Mit Verweis auf die Wörter der Jahre 2018 (verjudet), 2019 (Judenterror), 2020 (Judengestapo) und 2021 (Judeokratie), deren Wahl zum Wort des Jahres samt ihrer Begründung in diesem Blog zu finden sind, wählen wir nun zum prägenden Wort des Jahres 2022 das Wort JUDENDIKTATUR, das in etwa dieselbe Bedeutung hat wie Judeolinksfaschismus alias jüdischer Linksfaschismus alias Rotfaschismus alias Judeobolschewismus alias jüdischer Bolschewismus.


Aufgrund der in Deutschland und woanders herrschenden Judendiktatur und ihrer verheerenden Auswirkungen auf Staat und Gesellschaft ist die diesjährige Wahl des Wortes des Jahren uns genauso unschwer gefallen, wie es schon in den vergangenen Jahren der Fall war.

Ergänzend verweisen wir noch auf  die folgenden Artikel unter den Links:






Jerzy Chojnowski
Chairman-GTVRG e.V.






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Jüdischer Bolschewismus

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Propagandaplakat antisemitischer Gegenrevolutionäre der sogenannten Weißen Bewegung aus dem Jahr 1919: Leo Trotzki, Gründer und Oberbefehlshaber der Roten Armee als roter Teufel auf der Kreml-Mauer; unten sind chinesische Rotarmisten bei der Durchführung von Massenerschießungen dargestellt. Die Bildüberschrift lautet: „Friede und Freiheit im Sowjetland“.[1]

Jüdischer Bolschewismus oder Judäo-Bolschewismus ist ein von Kommunismusgegnern im Zusammenhang mit antisemitischer Polemik häufig benutztes Schlagwort. Es wurde zuerst nach 1917 von gegen die Oktoberrevolution opponierenden Kreisen in Russland – vor allem im Kontext des bis 1920/21 andauernden dortigen Bürgerkriegs – verbreitet und war in der Nachwirkung des Ersten Weltkriegs auch im restlichen Europa und in Nordamerika in der entsprechenden Propaganda angewendet worden.

Große Bekanntheit erlangte die pejorativ konnotierte Begriffskombination, die eine pauschale Identitätsgemeinschaft von Juden mit Kommunisten implizieren sollte, vor allem durch Reden und Schriften in Deutschland während der Diktatur des Nationalsozialismus ab 1933 – insbesondere von Adolf Hitler und Heinrich Himmler – sowie durch Befehle der Generalität der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg, speziell zu dem als Vernichtungsfeldzug gegen die Sowjetunion geplanten und 1941 begonnenen Deutsch-Sowjetischen Krieg („Unternehmen Barbarossa“).

Hintergrund

Die Verschwörungstheorie schien bis zu einem gewissen Grad plausibel, da es unter den Anführern der Bolschewiki viele Juden bzw. Menschen jüdischer Herkunft gab, so etwa Trotzki (eigentlich Lew Dawidowitsch Bronstein), Lew Borissowitsch Kamenew (eigentlich Leo Rosenfeld) oder Grigori Jakowlewitsch Sokolnikow (eigentlich Hirsch Jankelewitsch Brilliant).[2] Von 1919 bis 1921 lag der jüdische Anteil unter den Mitgliedern des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Russlands (Bolschewiki) konstant bei ungefähr einem Viertel. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung betrug dagegen etwa 4 %.[3] In Wahrheit unterstützte nur eine Minderheit der russischen Juden die Bolschewiki. Die Wahlen des Jahres 1917 zeigen, dass sie mehrheitlich für zionistische oder demokratische sozialistische Parteien stimmten wie die Menschewiki und die Sozialrevolutionäre.[2] Der amerikanische Historiker Richard Pipes formuliert: „Während nicht wenige Kommunisten Juden waren, waren nur wenige Juden Kommunisten.“[4] Der Historiker Arno J. Mayer schätzt, dass Juden Mitte der 1930er Jahre in der sowjetischen Bürokratie und im Parteiapparat der KPdSU leicht überproportioniert waren; in der Roten Armee waren vier Prozent der Offiziere und acht Prozent der Politkommissare jüdischer Herkunft.[5]

