Soviel hat Deutschlands High-Tech anzubieten: MÜLL!
Jerzy Chojnowski
Chairman-GTVRG e.V.
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Wieso deutscher Müll eben doch im Meer landet
Jeannette Cwienk/DW, 25. Januar 2019
Viel zu selten werden Abfälle wiederverwertet. Das sagen
sogar Vertreter der Recycling-Branche. Plastikmüll wird massenhaft nach Asien
exportiert, wo er - oft illegal - verklappt wird. Aktueller Hotspot ist
Malaysia.
© Bereitgestellt von Deutsche Welle Eine Müllsammlerin sucht
auf einer Halde auf der indonesischen Insel Java nach importiertem
Plastikabfall
"Der Brotaufstrich für die ganze Familie" steht
auf einem ausgeblichenen gelben Plastikdeckel. Gefunden haben ihn Mitglieder
der Umweltorganisation Greenpeace auf einer riesigen Mülldeponie in Malaysia.
Rund 10.000 Kilometer Luftlinie trennen den Plastikdeckel nun von der deutschen
Mülltonne, in die er wohl einmal geworfen wurde. Vermutlich in gutem Glauben,
dass er doch recycelt, also wiederverwertet werde.
Stattdessen: von Deutschland nach Malaysia. Hat das deutsche
Recyclingsystem also versagt? "Es versagt insofern, als es nicht wirklich
allen Plastikmüll, den es einsammelt, auch recycelt"", sagt Manfred
Santen, Diplom-Chemiker und Experte für Plastikmüll bei Greenpeace. Die
Deutschen sind zwar Weltmeister im Trennen. Aber nicht alles, was im Gelben
Sack landet, wird auch wiederverwertet. Häufig wird es nur verbrannt."
Statistiken zufolge, sagt Santen, würden davon höchstens 15 Prozent
wiederverwertet.
"Utopische Recyclingquoten"
Offiziell liegt die Wiederverwertungsquote bei 36 Prozent.
Doch Kritiker sprechen von einem "Schönrechnen". Laut dem neuen
Verpackungsgesetz sollen bis zum Jahr 2022 in Deutschland sogar 63 Prozent
aller Kunststoffabfälle wiederverwertet werden. Doch das hält Peter Kurth,
Geschäftsführer des Verbandes der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und
Rohstoffwirtschaft (BDE), für utopisch: "Mit jedem Zalando- oder
Amazon-Paket landen billigste Materialien in deutschen Mülltonnen. Aber Firmen,
die Kunststoffe herstellen, nehmen Rezyklate nur dann, wenn sie preislich und
qualitativ mit Rohöl mithalten."
© Reuters/L. Seng Sin Landet hier auch Plastikmüll aus
Deutschland? Eine
illegale Recycling-Fabrik im malaysischen Jenjarom
Kurth ist ein glühender Recyclingbefürworter. Wenn er von
hochwertigen Plastikfolien spricht, die sich hervorragend wiederverwerten
lassen, schwingt Begeisterung in seiner Stimme. Kurth streitet gar nicht ab,
dass es Probleme in der Kreislaufwirtschaft gibt. Deren Kern sei aber nicht das
deutsche Recyclingsystem an sich, sondern das verwendete Plastik, vor allem die
Verwendung verschiedener Kunststoffe in einem Produkt: "Wenn eine einzige
Verpackung aus 20 bis 30 verschiedenen Materialien besteht, dann ist Recycling
teuer und die Endprodukte lassen sich kaum verkaufen."
Südostasien, Mülldeponie des Westens
Was nicht wirtschaftlich recycelt werden kann, werde zum
großen Teil verbrannt, etwa in Anlagen der Chemie- oder der Zementindustrie,
sagt Kurth, wo sie als Ersatzbrennstoff immerhin noch Öl und Gas ersetzten. Es
gibt aber mehr Plastikabfall, als alle Zement- und Chemieanlagen in Deutschland
benötigen. Was in Deutschland keine Abnehmer findet, sagt Kurth, das werde nach
Asien verkauft.
Noch vor zwei Jahren wäre der gelbe Brotaufstrich-Deckel
vermutlich in China gelandet. Dort hatte man jahrelang Müll aus westlichen
Staaten importiert, um daraus Rohstoffe zu gewinnen. Doch im Dezember 2017
legte Peking eine strenge Verunreinigungsgrenze für Plastikabfall fest und
importiert seitdem nur noch hochwertige Kunststoffabfälle. Das kam einem
Importstopp gleich, auch für deutschen Plastikmüll.
Wurden 2017 aus Deutschland noch mehr als 340.000 Tonnen
Kunststoffabfälle nach China verschickt, waren es 2018 nach Schätzungen des BDE
nur noch 16.000 Tonnen - ein Rückgang um 95 Prozent. Nach Zahlen des
Statistischen Bundesamts schnellten Anfang 2018 die Exporte deutscher
Plastikabfälle nach Indien, Malaysia und Indonesien dafür deutlich in die Höhe.
Lungenkrank durch Müllverbrennung
Laut Greenpeace landeten in Malaysia allein von Januar bis
Juli 2018 rund 754.000 Tonnen weltweiter Plastikabfälle. Größter Mülllieferant
sind demnach die USA mit mehr als 195.000 Tonnen; es folgen Japan und
Großbritannien. An vierter Stelle: Deutschland mit gut 72.000 Tonnen.
Zwar würden legale Kunststoffimporte auch in Malaysia
sortiert, vielfach aber landeten selbst hochwertige Kunststoffe auf Müllhalden,
sagt Greenpeace-Chemiker Santen: "In diesen Ländern besteht eben keine
wirkliche Müllwirtschaft." Die Deponien seien meistens ungesichert, bei
Stürmen oder starken Regenfällen gelange Material unkontrolliert in die Umwelt,
und damit oft auch ins Meer.
Laut Greenpeace wird zudem ein erheblicher Teil das Plastik
in Malaysia von nicht zugelassenen Betrieben abgenommen, die die Abfälle in
verlassenen Gebäuden und improvisierten Deponien lagern, zwischen Garnelen- und
Fischfarmen vor sich hindümpeln lassen oder illegal im Freien verbrennen. Oft
geschehe dies in der Nähe von Wohngebieten, deren Bewohner nicht nur über
beißende Gerüche klagten, sondern immer häufiger unter Atemwegs- und
Lungenerkrankungen litten.
© Getty Images/U. Ifansasti Gefahr für Mensch und Umwelt:
Dort, wo es keine Müllwirtschaft gibt, wird Plastik mitunter illegal im Freien
verbrannt
Lokale Müllentsorgung - nötig oder unmöglich?
Die Umweltorganisation fordert deswegen von der deutschen
Recyclingwirtschaft, die Kapazitäten so zu erhöhen, dass alles was hier
anfällt, auch hier verarbeitet werden kann, erklärt Müllexperte Santen.
Jenseits der Umwelt- und Gesundheitsgefahren, die die Kunststofftransporte in
Asien verursachten, sei es außerdem ganz und gar nicht nachhaltig, den
Plastikmüll um die halbe Welt zu verschiffen.
BDE-Geschäftsführer Kurth widerspricht. Zwar schmerze es ihn
"fast physisch", deutsches Plastik auf asiatischen Deponien zu sehen.
Ein Exportverbot sei dennoch nicht statthaft: "Wir verkaufen Schrott,
Altpapier, Altglas und eben auch Plastikabfälle - wollen Sie das in jedem Land
einer eigenen Recyclingindustrie zuführen? Die haben kleine Länder gar
nicht." Bei Sekundärrohstoffen auf nationale Grenzen zu beharren, während
Primärrohstoffe ganz selbstverständlich auf der ganzen Welt gekauft würden, sei
ein grundlegend falsches Verständnis vom Recycling, empört sich Kurth.
Hersteller und Politik in der Pflicht
In einem anderen Punkt sind sich Greenpeace-Mann Santen und
der BDE-Chef einig: Die gesamte Verpackungsindustrie mit ihren vielen
Wegwerfprodukten müsse neu überdacht werden. "Firmen wie Nestlé oder
Unilever überschwemmen Südostasien mit sogenannten Tagesrationen ihrer
Produkte, in Tütchen zur Einmalbenutzung - wohl wissend, dass es dort keine
vernünftige Müllentsorgung gibt", sagt Santen. "Die gelangen dann als
Müll in die Umwelt."
Von der Politik erwarte Greenpeace, dass sie die
Plastikproduktion eindämmt. Der Fünf-Punkte-Plan von Bundesumweltministerin
Svenja Schulze für weniger Plastikmüll verfolge zwar eine "gute
Absicht". Das Problem aber sei, dass dieser auf freiwillige Initiativen
der Industrie setzt, sagt Santen: "Und ob das wirklich klappt, wagen wir
zu bezweifeln."
BDE-Chef Kurth appelliert direkt an die Unternehmen:
"Ich wünsche mir, dass die Kunststoffindustrie mit Materialien arbeitet,
die recyclingfähig sind oder aus einem Recyclingprozess stammen - zumindest
überwiegend." Auf anderes, wie den schwer recycelbaren schwarzen
Kunststoff, solle ganz verzichtet werden. Besonders der Handel habe dabei eine
Steuerfunktion, meint Kurth: "Wenn der Einzelhandel sagt, 'bestimmte Dinge
nehme ich nicht mehr ins Sortiment', dann dauert es zwei Tage und die
Lieferanten haben umgestellt."
"Es gibt einen Bewusstseinswandel"
Und wir Verbraucher? Klar, auch die seien gefragt, sagen
Entsorgungsfachmann und Umweltschützer einhellig. Aber wenn das Angebot
überwiegend aus Wegwerfmaterial bestehe, habe der Verbraucher wenig Chancen,
findet Santen. Dennoch gebe es derzeit einen Bewusstseinswandel. "Immer
mehr Menschen sehen, welche Ausmaße dieser Plastikverbrauch hat, wie sehr die
Umwelt vermüllt und wie sehr die Meere verdreckt werden", sagt Santen.
"Ich denke, dadurch ändern sich die Verhaltensweisen der Verbraucher. Und
ich hoffe, dass wir dadurch perspektivisch des Plastikmülls doch noch Herr werden."
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