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Platz der Korrupten Republik
Berlin
Was sich am Vormittag des 17. März im Plenarsaal des Reichstagsgebäudes abspielt, fasst der CDU-Abgeordnete Norbert Röttgen (seit 1994 Mitglied des Deutschen Bundestags) in einem wütenden Satz zusammen: „Das war heute der würdeloseste Moment im Bundestag, den ich je erlebt habe.“
Dabei ging die 21. Sitzung im Hohen Haus ehrenvoll los. Mit stehendem Applaus begrüßen die Abgeordneten gegen 9.15 Uhr den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. In den Tagen zuvor hat er sich bereits in Live-Schalten aus dem umkämpften Kiew an den amerikanischen Kongress in Washington, das kanadische Parlament in Ottawa und das britische Unterhaus in London gewandt. An diesem Donnerstag ist Berlin an der Reihe. Die Botschaften variieren im Detail, im Kern aber sind sie identisch: Helft uns. Selenskyi verlangt Taten, nicht nur warme Worte. So auch in der deutschen Hauptstadt.
„In Europa gibt es wieder eine Mauer“, sagt er, die „steht zwischen uns. Lieber Herr Bundeskanzler Scholz, zerstören Sie diese Mauer. Geben Sie Deutschland die Führungsrolle, die Deutschland verdient.“
Selenskyj spricht damit ein Schisma an, das in Europa nicht mehr zu übersehen ist. Die Haltung der Bundesregierung in der aktuellen Lage ist, sich auf keinen Fall in die militärische Auseinandersetzung hineinziehen zu lassen. Die Haltung in Kiew, aber offenbar auch zunehmend in Warschau und den Hauptstädten der baltischen Staaten ist offenbar eine andere. Sie lautet: Wir sind in dieser kriegerischen Auseinandersetzung längst drin.
Eindringlich beschreibt Selenskyj, was der Krieg konkret bedeutet. Russland bombardiere „Wohnhäuser, Krankenhäuser, Schulen, Kirchen, alles. Mit Raketen, mit Luftbomben, mit Artillerie. In drei Wochen sind sehr viele Ukrainer gestorben, Tausende. Die Besatzer haben 108 Kinder getötet, mitten in Europa, bei uns im Jahre 2022.“
Nach zehn Minuten beendet er seine Rede mit den Worten: „Es lebe die Ukraine!“. Er winkt noch mal kurz, dann muss er wieder in den Krieg. Die Abgeordneten des Bundestags erheben sich erneut und applaudieren wieder.
Das alles hätte ein großer Moment in der Geschichte des deutschen Parlamentarismus werden können. Stattdessen wird die Sitzung vom 17. März wohl als Tiefpunkt deutscher Debattenkultur in Erinnerung bleiben. Denn: Eine Debatte über Selenskyjs ebenso flehentliche wie kluge Rede findet gar nicht statt.
Göring-Eckardt leitet direkt zur Tagesordnung über
Stattdessen gratuliert Vizepräsidentin Göring-Eckardt zwei Parlamentariern zum 60. Geburtstag. Sie verkündet ein paar Ausschussbesetzungen und möchte dann schnurstracks zum nächsten Thema überleiten: der Impfpflicht. Nun herrscht nicht nur Unruhe, sondern Empörung im Saal, vor allem bei der Union.
FDP-Chef Christian Lindner gab am Abend zu, es sei falsch gewesen, nach Selenskyjs Rede einfach zur Tagesordnung überzugehen. „Das war im Nachhinein ein Fehler. Man hätte die Sitzung unterbrechen müssen“, sagte der Bundesfinanzminister dem WELT-Nachrichtensender. Er habe die Situation als bewegend empfunden und müsse sagen: „Es wäre angemessen gewesen, wenn es wie in anderen Parlamenten, wie zum Beispiel im amerikanischen Kongress, nach der Rede des ukrainischen Präsidenten eine Pause, eine Sitzungsunterbrechung gegeben hätte, um das auch zu verarbeiten und einzuordnen.“
Sichtbar wurden am Donnerstag im Bundestag nicht
Solidarität, Respekt und Verbundenheit, sondern eine dysfunktionale europäische
Beziehung. In den Geschichtsbüchern wird über den 17. März im Bundestag wohl
einst stehen, dass der ukrainische Präsident zwischen Bombenangriffen auf Kiew
einen flammenden Appell an die Berliner Republik vorgetragen hat – und die
Vizepräsidentin des deutschen Parlaments anschließend Geburtstagswünsche
verlas. (WELT)
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Herrn Röttgen (seit 1994 Mitglied des Deutschen Bundestags), der in einem wütenden Satz zum Ausdruck brachte: „Das war heute der würdeloseste Moment im Bundestag, den ich je erlebt habe.“ , muss nachgeholfen werden, um sein Gedächtnis aufzufrischen.
