Powered By Blogger

Montag, 16. März 2020

CORONAVIRUS: TAIWAN HAT GELERNT - EUROPAS DUMMKÖPFE NICHT!


Taiwans erfolgreicher Kampf gegen Corona

William Yang (Taipeh / dh)
16. März 2020, DW

© Reuters/F. Hamacher An Schulen in Taiwan haben sich die Schüler einen Desinfektionsspender selber gebaut
Durch seine Nähe zur Volksrepublik China galt Taiwan eigentlich als Hochrisikogebiet für das Coronavirus. Doch die Regierung war gut vorbereitet und hat die Epidemie im Land effektiv eingedämmt. Aus Taipeh William Yang.
Zweieinhalb Monate ist es her, dass das Coronavirus und die von ihm ausgelöste Lungenkrankheit in der chinesischen Stadt Wuhan entdeckt worden sind. Mittlerweile sind über 128.000 Menschen in über 110 Ländern infiziert.
Trotz der geografischen Nähe zum Epizentrum der Pandemie blieb Taiwan bislang weitgehend von COVID-19-Infektionen verschont. Als im Januar dort die ersten Fälle bekannt wurden, hatten Experten vorausgesagt, dass in Taiwan - neben China - vermutlich die meisten Infektionen auftreten würden. Doch während China bereits über 80.000 Fälle zählt, liegt die Zahl in Taiwan bei unter 60.
Einige internationale Gesundheitsexperten führen diese Entwicklung auf Taiwans frühzeitige Intervention zurück. Jason Wang, Experte für öffentliche Gesundheitspolitik an der US-amerikanischen Stanford-Universität, sagt, Taiwan habe das potenzielle Ausmaß der Krise rechtzeitig erkannt und sei der Entwicklung immer einen Schritt voraus gewesen.



Gesundheits- und Reisedaten verknüpft

"Taiwan hat nach der SARS-Epidemie 2002/2003 das National Health Command Center (NHCC) eingerichtet. Sie haben sich damit auf eine nächste mögliche Krise vorbereitet", sagt Wang. Das NHCC stelle Daten zur Verfügung und ermögliche Experten zusammenzuarbeiten.
© AFP/Tang Chhin Sothy Taiwan und andere Staaten haben dem Kreuzfahrtschiff Westerdam verboten anzulegen - wegen des Coronavirus
Taiwans Regierung hat auch frühzeitig ein Einreiseverbot für Menschen aus China, Hongkong und Macau verhängt. Gleichzeitig hat die Regierung verboten, Schutzmasken zu exportieren, um sicherzustellen, dass Taiwan ausreichend versorgt ist.
"Taiwan hat Daten der nationalen Krankenversicherungen in die Einwanderungs- und Zolldaten integriert", sagt Wang. Dies habe dem medizinischen Personal an vorderster Front ermöglicht, potenzielle Patienten anhand ihrer Reisetätigkeiten zu identifizieren. Außerdem hat die taiwanesische Regierung ein Programm entwickelt, das Reisenden bei der Rückkehr nach Taiwan ermöglicht, ihre Reiseroute und Symptome zu melden. Dazu müssen sie einen QR-Code scannen. Reisende bekommen dann eine Nachricht, wie ihr Gesundheitszustand eingeschätzt wird.
So können Zollbeamte sich den Einreisenden mit hohem COVID-19-Risiko widmen und die mit geringerem Risiko vernachlässigen.

Bevölkerung hoch motiviert

Die hohe Bereitschaft der Öffentlichkeit, die Vorschriften der Regierung einzuhalten, haben es den taiwanesischen Beamten erleichtert, adäquat auf den Ausbruch des Coronavirus zu reagieren.
"Die meisten Taiwaner haben während der SARS-Epidemie schwere Zeiten erlebt. Das ist vielen noch im Gedächtnis. Die jetzige Situation hilft, das Gemeinschaftsgefühl zu fördern", sagt Chunhuei Chi, Professor für öffentliche Gesundheit an der Oregon State University in den USA.
In den vergangenen Jahrzehnten habe Taiwan in seine biomedizinischen Forschungskapazitäten investiert, sagt Chi. Außerdem hätten Forschungsteams daran gearbeitet, einen diagnostischen Schnelltest für COVID-19 in Serie zu produzieren.

Schnelltest in Aussicht

Vor wenigen Tagen hat ein Forscherteam der taiwanesischen Academia Sinica Antikörper entwickelt, mit denen das Protein identifiziert werden kann, das das Coronavirus verursacht. Ziel ist es, einen neuen Schnelltest für das Coronavirus zu produzieren, dessen Ergebnis bereits nach 20 Minuten vorliegt. Nach Angaben des Teamleiters, Yang An-Suei, sei der nächste Schritt, das Produkt zu validieren, bevor es als Schnelltest-Kit eingeführt wird.
Taiwan ist nicht Mitglied der Weltgesundheitsorganisation (WHO), da der Inselstaat seit 1971 (aufgrund von Pekings Ein-China-Politik) auch von den Vereinten Nationen ausgeschlossen ist. Und die Regierung der Volksrepublik China hindert Taiwan weiterhin daran, der WHO beizutreten.