Der deutsche Historiker Gerd Koenen betont, dass es „einen ‚jüdischen Bolschewismus‘ als sozialkulturelles Phänomen […] natürlich gegeben“ habe. Dabei bezieht er sich auf den amerikanischen Historiker Yuri Slezkine, der von einem „großen Bündnis zwischen jüdischer Revolution und Kommunismus“ schreibt. 1917 seien Juden bei den Bolschewiki mit 5 % zwar weniger vertreten gewesen als bei den anderen sozialistischen Parteien, doch sei diese Zahl während des Bürgerkriegs nach oben geschnellt, nicht zuletzt wegen der klaren Positionierung der Partei gegen jeden Antisemitismus. Bereits 1918 hatte der Rat der Volkskommissare der RSFSR ein Dekret über die Ausrottung der antisemitischen Bewegung erlassen, das alle Agitatoren und Teilnehmer an Pogromen außerhalb des Gesetzes stellte. Erst nach Parteisäuberungen 1922 ging ihr Anteil wieder auf 5 % zurück. In absoluten Zahlen habe es nie mehr als 60.000 jüdische Kommunisten in Sowjetrussland gegeben, bei einem Parteikader von einer Million und einer Gesamtbevölkerung von 140 Millionen. Zudem hätten sich die kommunistischen Juden nicht mehr als Juden verstanden, sondern mit ihrem Parteieintritt gerade ihre Emanzipation vom eigenen Judentum angestrebt. Gleichwohl seien die sowjetischen Geheimdienste und die Intelligenzija lange jüdisch geprägt gewesen. Diese seien gegen andere Juden vorgegangen, etwa gegen jüdische Profiteure der NEP, gegen die Schtetl-Kultur und die jüdische Religion im Zuge der Zwangskollektivierung in der Sowjetunion ab 1929 sowie gegen jüdische Altbolschewiki in der Großen Säuberung der 1930er Jahre. Erst mit den antisemitischen Kampagnen der späten Stalin-Zeit habe das besondere Verhältnis zwischen sowjetischen Juden und ihrem Staat ein Ende gefunden.[6]

Vorgeschichte im revolutionären Russland

Dennoch setzten zahlreiche Gegner der Bolschewiki die Begriffe Jude und Bolschewik tendenziell gleich: Nach dem Juliaufstand 1917 veröffentlichte die Provisorische Regierung unter Alexander Fjodorowitsch Kerenski eine Liste mit Verhafteten, die großenteils deutsch oder jüdisch klingende Namen trugen: Dadurch sollte der Eindruck erweckt werden, die ganze Partei der Bolschewiki bestehe nur aus deutschen Juden. Es wurde auch gestreut, dass Lenin selbst in Wahrheit ein Jude mit Namen Zederblum wäre. Diese Legende war weit verbreitet, auch wenn sie sich letztlich nicht durchsetzen konnte.[7] Nachdem die Bolschewiki in der Oktoberrevolution die Macht ergriffen hatten, wurde der Widerstand gegen sie zunehmend antisemitisch überformt. Dabei knüpften die Gegner an antijüdische Feindbilder der spätzaristischen Zeit an, wie sie in den Protokollen der Weisen von Zion ausgemalt wurden. In diesen Vorstellungen wurde eine kollektive Identität „der“ Juden konstruiert, in deren Interesse und von denen gesteuert die Bolschewiki handeln würden, um die christliche Zivilisation Russlands zu zerstören. Dabei würden sie sich eines Zangenangriffs bedienen, denn der westliche Kapitalismus, der dem sowjetischen Experiment in Wahrheit feindlich gegenüberstand, habe dasselbe Ziel und sei gleichfalls vom „Weltjudentum“ gesteuert.[8]

Im Russischen Bürgerkrieg war die Idee, hinter den Sowjets würden in Wahrheit Juden stecken, unter den Anhängern der Weißen weit verbreitet. Sie warfen den Juden vor, die Ermordung der Zarenfamilie veranlasst zu haben und letztlich die Weltherrschaft anzustreben. Das war Motivation für zahlreiche Pogrome dieser Zeit, bei denen über 100.000 Juden ermordet wurden – wie der amerikanische Politologe Daniel Pipes schreibt, „wahrscheinlich die größte an Juden verübte Mordaktion vor dem Holocaust der Nazis“.[9] Als die unterlegenen Gegner der Bolschewiki nach West- und Mitteleuropa ins Exil gingen, brachten sie ihr Feindbild von den „jüdischen Bolschewiken“ und vom „Judäo-Bolschewismus“ mit.[10] Einer der wichtigsten Publizisten in diesem Prozess war der Deutsch-Balte Alfred Rosenberg, der später als Chefideologe der NSDAP hervortrat.[9]

Zwischenkriegszeit

Angelsächsische Länder

Die These, der Bolschewismus sei wesenhaft eine Erfindung oder ein Werkzeug der Juden, war zu Beginn der 1920er Jahre auch in Großbritannien und den Vereinigten Staaten verbreitet. Der amerikanische Botschafter in Russland David Rowland Francis meldete im Januar 1918 nach Washington, die meisten Führer der Bolschewiki seien Juden.[11] Auch der amerikanische Präsident Woodrow Wilson äußerte diesen Verdacht im Mai 1919 auf der Pariser Friedenskonferenz.[12] Antisemiten in den Vereinigten Staaten und Großbritannien griffen das Thema auf und verschafften ihm erhebliche Publizität. Die britische Verschwörungstheoretikerin Nesta Webster reihte in ihrem 1920 erschienenen Buch The French Terror and Russian Bolshevism erstmals die angeblich jüdischen Bolschewiki in die Riege atheistischer Verschwörer von den Freimaurern über die Illuminaten bis zu den Jakobinern ein, denen sie bis dahin die Schuld an der Französischen Revolution gegeben hatte; in späteren Büchern baute sie ihre Theorie einer jüdischen Weltverschwörung noch aus, wobei sie betonte, dass sie sich dabei nicht auf die Protokolle der Weisen von Zion stützte, sondern auf die Erkenntnis, dass Judentum und Kommunismus ein und dasselbe seien.[13] Da die Protokolle erstmals bereits 1902 erschienen waren, kam der Bolschewismus in der dort imaginierten Liste jüdischer Verbrechen nicht vor. 1922 veröffentlichte der Verlag der Britons, einer antisemitischen Gruppierung in Großbritannien, die Schrift The Jewish Bolshevism, die die jüdische Abkunft beziehungsweise die jüdischen Beziehungen der führenden Politiker der Sowjetunion nachzuweisen suchte. Das Vorwort stammte von Alfred Rosenberg.[14] Ihr Vorsitzender Henry Hamilton Beamish erklärte bündig, Bolschewismus und Judaismus seien identisch.[15]

Der amerikanische Autounternehmer Henry Ford verbreitete in seiner 1920 bis 1924 erschienenen Artikelserie Der internationale Jude die Verschwörungstheorien der Protokolle der Weisen von Zion, auf die er sich explizit berief. Außerdem behauptete er, der russische Bolschewismus und seine Ableger in den amerikanischen Gewerkschaften seien in ihrem Wesenskern jüdisch. Er spekulierte zum Beispiel über die Ähnlichkeit zwischen dem Davidstern und dem roten Stern der Sowjets oder versuchte nachzuweisen, in der russischen Revolution sei das jüdische Kapital von der Enteignung ausgenommen worden.[16] Sowohl Heinrich Himmler als auch Baldur von Schirach bezeugten, die Schrift habe großen Einfluss auf sie ausgeübt.

Auch Winston Churchill glaubte vorübergehend an die These vom jüdischen Bolschewismus. In einem Zeitungsartikel Februar 1920 orakelte er über eine „weltweite Verschwörung für den Umsturz der Zivilisation“, die seit den Illuminaten des 18. Jahrhunderts „der Ursprung jeder subversiven Bewegung im 19. Jahrhundert“ gewesen sei; und nun habe sie die Macht in Russland ergriffen.[17] In den Siegerstaaten des Ersten Weltkriegs blieb laut Robert Gerwarth die Verknüpfung von Bolschewismus und Judentum jedoch weitgehend gewaltfrei, im Gegensatz zu den Gebieten östlich der Elbe, wo sie zu Pogromen und Massenmorden führte.[18]

Frankreich, Italien und Spanien

Im spanischen Franquismus spielte der jüdische Bolschewismus wegen der geringen jüdischen Bevölkerung keine Rolle, sondern wurde in der weitverbreiteten Vorstellung von einer judäofreimaurerischen Verschwörung an die Freimaurerei gekoppelt. In Italien wurde die Präsenz von Juden im russischen Bolschewismus vor allem in La Civiltà Cattolica thematisiert, während sie in Frankreich ein Thema der gesamten rechten Presse war und am auffälligsten in den Äußerungen von Charles Maurras Gestalt annahm, der das „schreckliche Ungeziefer der Ostjuden“ in einigen Pariser Arrondissements meinte ausmachen zu können und in der Zeitung der Action française 1920 schrieb, dass sie „in Erwartung der Revolution Läuse, die Pest, den Typhus“ mitbrächten.[19]