Nach dem Staatsakt im Bundestag für die deutschen Opfer des Tsunami-Massakers Weihnachten 2004 am 20. Januar 2005 (s. Anhang), das kausal auch aufgrund des kollektiven Staatsversagens Deutschland zustande kam, befasste sich der Bundestag an jenem Tag anschließend mit der... Gültigkeit von Angler-Führerscheinen. Das war, Herr Röttgen, der würdeloseste Moment im Bundestag, den ich je erlebt habe, ein moralischer Bankrott.
Übrigens: Der Bundestag befasste sich (auch nach meiner Petition) mitnichten mit der Anatomie dieser größten humanitären Katastrophe Deutschlands seit dem Ende des Krieges, die über 550 Menschenlaben kostete; nichts wurde sachlich aufgearbeitet, alles vertuscht; kein Tsunami-Untersuchungsausschuss wurde eingesetzt, um die Umstände des menschengemachten Desasters mit Hunderten deutschen Opfern auszuleuchten; kein Tsunamiopfer-Hilfsfond wurde eingerichtet, um den bedürftigen deutschen Opfern in ihrer dramatischen Lage zu helfen. Seitdem hat sich ein Spruch über die deutschen Politiker eingebürgert, der bis heute vollumfänglich gilt: POLITIKER OHNE MORAL IM PARLAMENT DER SCHANDE.
Jerzy Chojnowski
Chairman-GTVRG e.V.
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ANHANG
Staatsakt
für die Flutopfer
"Wir
trauern um die Toten"
Sichtlich
bewegt haben Angehörige, Politiker und Vertreter von Hilfsorganisationen mit
einem Staatsakt der Zehntausenden Opfer der Flutkatastrophe in Südasien
gedacht. Neuesten Schätzungen zufolge kamen in der Flut 226.000 Menschen ums
Leben. "Diese Katastrophe hat uns alle tief getroffen", sagte Bundespräsident
Horst Köhler.
20.01.2005,
14.59 Uhr
Bundespräsident
Köhler: Beileid für die Angehörigen und Freunde der Opfer Foto: DDP
Berlin - "Vielleicht ist es den Angehörigen und Freunden der Opfer, die sich in ihrem Schmerz hilflos und allein fühlen, ein Trost, dass wir an sie denken und mit ihnen trauern", sagte Köhler in der Gedenkstunde im Bundestag. Die Katastrophe, die abertausende Bindungen zwischen Menschen zerrissen habe, habe "uns alle tief getroffen". "Viele, die wir jetzt noch vermissen, kehren wohl nicht in ihre Heimat zurück. Von vielen werden wir nicht einmal wissen, wo sie geblieben sind." Köhler versicherte, es werde versucht, möglichst das Schicksal aller Vermissten aufzuklären: "Was getan werden kann, um Gewissheit zu bekommen, das wird getan."
Die Katastrophe biete auch die Chance auf eine größere weltweite Solidarität und auf eine Lösung regionaler Konflikte, sagte der Bundespräsident. "Ich denke, die Zeit ist gekommen, neu über die Zusammenarbeit der Staatengemeinschaft nachzudenken - und auch über die Hilfe für arme Länder insgesamt." Nötig sei eine "Weltinnenpolitik". Die Menschen hätten begriffen: "Wir alle gehören zusammen. Wir leben in einer Welt." Dazu habe auch die Berichterstattung beigetragen und die Tatsache, dass ein Teil der betroffenen Regionen touristische Ziele seien. "Wir sehen unsere Welt neu, wir entdecken Partnerschaften mit entfernten Regionen, und wir schöpfen so neue Kraft zum Handeln. Das gibt Hoffnung. Und das macht Mut."
Durch
die Ende Dezember durch ein Seebeben ausgelöste Flutkatastrophe in Südasien
kamen mehr als 226.000 Menschen ums Leben, darunter viele Touristen. Am stärksten
betroffen waren Indonesien, Sri Lanka, Indien und Thailand. Nach Angaben des
Auswärtigen Amtes sind weiterhin 60 Deutsche als tot identifiziert. 583
Deutsche sind bei der Polizei noch als vermisst gemeldet. Es müsse aber damit
gerechnet werden, dass die Zahl der tatsächlich Vermissten am Ende höher liegen
werde. An dem im Fernsehen übertragenen Staatsakt nahmen Angehörige von Opfern
der Flutkatastrophe und die Botschafter der betroffenen Länder teil. Im
Anschluss an den Staatsakt wollte sich Köhler mit Angehörigen der ums Leben
gekommenen Bundesbürger treffen. Am 9. Januar hatte es im Berliner Dom einen
zentralen Gedenkgottesdienst gegeben.
https://www.spiegel.de/panorama/staatsakt-fuer-die-flutopfer-wir-trauern-um-die-toten-a-337749.html
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