Taiwan fordert Mitgliedschaft in der WHO

Dennoch teile Taiwan seine Erfahrungen bei der Bekämpfung des Coronavirus weiterhin mit anderen Ländern, sagt Jason Wang. In Telefonkonferenzen kommunizierten Taiwans Experten ihr Wissen und unterstützten Länder mit weniger medizinischen Ressourcen dabei, Proben von Patienten zu untersuchen. "Mit anderen Worten: Die taiwanesische Regierung hat das Thema öffentliche Gesundheit aktiv genutzt, um den Austausch mit anderen Ländern zu fördern."
Ob Taiwan der WHO aufgrund seiner gelungenen Eindämmung des Coronavirus wieder beitreten kann, ist ungewiss. Wang findet allerdings, dass die WHO dies in Betracht ziehen sollte: "Die WHO sollte wissen, dass der Schlüssel zur Bekämpfung einer globalen Pandemie in der Zusammenarbeit liegt. Und wenn sie bestimmte Gegenden der Welt ignoriert, ist das nicht gut."
Autor: William Yang (Taipeh / dh)

###

Taiwan: Ein Leuchtturm in der Corona-Krise

Zeit, 25, April 2020

In Taiwan sind die Corona-Infektionszahlen äußerst gering, das Leben geht längst weiter. Was können andere Länder daraus lernen?

Seit dem 3. März bin ich in Taiwan und gehe hier meiner Forschungsarbeit nach. Anders als im Rest der Welt ist mein Leben durch das weltweit grassierende Coronavirus kaum beeinflusst. Es gibt keine Ausgangsbeschränkungen. Universitäten, Schulen, Restaurants und Geschäfte sind geöffnet, sogar die Fitnessstudios. Stand heute (24. April) sind in Taiwan, in einem Land, in dem seit Beginn der Krise im Januar intensiv getestet wird, 428 Menschen mit dem Virus infiziert worden. Lediglich sechs Menschen starben. Bei einer Gesamtbevölkerung von 23,6 Millionen Menschen ist das eine unter allen entwickelten Industrieländern herausragende Quote.

Dabei muss man sich vor Augen führen, dass Taiwan der chinesischen Küste unmittelbar vorgelagert ist und nur etwa 950 Kilometer Luftlinie von der chinesischen Stadt Wuhan entfernt liegt – von jenem Ort also, in dem bereits im November des vergangenen Jahres die ersten Corona-Fälle entdeckt wurden. Circa eine bis eineinhalb Millionen Taiwaner leben und arbeiten dauerhaft in China und pendeln regelmäßig zwischen den beiden Seiten der Taiwanstraße. Alle Experten prognostizierten noch im Januar, dass der Inselstaat neben der Volksrepublik China am schlimmsten von der Epidemie betroffen werden würde. Doch es kam anders. Taiwan sticht unter den asiatischen Ländern beziehungsweise Gebieten mit erfolgreicher Krisenstrategie – Japan (12.368 Fälle), Südkorea (10.708), Singapur (11.178), Hongkong (1.036) – noch einmal heraus. Es ist der Leuchtturm in der Corona-Krise.

Was können andere Länder von Taiwan lernen – und was nicht? Zunächst einmal: Seit der Sars-Krise der Jahre 2003/2004, die ebenfalls von China ausging und der in Taiwan 37 Menschen zum Opfer fielen, hat sich das Land auf zukünftige Epidemien eingestellt, systematisch Katastrophenpläne erstellt und eine institutionelle Struktur entwickelt, die bei einer drohenden Epidemie sofort in den Krisenmodus schaltet. Als die taiwanischen Behörden am 17. Dezember von der neuen Krankheit in Wuhan erfuhren, wurden Flüge aus der zentralchinesischen Metropole sofort streng kontrolliert. Nachdem zwei taiwanische Epidemiologen nach Wuhan gereist waren und sich dort einen Überblick verschafft hatten, zeigte die taiwanische Regierung Mitte Januar der Weltgesundheitsorganisation und der Öffentlichkeit an, dass sich das Virus durch eine Übertragung von Mensch zu Mensch verbreiten könnte. Gleichzeitig richtete sie das Central Epidemic Command Center (CECC) ein, die Schaltzentrale der Krisenbekämpfung.

