Rechtsextremismus
bei der Polizei
Bei NRW-Polizisten waren in den vergangenen Monaten zahlreiche Hinweise auf eine rechtsextreme Gesinnung entdeckt worden. Auf mehreren beschlagnahmten Datenspeichern war das verbotene Horst-Wessel-Lied gefunden worden. Dabei handelt es sich um das Kampflied der SA und die spätere Parteihymne der NSDAP.
Ein Beamter soll Fotos von Weihnachtsbaum-Kugeln mit SS-Runen und «Sieg Heil»-Aufschrift gepostet haben. Bei einem anderen Beamten waren Fotos mit einem Hakenkreuz entdeckt worden, das aus Dienstmunition gelegt worden war.
Ein Polizist habe sich in Uniform auf zwei Streifenwagen stehend dabei fotografieren lassen, wie er den Hitler-Gruß zeigte. Es waren auch Musikdateien von indizierten rechtsradikalen Bands entdeckt worden. Zum Christchurch-Anschlag, bei dem ein Rechtsterrorist in Neuseeland 51 Menschen tötete, hieß es: «Zu viele Fehlschüsse.» (dpa)
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Die Chatgruppe trug den Namen „Kunta Kinte“. Darin tauschten Polizisten aus Polizeiwache Mülheim/Ruhr rechtsextreme, menschenfeindliche und rassistische Inhalte aus. „Kunta Kinte“ ist der Name eines schwarzafrikanischen Sklaven aus dem Roman „Roots“. In einem Post ging es um den Terroranschlag auf zwei Moscheen im neuseeländischen Christchurch, bei dem ein Rechtsextremer 51 Menschen tötete. „Zu viele Fehlschüsse“, lautete der Kommentar. Auf einem Gruppenfoto ließen sich die Polizisten der „Dienstgruppe A“ vor einem Hakenkreuz ablichten.
Wie
stark sind die rechtsextremen Tendenzen bei der Polizei? NRW-Innenminister
Herbert Reul (CDU) hat dazu am Donnerstag ein erstes Lagebild vorgestellt.
Nachdem vor einem halben Jahr in Mülheim/Ruhr eine Gruppe von Polizisten
aufgeflogen war, die Chatnachrichten mit schwer erträglichen Inhalten
verschickt hatten, hatte Reul das Thema zur Chefsache gemacht und einen
Sonderbeauftragten installiert. Der frühere Verfassungsschützer Uwe
Reichel-Offermann leitet eine Stabsstelle mit fünf Mitarbeitern. Sie sollen
aufdecken, wie verbreitet rechte Parolen, Ausländerhetze und die Glorifizierung
des NS-Regimes in den Wachen und Amtstuben tatsächlich ist.
Bislang
gingen bei den Beamten 251Hinweise auf Polizisten mit einem auffälligen Gebaren
ein. In dem Lagebild, das den Zeitraum bis Ende 2020 erfasst, werden 170
verdächtige Polizisten genannt. Mehr als 80 Prozent von ihnen sind Männer,
viele sind jünger als 30 Jahre alt. Besonders verbreitet sind rechte Haltungen
im Bereich Gefahrenabwehr und Einsatz, als der „24-Stunden¬-Polizei“. 59
Prozent der Hinweise beziehen sich auf Polizisten, die im Streifendienst,
Einsatztrupps oder im Bezirksdienst unterwegs sind. Elf Prozent der Fälle betreffen
Kriminalbeamte. Laut Lagebild handelt es sich bei den Verdachtsfällen ganz
überwiegend um Beamte, die keine Führungsaufgaben wahrnehmen.
Am
häufigsten verbreitet ist Rassismus
Bei
den untersuchten Vergehen und Straftaten steht Vorwurf des Rassismus mit 125
Fällen an Platz eins. Es folgen die Verherrlichung des Nationalsozialismus (95
Fälle), Antisemitismus (66 Fälle) und Gewaltverherrlichung (62 Fälle). Eine
Nähe zu Reichbürgern sollen 13 Beamte haben. Die Haltungen wurden ganz
überwiegend nicht im persönlichen Umgang, sondern digital geäußert. Nach der
Polizeibehörde Essen, zu der Mülheim/Ruhr gehört, wurde eine Häufung von Fällen
in weiteren Großbehörden registriert.
Vier
Polizisten hatten Kontakt zu rechtsextremen Organisationen
Bei
den untersuchten Rassismusvorwürfen steht Essen (47 Fälle) auf Platz eins, es
folgen Aachen (19 Fälle), Köln (12 Fälle) und Dortmund (10 Fälle). Die Mehrzahl
der insgesamt Betroffenen verfüge aber nicht über ein „in sich geschlossenes
rechtsextremistisches Weltbild“, heißt es in dem Lagebild. Bei den Chatgruppen
handele es sich vielmehr um „innerdienstliche Gesinnungsgemeinschaften.“
„Konspirative und handlungsorientierte“ rechtsextremistischen Netzwerke seien
nicht nachgewiesen worden, hieß es. Bei den Ermittlungen waren allerdings auch
vier Mitarbeiter von NRW-Sicherheitsbehörden mit Kontakten zu rechtsextremen
Organisationen und einer als Mitglied einer rechtsextremen Gruppe entdeckt
worden.
Die
"Dienstgruppe A" war auch schwulenfeindlich
Ein
Bericht über die die Sonderinspektion der Polizeibehörde Essen, der jetzt
ebenfalls veröffentlicht wurde, kommt zu dem Ergebnis, dass die Aktivitäten der
„Dienstgruppe A“ in ihrem Umfeld hätten auffallen müssen. Gemeldet wurde
allerdings nichts. In den Chats war auch Sexistische und Homophobe Inhalte
entdeckt worden.
Polizisten,
die schon lange im Polizeidienst Dienst sind, kommen oft mit Verwarnungen und
anderen Disziplinarmaßnahmen davon. Anders sieht das bei den Kommissaranwärtern
aus, die noch in der Ausbildung sind. Von ihnen wurden sechs entlassen. Es
würden noch eine Reihe weiterer Verfahren gegen Polizeibeamte geführt mit dem
Ziel, sie aus dem Dienst zu entfernen, sagte Reichel-Offermann.
Reul:
Insgesamt ist die Lage "nicht so schlimm wie befürchtet"
Innenminister
Reul zeigte sich mit den vorläufigen Ergebnissen des Lagebilds relativ
zufrieden. Jeder einzelne Fall sei „ein Drama“, aber insgesamt sei die Lage
„eigentlich nicht so schlimm“, wie er ursprünglich befürchtet habe. Die
Dimension sei „zu groß, aber nicht so groß, dass man von einem Problem in der
ganzen Polizei“ reden müsse.
Das
NRW-Innenministerium will den Abschlussbericht zum Rechtsextremismus bei der
Polizei im September vorstellen. Im Kampf gegen rechte Tendenzen setzt das
Innenministerium jetzt auch eine stärken Dialog und die eine verbesserte
Reflektion von problematischen Einsatzlagen. Supervisionen sollen den
Polizisten die Möglichkeit eröffnen, „berufliche Belastungen, Haltungen und
Verhaltensweisen zu erörtern und zu reflektieren“, hieß es im NRW-Innenministerium.
Gerhard Voogt
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