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Mittwoch, 12. Januar 2022

RWE-SCHLAMPER SCHULD AN DER FLUTKATASTROPHE IN ERFTSTADT




 

Nordrhein-Westfalen:

Kiesgrube schuld an den Folgen der Flutkatastrophe in Erftstadt? Razzia gegen RWE-Tochter

Witsch, Kathrin – 12. Jan. 2022, Handelsblatt 

Ein halbes Jahr nach der Flut haben Beamte Razzien in ganz NRW durchgeführt. Unter anderem bei einer RWE-Tochter. Schuld sieht der Energiekonzern bei sich keine. 

Seit ein paar Wochen erst ist die Autobahn zwischen Köln und Koblenz wieder befahrbar. Auf der Höhe der nordrhein-westfälischen Gemeinde Erftstadt klafft aber auch heute noch ein riesiges Loch, wo vorher unzählige Häuser standen. Im Sommer vergangenen Jahres kam es während der Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Teilen von Rheinland-Pfalz zu einem gewaltigen Erdrutsch, der zahlreiche Gebäude in den Abgrund gerissen hat. 

Sechs Monate später haben mehr als 140 Beamte und Beamtinnen der Staatsanwaltschaft Köln mehr als 20 Büro- und Wohngebäude in NRW und Thüringen durchsucht. Der Verdacht: Die Kiesgrube, die sich neben dem Wohngebiet befand, ist für die Katastrophe in Erftstadt-Blessem verantwortlich, bei der wie durch ein Wunder niemand ums Leben kam. 

Die Ermittlungen richten sich gegen den Eigentümer und Verpächter des Tagebaus, gegen fünf Beschuldigte der Betreibergesellschaft sowie gegen Mitarbeiter der Bezirksregierung Arnsberg. Betreiber der Kiesgrube in Blessem sind die Rheinischen Baustoffwerke – eine Tochter des Essener Energiekonzerns RWE.

 Die Kölner Staatsanwaltschaft wirft dem Unternehmen vor, den Südrand der Kiesgrube nicht durch einen den Bestimmungen entsprechenden Hochwasserschutzwall gesichert zu haben. Außerdem sollen die Böschungen steiler gewesen sein als zulässig, so die Staatsanwaltschaft. Erst so hätten große Mengen Wasser in die Kiesgrube eindringen können. Dadurch sei Erdreich weggeschwemmt worden und seien mehrere Häuser eingestürzt. 

Auf Anfrage des Handelsblatts erklärte RWE, der Hochwasserschutz sei genehmigungskonform und voll funktionstüchtig gewesen. „Die Kiesgrube wurde ordnungsgemäß und regelkonform betrieben“, betonte ein Sprecher. Der Hochwasserschutz habe allen erforderlichen Standards für extreme Hochwasserlagen entsprochen. Eine solche Flutwelle sei in der Dimension von niemandem erwartet worden. „Tragischerweise hat das „Jahrtausendhochwasser“ alles, was bislang für möglich gehalten worden ist, deutlich übertroffen“, so der RWE-Sprecher. Erst seit 2016 hatte das Essener Unternehmen die Grube von dem nun ebenfalls beschuldigten Eigentümer gepachtet. 

Wieder ein Problem mehr für RWE 

Die Ermittler untersuchten aufgrund der Vorwürfe nicht nur Büroräume bei den Rheinischen Baustoffwerken, sondern beschlagnahmten auch Unterlagen im RWE-Standort in Köln. „Auch uns ist an einer lückenlosen objektiven Aufklärung aller Vorgänge im Rahmen der Flutkatastrophe gelegen“, versichert RWE. Man unterstütze die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und habe alle gewünschten Unterlagen ausgehändigt. 

Für den Energieriesen ist die Razzia im Zusammenhang mit der Flut derweil nur eines von vielen Imageproblemen. Denn auch wenn die Zukunft laut RWE-Chef Markus Krebber den erneuerbaren Energien gehört, ist RWE mit seinen Kohlekraftwerken auch heute noch der größte CO2-Emittent Europas. Dass für den Tagebau selbst jetzt noch, wo der Kohleausstieg längst beschlossen ist, ganze Dörfer weggebaggert werden, nagt zusätzlich an dem neu aufgelegten Öko-Selbstbild des Essener Unternehmens. Und gerät, wie jüngst im Fall Lützerath, immer wieder in die Schlagzeilen. 

In dem größtenteils verlassenen Dorf versammeln sich neben dem letzten verbliebenen Bewohner nun auch immer mehr Aktivisten, die den Abriss des Örtchens verhindern wollen. Sogar Greta Thunberg schaute schon vorbei. Währenddessen rollt der Braunkohlebagger ungerührt weiter durch den Tagebau Garzweiler. Bis Ende 2022 soll er nach den aktuellen Plänen von RWE auch in Lützerath ankommen. Eine Lösung ist derzeit noch nicht in Sicht. 

In der Kiesgrube in Erftstadt-Blessem ruht seit dem Hochwasser im Sommer hingegen der Betrieb. Aber auch hier regt sich mittlerweile Widerstand. Acht Häuser sind nach Angaben der Stadtverwaltung Erftstadt „irreparabel zerstört“. Drei sind von den Fluten verschlungen worden, eines zur Hälfte eingestürzt. Allein im Regierungsbezirk Köln hat das Hochwasser nach Angaben der nordrhein-westfälischen Landesregierung einen Schaden von mehr als 850 Millionen Euro bei der kommunalen Infrastruktur verursacht. Die meisten Blessemer haben ihr Urteil längst gefällt. „Keine Kiesgrube mehr in Blessem!“, steht auf Plakaten, die an vielen Häusern aufgehängt sind.

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