Infektionsketten früh unterbrochen

Danach ging alles ganz schnell: Am 25. Januar schloss Taiwan seine Grenzen für Besucher aus der Volksrepublik China, Hongkong und Macau. Die so beliebten Touristenreisen nach China wurden verboten. Gleichzeitig begannen die Behörden mit dem Aufbau eines digitalen Tracking-Systems, mit dem die Datenbanken der staatlichen Gesundheitsbehörde und die der Einwanderungs- und Zollbehörde zusammengefasst wurden. So konnte man die Reiserouten, Kontaktwege und Krankheitssymptome jedes Einreisenden nachverfolgen und damit zu einem sehr frühen Zeitpunkt – durch strafbewehrte Quarantänemaßnahmen für Personen mit Ansteckungsverdacht – die Infektionsketten unterbrechen. Die gefürchteten Cluster-Infektionen, die schnell außer Kontrolle geraten und nicht mehr einzufangen sind, wurden so gleich zu Beginn verhindert. Taiwan hat dies übrigens, anders als China und Südkorea, ganz ohne für den einzelnen Bürger verpflichtende Smartphone-Apps geschafft!
Mitte März verfügte das CECC, dass alle Einreisenden in eine 14-tägige Quarantäne müssen – wobei die Regierung Ausländern angemietete Hotelräume zur Verfügung stellte. Vorher hatte sie wohl ihren einzigen Fehler gemacht: Als klar wurde, dass das Virus aus den USA und Europa zurück nach Asien kommen würde, wurden zurückkehrende Taiwaner und andere Ausländer zunächst nur dazu angehalten, sich beim Auftreten von Symptomen bei den Behörden zu melden. Als klar wurde, dass diese Praxis zu einem raschen Anstieg der Fallzahlen führte, reagierte die Regierung sofort und griff zum Mittel der Zwangsquarantäne: Jeder Einreisende ohne Symptome muss seit Mitte März in eine 14-tägige häusliche Selbstisolation; diejenigen, die bei Ankunft in Taiwan bereits Symptome zeigen, kommen aus dem Flughafengebäude gar nicht erst heraus. Allmählich gingen die Fallzahlen wieder zurück. Derzeit hat Taiwan die Infektionsketten unter Kontrolle und kann sich auf das für die Epidemiebekämpfung so wichtige individuelle tracking konzentrieren.

Die Medienstrategie der Regierung ist klug dosiert: Durch eine umfassende und transparente Berichterstattung vor allem im Fernsehen wurde die ohnehin durch die Sars-Erfahrung sensibilisierte Bevölkerung in eine kontrollierte Krisenstimmung versetzt. Der permanent über die Medien verbreiteten Aufforderung, Mundschutz zu tragen, auf die Handhygiene zu achten und nach Möglichkeit Abstand zu anderen zu halten, leisteten die Taiwaner ohne Murren Folge. Dem rasch auftretenden Engpass bei der Versorgung mit Masken begegnete die Regierung im Februar mit Maßnahmen zur inländischen Herstellung und förderte Unternehmen finanziell, die ihre Produktionslinien umstellten. Auch das Militär und Gefängnisse wurden in die Pflicht genommen, Mundschutzmasken zu produzieren. 

Freiwillig und diszipliniert

Was den Beobachter fasziniert, ist die Disziplin, mit der die Taiwaner den Anweisungen ihrer Regierung folgen. Das Tragen von Masken gehört zum Alltagsbild. Auch ohne offiziellen Lockdown bleiben die Menschen lieber zu Hause und bremsen das Virus damit aus. Somit ist zwar auch die taiwanische Wirtschaft negativ von der Krise betroffen und bedarf der staatlichen Hilfe – aber doch längst nicht in dem Ausmaß, wie das für die meisten Staaten der industrialisierten Welt gilt. 
Sicher ist, dass die allgemein große Sensibilisierung der Bevölkerung für Krisen, die vom chinesischen Festland ihren Ausgang nehmen, der politischen und militärischen Bedrohung Taiwans durch die Volksrepublik China geschuldet ist. Daraus entsteht eine besondere Wachsamkeit, die die Taiwaner zu einer engen Kooperation mit ihrer politischen Führung veranlasst. Dass diese Führung demokratisch gewählt ist und eine vorbildliche Transparenz bei der Begründung ihrer Maßnahmen übt, stärkt das öffentliche Vertrauen zusätzlich. Die Krisenpläne erlauben ein stetiges Nachjustieren der Maßnahmen, und ein modernes, allen zugänglichen staatliches Gesundheitssystem ermutigt jeden Bürger, seine Symptome sofort zu melden und sich dem Quarantäneregime bereitwillig zu unterwerfen.
Vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen und technologischen Möglichkeiten sowie seines vorbildlichen Krisenmanagements ist es unverständlich, dass Taiwan eine Mitgliedschaft in der Weltgesundheitsorganisation verwehrt bleibt. Diese sollte nicht an die Voraussetzung einer formalen Staatlichkeit gebunden sein – der Hauptgrund für den entschlossenen Widerstand der Volksrepublik China gegen eine Zulassung ihrer "Renegatenprovinz". So wird die Bekämpfung einer die gesamte Menschheit bedrohenden Epidemie durch die Spannungen zwischen der Volksrepublik China und Taiwan in unverantwortlicher Weise politisiert und erschwert.



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen