiten Ungleichheit. Und der Wohlstand der Superreichen
wachse schnell: Das reichste Prozent habe im vergangenen Jahr mehr als vier
Fünftel aller Vermögensgewinne eingestrichen – 82 Prozent, um genau zu sein. So
besitze es immer noch mehr als der ganze Rest der Weltbevölkerung
zusammengenommen.
Oxfam zufolge gibt es so viele Milliardäre wie nie zuvor.
Die ärmere Hälfte der Welt hingegen, insgesamt 3,7 Milliarden Menschen, habe
2017 rein gar nichts von den wachsenden Vermögen abbekommen. Ihr aktueller Bericht
zeige, "wie sich der Graben zwischen Reich und Arm weiter vertieft",
schreibt die Organisation, "und wie Konzerne und Superreiche ihre Gewinne
erhöhen, indem sie Löhne drücken und Steuern vermeiden – auf Kosten normaler
Arbeiter/innen und Angestellter sowie des Gemeinwohls".
Zwei weitere Vergleiche, die das illustrieren: Eine Näherin
in Bangladesch verdiene in ihrem ganzen Leben so viel wie ein
Vorstandsvorsitzender eines großen Modekonzerns in nur vier Tagen. Und den
Entwicklungsländern entgingen durch "Steuervermeidung von Konzernen und
reichen Einzelpersonen" mindestens 170 Milliarden Dollar an Einnahmen im
Jahr. Das sei mehr als die gesamte globale Entwicklungshilfe.
Kritik an Datenquellen und Methode
Oxfams Ungleichheitsreport erscheint jedes Jahr pünktlich
zum Weltwirtschaftsforum in Davos und beeinflusst dort die Debatte. Im
vergangenen Jahr war das Aufsehen besonders groß. Nur acht Menschen besäßen so
viel wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung zusammengenommen, hatte Oxfam
damals ausgerechnet. Im Jahr zuvor hatte die Organisation noch gesagt, das
Vermögen von 62 Superreichen entspreche dem der ärmeren Hälfte; im Jahr 2014
wiederum sollen es 85 gewesen sein.
Es gab viel Kritik an den vermeintlich exakten Zahlen. Oxfam
nutzt für seine Berechnungen den Globalen Reichtumsbericht der Schweizer Bank
Credit Suisse und die Forbes-Liste der Superreichen.
Doch die Datenquellen seien nicht zuverlässig, hieß es, denn
sie beruhten teilweise auf Schätzungen und – je nach Land – lückenhaften
offiziellen Statistiken. Das Vermögen der Reichsten beispielsweise sei
überhaupt nicht exakt zu erfassen. Weil außerdem Schulden als "negatives
Vermögen" betrachtet würden, also zum Beispiel der Auto- oder
Studienkredit vom sonstigen Besitz abgezogen werde, stehe etwa ein Student aus
den USA im Report schlechter da als ein schuldenfreier, aber bitterarmer Bauer
aus Burundi. All das verfälsche den Befund.
"Die Konzentration steigt"
Dabei fallen die überschuldeten Menschen aus den
Industrieländern in der globalen Statistik kaum ins Gewicht. Oxfam erwidert die
Kritik mit dem Hinweis, dass man die besten verfügbaren Datengrundlagen nutze –
die gleichen übrigens, auf die sich auch der Internationale Währungsfonds und
die Bank of England bezögen. Daraus vergleichbare Daten zu ermitteln, trotz
mancher Unsicherheiten, sei "das tägliche Brot des Statistikers" und
durchaus seriös.
Mit den unvermeidbaren Unzulänglichkeiten ihrer Berechnungen
geht die Organisation offen um. So weisen ihre Autoren in der aktuellen Ausgabe
des Ungleichheitsreports darauf hin, dass sich die Daten der Credit Suisse
verändert haben, weshalb die neuen Zahlen nicht mit den Ergebnissen der
vergangenen Jahre vergleichbar sind.
"Es ist am Ende gar nicht entscheidend, ob nun acht, 42
oder 62 Menschen so viel besitzen wie 3,7 Milliarden", sagt Ellen Ehmke.
Sie ist bei Oxfam die Expertin für soziale Ungleichheit. "Wichtig ist das
grundsätzliche Missverhältnis." Und das sei nun einmal extrem – und nicht
hinzunehmen. In den vergangenen Jahren habe die Ungleichheit der Vermögen
aufgrund des Börsenbooms noch zugenommen, sagt Ehmke. "Die Konzentration
an der Spitze steigt."
Nicht nur Oxfam kommt zu diesem Ergebnis. Seit 2007 nehme
die Vermögensungleichheit in allen Teilen der Welt zu, berichtet die Credit
Suisse – wenngleich nicht in jedem Land. Betrachtet man statt der Vermögen die
Einkommen, so nähern sich zwar die durchschnittlichen Einkommen zwischen
Schwellen- und Industrieländern aneinander an; das besagen Daten der Weltbank.
Auch die Zahl der Menschen, die in Armut leben, ist seit den achtziger Jahren
stark gesunken.
Doch die erfreuliche Entwicklung der Einkommen beruhe vor
allem auf den kräftig gestiegenen Durchschnittseinkommen in China, sagt
Oxfam-Expertin Ehmke. Und während manche Länder im globalen Vergleich aufholen,
wird die Kluft zwischen Reichen und Geringverdienern innerhalb der einzelnen
Länder fast überall größer, wie eine Forschergruppe um den französischen
Ökonomen Thomas Piketty in ihrem World Inequality Report beschreibt. Vor allem
in China, Indien, Russland und Nordamerika sei sie rasant gestiegen. In Europa
hingegen sieht es etwas besser aus.
Gefahr für die
Demokratie
"Die
Topverdienste an der Spitze hängen mit den Hungerlöhnen am anderen Ende der
Wertschöpfungskette zusammen", sagt Ehmke. "Wir sehen, dass derzeit –
und schon seit Langem – vor allem die Kapitaleigner vom Wirtschaftssystem
profitieren und nicht die Arbeitenden." Das müsse sich ändern.
Oxfam kritisiert die
große Ungleichheit nicht nur um ihrer selbst willen, sondern auch wegen ihrer
Folgen. Die materielle Kluft bedrohe die Demokratie: Wer arm ist, beteilige
sich weniger an der Politik, und seine Anliegen würden nicht so sehr gehört.
Viele Menschen verlören das Interesse an Wahlen, weil sie sich von den
Politikern nicht vertreten fühlten. Oder sie wendeten sich
"Anti-Establishment-Parteien" zu. Die Reichen hingegen vererbten
ihren Besitz ebenso wie ihren Einfluss.
Wegen der starken Konzentration der Vermögen komme der Kampf
gegen die Armut nicht so schnell voran, wie es nötig wäre, sagt Ehmke.
"Wir werden das Ziel, die extreme Armut bis 2030 zu überwinden, nicht
erreichen, wenn wir nicht gegen die extreme Ungleichheit angehen." Zudem
behindere eine zu große Ungleichheit das Wachstum. Dem stimmen mittlerweile
selbst liberale Ökonomen und Institutionen wie OECD und Weltwährungsfonds zu.
Steuern eintreiben, in Bildung investieren
Was also tun? Oxfam fordert von den Regierungen, den
weltweiten Steuersenkungswettlauf zu stoppen und die großen Konzerne zu mehr
Offenheit in Steuerfragen zu zwingen. Eine weltweite Mindeststeuer für Konzerne
sei wünschenswert. "Auch Deutschland könnte viel mehr tun", sagt
Ehmke. "Von der künftigen Bundesregierung würden wir uns neben warmen
Worten endlich mehr Taten wünschen."
Die Steuereinnahmen würden schließlich gebraucht: für eine
zuverlässige Infrastruktur, von der auch die Unternehmen profitieren könnten,
für ein gutes Bildungs- und ein funktionierendes Gesundheitssystem. In vielen
Ländern können sich die Armen keine gute Ausbildung für ihre Kinder leisten.
Andere müssen im Krankheitsfall für alle Kosten selbst aufkommen und rutschen
deshalb in die Armut. Beides vergrößere die Ungleichheit, sagt Oxfam und
fordert deshalb mehr Investitionen in Bildung und Gesundheit.
Auch in Deutschland
ist die Ungleichheit übrigens nicht gerade klein. Oxfam zufolge besitzt das
reichste Prozent – dessen Vermögen im vergangenen Jahr um 22 Prozent gestiegen
ist – ebenso viel wie die ärmeren 88 Prozent der Bevölkerung. Und um das zu verdienen,
was ein Dax-Konzernchef im Jahr an Bezügen erhält, müsste ein Arbeitnehmer mit
Durchschnittsgehalt 157 Jahre arbeiten.
Die in Deutschland regierenden Parteien, in denen
ausnahmslos VOLKSVERRÄTER das Sagen haben, und das von ihnen kreierte zum
Betrug einladende Steuersystem verfestigen hierzulande die ökonomische Ungleichheit
und die Wohlstandsunterschiede. Durch den fehlenden Einfluss unterer Schichten –
die zwar die Mehrheit bilden aber politisch nichts zu sagen haben – auf das politische Geschehen, durch den fehlenden sozialen
Zusammenhalt und die politische Spaltung der Gesellschaft zerstören diese
VOLKS- UND VATERLANDSZERSTÖRER in der Konsequenz letztendlich auch die
Demokratie.
Jerzy Chojnowski
Chairman-GTVRG e.V.
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