Schweiz

In der Schweiz fand sich das Phantasma vom „Jüdischen Bolschewismus“ bereits kurz nach der Oktoberrevolution. Im diplomatischen und fremdenpolizeilichen Apparat sowie Teilen der bürgerlichen Presse wurden der Umsturz in Russland sowie die Revolutionen in Zentral- und Ostmitteleuropa 1918/19 als jüdisches Machwerk betrachtet.[20] Bereits zwei Wochen nach der Oktoberrevolution behauptete etwa der katholisch-konservative Walliser Bote, in Russland stehe nun „der Jude Lenin“ an der Spitze.[21] In der Folge wurden 1919 in mehreren „Russenzügen“ der Sympathie mit dem Bolschewismus verdächtige jüdische Russen ausgeschafft und Maßnahmen gegen die „ostjüdische“ Einwanderung ergriffen. Teile der konservativen Presse stellten ab 1920 die Protokolle der Weisen von Zion als authentisches Dokument dar und bezogen dieses auf den Bolschewismus.

Auch der Schweizer Landesstreik vom November 1918 wurde in „judeo-bolschewistische“ Verschwörungstheorien eingebaut.[22][23][24][25][26] Dabei wurde etwa behauptet, der führende Schweizer Sozialdemokrat Robert Grimm habe von Lenin (zu dem er in Wirklichkeit ein sehr gespanntes Verhältnis hatte) persönlich Instruktionen für den Landesstreik als Anfang einer kommunistischen Revolution in der Schweiz erhalten, die ihrerseits Teil einer jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung gewesen wäre. Solche Legenden stützten sich wesentlich auf vom exilrussischen Schriftsteller und Übersetzer Serge Persky, der in Zusammenarbeit mit dem französischen Nachrichtendienst antibolschewistische Propaganda betrieb, gefälschte und im Frühjahr 1919 publizierte Dokumente.[27][28][29][30][31] Demgemäss sei geplant gewesen, eine Sowjetschweiz unter Lenins jüdischem Vertrauensmann Karl Radek zu errichten. Eine grossangelegte Untersuchung der Bundesanwaltschaft ab November 1918 förderte keinerlei Belege für einen organisatorischen Zusammenhang zwischen Streikleitung und der ausgewiesenen Sowjetmission zu Tage und während des Landesstreikprozesses 1919 bezeichnete der Militärstaatsanwalt die Vorstellung, beim Streik habe „fremdes Geld“ eine Rolle gespielt, gar als „Legende“.[32]

Dennoch war der Negativmythos vom Umsturzversuch in der bürgerlichen Historiographie und Publizistik bis in die 1960er-Jahre prägend und wurde als politische Waffe gegen links verwendet.[33] Von großem Einfluss war die Broschüre Les troubles révolutionnaires en Suisse de 1916 à 1919, die der Militärpublizist Paul de Vallière 1926 veröffentlichte. De Vallière, später beim Armeepropagandadienst „Heer und Haus“ beschäftigt und 1945 wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern dort entlassen[34], behauptete, der „revolutionäre Streik“ sei im September 1918 von zumeist jüdischen Bolschewisten „im Prinzip in Moskau beschlossen“ worden.[35] Vor den Wahlen von 1928 publizierte der Katholisch-Konservative Josef Beck eine Kampfschrift mit dem Titel Wird der Sozi die Schweiz regieren?, in der er behauptete, jede Stimme für die Sozialdemokratie helfe dabei, „dass die Streikhäuptlinge von 1918 Bundesräte“ würden, und „die Schweiz ganz unter die geistige Führung der russischen Revolutionäre und Juden“ komme.[36] 1938 stellte der Film Die Rote Pest, der von rechten Kreisen um Altbundesrat Jean-Marie Musy und den nachmaligen SS-Obersturmbannführer Franz Riedweg initiiert und in einem Studio in Nazi-Deutschland produziert worden war, den Landesstreik zusammen mit Unruhen und Konflikten in aller Welt als Teil einer jüdisch-bolschewistisch-intellektualistischen Verschwörung dar.[37][38][39][40][41] Und noch 1960 repetierte Roger Masson, ehemaliger Chef des Nachrichtendienstes und ETH-Dozent für Militärwissenschaften, in einem Artikel die „judeo-bolschewistische“ Umsturzlegende über den Landesstreik.[42]

Weimarer Republik

Den nachhaltigsten Erfolg hatte der Mythos vom Judäo-Bolschewismus in Deutschland. In der Weimarer Republik traten alle Parteien mit Ausnahme der Kommunisten antibolschewistisch auf. In rechtsnationalen Kreisen wie beispielsweise der völkischen Bewegung[43] wurde das Engagement von Juden in linken Parteien und Organisationen herausgestellt. Diese Kreise verunglimpften die Republik insgesamt als „Judenrepublik“.

Auch mit Blick auf Österreich und Ungarn stellte man das Wirken von Juden in kommunistischen Parteien heraus: Der ungarische Revolutionär Béla Kun, der Präsident des Freistaat BayernKurt Eisner, und die Mitbegründerin der Kommunistischen Partei DeutschlandsRosa Luxemburg waren jüdischer Abstammung. Das Judentum wurde dabei als Rasse angesehen, über die jeweilige Staatsangehörigkeit oder den unter den Kommunisten verbreiteten Atheismus sah man dabei konsequent hinweg.

Der Verdacht, dass der Bolschewismus jüdischen Ursprungs sei, wurde in ganz Westeuropa und in den Vereinigten Staaten nach dem Ersten Weltkrieg zu einem „Gemeinplatz der konservativen Kultur“ und zu einem festen Topos liberaler und nationalistischer Eliten.[44] Antikommunistische und traditionelle antislawische Ressentiments vermischten sich so mit überkommenen antisemitischen Vorurteilen:

„Immer wieder wurde den Juden ein Strick daraus gedreht, dass sie angeblich zu den Wortführern des sozialen und politischen Radikalismus gehörten und in ihrer nationalen Loyalität schwankten.[45]

Nationalsozialismus

Schrifttum vor 1933

Adolf Hitler vertrat seit dem Beginn seiner politischen Tätigkeit klare antisemitische Positionen. Ab wann er seinen Judenhass mit seinem gleichfalls früh nachweisbaren Antibolschewismus verknüpfte, ist in der Forschung umstritten. Frühestes Zeugnis ist die 1923 entstandene Schrift des Chefredakteurs des Völkischen Beobachters Dietrich Eckart Der Bolschewismus von Moses bis Lenin. Zwiegespräche zwischen Adolf Hitler und mir. Darin werden Hitler Verschwörungstheorien in den Mund gelegt, wonach sich die verderbliche Spur des mit dem Judentum identifizierten Bolschewismus seit mehreren Tausend Jahren durch die Geschichte ziehe. Daher heiße die Parole: „Kampf dem Marxismus sowie dem geistigen Träger dieser Weltpest und Seuche, dem Juden!“[46] Ob damit Hitlers originäre Ansichten wiedergegeben werden oder es sich um ein Phantasieprodukt Eckarts handelt, ist in der Forschung umstritten.[47] Bis zum Erscheinen des zweiten Bandes von Mein Kampf, in dem Hitler seine Ideologie erstmals voll entfaltete, im Dezember 1926, waren in der NSDAP auch sowjetfreundliche und sozialistische Standpunkte zugelassen. Namentlich die Brüder Otto und Gregor Strasser sowie Joseph Goebbels rieten dazu, mit der Sowjetunion eine gemeinsame Front gegen die Westmächte zu bilden.[48]

In Mein Kampf verband Hitler dagegen Judenhass und Feindschaft gegen die Sowjetunion: „Im russischen Bolschewismus haben wir den im zwanzigsten Jahrhundert unternommenen Versuch des Judentums zu erblicken, sich die Weltherrschaft anzueignen“, wobei es sich der unterschiedlichsten Mittel bediene: vom Dolchstoß in den Rücken des deutschen Heeres über freie Presse und Finanzkapitalismus, bis hin zur Förderung der Prostitution und der Syphilis. Die Gefahr sei wahrhaft apokalyptisch:

„Siegt der Jude mit Hilfe seines marxistischen Glaubensbekenntnisses über die Völker dieser Welt, dann wird seine Krone der Totentanz der Menschheit sein, dann wird dieser Planet wie einst vor Jahrmillionen menschenleer durch den Äther ziehen.“

Als Ziele des Nationalsozialismus nannte Hitler zum einen, diese jüdische Weltverschwörung zu stoppen, zum anderen für das deutsche Volk Lebensraum im Osten zu erobern. Im Ideologem des jüdischen Bolschewismus konnte er diese beiden Ziele verbinden:

„Wenn wir aber heute in Europa von neuem Grund und Boden reden, können wir in erster Linie nur an Rußland und die ihm untertanen Randstaaten denken. Das Schicksal selbst scheint uns hier einen Fingerzeig geben zu wollen. Indem es Rußland dem Bolschewismus überantwortete, raubte es dem russischen Volk jene Intelligenz, die bisher dessen staatlichen Bestand herbeiführte und garantierte.[49]

Ähnlich argumentierte Alfred Rosenberg in seinem 1930 erschienenen Buch Der Mythus des 20. Jahrhunderts: Ziel sei es, dass Russland wieder „arisch“ dominiert werde. Alle großen Dinge in der russischen Geschichte seien von Deutschen oder Menschen deutschen Blutes vollbracht worden, doch in der Revolution von 1917 sei dieses Element unterlegen:

„Das nordisch-russische Blut gab den Kampf auf, das ostisch-mongolische schlug mächtig empor, berief Chinesen und Wüstenvölker; Juden, Armenier drängten sich an die Führung und der Kalmücko-Tatare Lenin wurde Herr. Die Dämonie dieses Blutes richtete sich instinktiv gegen alles, was noch äußerlich als aufrecht wirkte, männlich nordisch aussah, gleichsam lebendiger Vorwurf war gegen einen Menschen, den Lothrop Stoddard als „Untermenschen“ bezeichnete.“[50]

Im Wahlkampf November 1932 behauptete ein NSDAP-Plakat: „Der Marxismus ist der Schutzengel des Kapitalismus“. Dieser war mit deutlich jüdischen Zügen dargestellt. Damit wurden beide Systeme als zwei Seiten derselben Medaille dargestellt, die verschwörungstheoretisch als jüdisch gesteuert gedeutet wurden.[51]

Deutsches Reich nach 1933

In ähnlicher Weise bezeichnete der Reichsführer SS Heinrich Himmler in einer Rede vor dem Reichsbauerntag 1935 den Bolschewismus als den „von Juden organisierten und angeführten Kampf des Untermenschen“.[52] Die SS nannte er ein Jahr später eine „antibolschewistische Kampforganisation“.[53] Auch in einigen nationalsozialistischen Propagandafilmen wurde das Thema des jüdischen Bolschewismus entfaltet. Im Kompilationsfilm Der ewige Jude aus dem Jahr 1940 wird das Thema einer vermeintlichen jüdischen Weltverschwörung umfassend dargestellt, von den „jüdischen Plutokraten der Wall Street“ und dem jüdischen Marxismus über die „Judenrepublik“ von Weimar bis zu den angeblich jüdischen Kommissaren in der sowjetischen Staatspolizei. Blieb dieser Zusammenhang angesichts des Freundschaftsvertrags mit der Sowjetunion noch ein Randthema, so rückte er im antisowjetischen Propagandafilm G.P.U. aus dem Jahr 1942 deutlich in den Vordergrund: Hier wurden die Schergen des sowjetischen Geheimdienstes durchweg mit Schauspielern besetzt, deren Aussehen dem von den Nationalsozialisten gezeichneten physischen Bild „des Juden“ entsprach.[54] Dabei wusste die NS-Propaganda durchaus publikumsgerecht zu agieren: Während Der Stürmer das Narrativ vom angeblich jüdischen Bolschewismus in kruder, teils pornographischer Form verbreitete, schlugen Organe wie Das Schwarze Korps dabei einen elaborierten Ton an, auch wenn die Verschwörungstheorie in beiden Fällen dieselbe war.[55]

Einen Höhepunkt der Propaganda gegen den jüdischen Bolschewismus stellte der Nürnberger Reichsparteitag von 1936 dar, bei dem die Kommunistische Internationale als „Zentralagentur des Weltbolschewismus“ die Projektionsfläche bildete. Die Redner – neben Hitler und Rosenberg auch Rudolf Heß und Joseph Goebbels – behaupteten, 98 Prozent der politischen und wirtschaftlichen Leitungskader in der Sowjetunion wären Juden. „Nicht die Diktatur des Proletariats besteht heute in der Sowjetunion, sondern Diktatur des Judentums über die gesamte Bevölkerung.“[56]

Vernichtungskrieg

Deutsch-Sowjetischer Krieg
Von allen Verschwörungstheorien, die die Nationalsozialisten vertraten, war die vom Jüdischen Bolschewismus die mörderischste.[57] Am 30. März 1941 erläuterte Hitler vor Generälen der Wehrmacht, der bevorstehende Krieg gegen die Sowjetunion werde ein Vernichtungskrieg. Den Bolschewismus bezeichnete er als „asoziales Verbrechertum“ und eine „ungeheure Gefahr für die Zukunft“. Ziel des Krieges sei die „Vernichtung der bolschewistischen Kommissare und der kommunistischen Intelligenz“.[58] Das konnte als Anweisung zum Völkermord an den Juden verstanden werden, denn, wie der Berliner Historiker Wolfgang Wippermann zeigt, sowohl Kommissar als auch Intelligenz waren im verschwörungsideologischen Diskurs der Nationalsozialisten als „jüdisch“ konnotiert:[59] Bereits am 3. März 1941 hatte Hitler gegenüber General Alfred Jodl erklärt: „Die jüdisch-bolschewistische Intelligenz als bisheriger Unterdrücker muss beseitigt werden.“[60]

Durch deutsche Besatzer ermordete Familie, 5. Juli 1941 in Slorow, Ukraine

Die Ermordung der „jüdisch-bolschewistischen Intelligenzschicht“ war der ausdrückliche Auftrag der Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD, die im Mai 1941 aufgestellt worden waren.[61] Am 17. Juni 1941 hielt Reinhard Heydrich eine Ansprache vor Einsatzgruppenleitern:

„Er betonte, daß in dem kommenden Kampf nicht nur Volk gegen Volk, sondern zum ersten Mal Weltanschauung gegen Weltanschauung ringe […], daß der Bolschewismus vor keiner Art Krieg zurückschrecken werden und daß in diesem Kampf das Judentum entschlossen mit antrete. In diesem Kampf gehe es Härte gegen Härte.“[62]

Nachdem ihr Auftrag im Spätsommer 1941 auf alle Juden ausgedehnt worden war, ermordeten die Einsatzgruppen im rückwärtigen Heeresgebiet über 500.000 Männer, Frauen und Kinder. Parallel ermordeten Rumänen in Jassy (Provinz Moldau) und entlang der rumänisch-sowjetischen Front massenhaft Juden als angeblich „Fünfte Kolonne“ der Roten Armee. Baltische und ukrainische Freischärlergruppen ermordeten nach dem Einmarsch der Wehrmacht 1941 in den Ghettos KaunasVilniusRiga und Lemberg die dort festgehaltenen Juden unter den Augen und mit Billigung der Deutschen. Sie wollten sich an den Juden rächen, weil sie sie für die Profiteure und Hauptträger der Sowjetisierung dieser Gebiete hielten, die nach dem deutsch-sowjetischen-Nichtangriffspakt 1939 von der Sowjetunion annektiert worden waren. Tatsächlich hatten viele Juden den Einmarsch der Roten Armee in Ostpolen zunächst begrüßt. Unter dem mit der Sowjetisierung der annektierten Gebiete verbundenen Terror litten sie dann aber genauso wie die Volksgruppen der Polen und Ukrainer: 30 Prozent der 1940 aus Ostpolen deportierten Personen waren Juden. Einige Juden hatten daher sogar versucht, aus dem sowjetischen Herrschaftsbereich in das deutsch besetzte Generalgouvernement zu fliehen.[63]

„Unternehmen Barbarossa“
Das Verständnis des Unternehmens Barbarossa als Vernichtungskrieg gegen den jüdischen Bolschewismus einte die nationalsozialistische Führung und die Generalität der Wehrmacht. In den verbrecherischen Befehlen der Wehrmachtführung ist es wiederholt nachweisbar: Im Kriegsgerichtsbarkeitserlass vom 13. Mai 1941 wurden Gewalttaten gegen Zivilpersonen im Kriegsgebiet weitgehend straflos gestellt und als Begründung auf die Rachegedanken und Leiderfahrungen verwiesen, die dem deutschen Volk durch „bolschewistischen Einfluss“ zugefügt worden seien; ausdrücklich wurden die Soldaten der Wehrmacht vor Elementen aus der Zivilbevölkerung gewarnt, den „Trägern der jüdisch-bolschewistischen Weltanschauung“.[64] Der Kommissarbefehl vom 6. Juni 1941 erlaubte der Truppe, Politkommissare der Roten Armee sofort zu erschießen, und verwies auf die „Richtlinien über das Verhalten der Truppe in Rußland“, nach der außer den Kommissaren auch alle Juden und die „asiatischen Soldaten“ der Roten Armee zu erschießen seien.[65] Die Generäle der Wehrmacht Wilhelm KeitelErich HoepnerWalter von Reichenau und Erich von Manstein waren die eifrigsten Befürworter des Kampfes gegen „moskowitisch-asiatische Überschwemmung“ und den „jüdischen Bolschewismus“ (so Höpner am 4. Mai 1941).[66] Keitel forderte am 22. September 1941 in einem Befehl von den Wehrmachtsoldaten:

„Der Kampf gegen den Bolschewismus verlangt ein rücksichtsloses und energisches Durchgreifen vor allem auch gegen die Juden, die Hauptträger des Bolschewismus.“[67]

Reichenau verlangte von seinen Soldaten in einem berühmt gewordenen Befehl vom 10. Oktober 1941: „die völlige Vernichtung der bolschewistischen Irrlehre, des Sowjet-Staates und seiner Wehrmacht“ sowie „die erbarmungslose Ausrottung artfremder Heimtücke und Grausamkeit und damit die Sicherung des Lebens der deutschen Wehrmacht in Rußland“. Dies sei der einzige Weg, „das deutsche Volk von der asiatisch-jüdischen Gefahr ein für allemal zu befreien“.[68]

Die gesamte nationalsozialistische Volkstumspolitik war auf die Errichtung des „Großgermanischen Reichs deutscher Nation“ eingestellt. Nach der Niederlage in der Schlacht von Stalingrad trat jedoch nach den Sprachregelungen von Joseph Goebbels propagandistisch gesteigert eine antibolschewistische Kreuzzugsrhetorik in den Vordergrund. Slawen – wegen ihres Arbeitseinsatzes als Fremdarbeiter/Ostarbeiter für die nationalsozialistische Kriegswirtschaft gebraucht – sollten dabei öffentlich nicht mehr verunglimpft werden, wohingegen bei ihnen mehr als im übrigen Europa in der antibolschewistischen Propaganda weiter vor allem auf antisemitische Affekte zu setzen war. Auch über ihre geplante Umsiedlung, damit im Osten Raum für das deutsche Volk geschaffen würde, sollte geschwiegen werden.[69] Hitlers rhetorische Ausfälle richteten sich ab 1943 zunehmend gegen das „Weltjudentum“, dessen Zentralen er in New York und Moskau, aber auch in London wähnte. Noch während der Schlacht um Berlin gab Hitler in seinem letzten Aufruf an die Wehrmachtssoldaten Durchhalteparolen gegen den „jüdisch-bolschewistischen Todfeind“ durch und betonte dabei gleichzeitig, dass es ihm immer um „die Sicherung des für die Zukunft unseres Volkes unentbehrlichen Lebensraumes im Osten“ gegangen sei.

Welche Rolle das Ideologem des Judäo-Bolschewismus im Vernichtungskrieg konkret spielte, wird unter Historikern heute unterschiedlich gewichtet. Arno J. Mayer stellte 1989 die These auf: „‚Unternehmen Barbarossa‘ war von Anfang an nicht nur als Blitzkrieg zur Zerschlagung der Roten Armee und zur Eroberung von Lebensraum im Osten gedacht und geplant, sondern auch als Kreuzzug zur Ausmerzung des 'jüdischen Bolschewismus'“.[70] Rolf-Dieter Müller meint in seiner Gesamtdarstellung des Zweiten Weltkriegs hingegen, dass der Krieg gegen die Sowjetunion anfangs ein rein imperialistischer Krieg gewesen sei, dessen eigentliches Ziel die Eroberung von Lebensraum gewesen sei. Der Antikommunismus habe nur als zusätzliches Motivationsmoment und als nationalsozialistische Propaganda für die gleichfalls antikommunistisch eingestellten Staaten Westeuropas eine Rolle gespielt.[71]

Gegenwart

Die Frage, wie „jüdisch“ der Bolschewismus gewesen sei, wird seit den 1980er Jahren wieder diskutiert. Nach 1986 formulierte der Berliner Historiker Ernst Nolte in mehreren Veröffentlichungen seine Thesen, die den Historikerstreit ausgelöst hatten, aus und spitzte sie zu: Tatsächlich seien „auffallend viele Juden, die sich indessen meist nicht mehr als Juden betrachteten, an der russischen Revolution beteiligt“ gewesen. Die Massenverbrechen, die in dieser Revolution und in der aus ihr hervorgegangenen Sowjetunion verübt wurden, seien für Hitler und die Nationalsozialisten „Schreckbild und Vorbild“ gewesen (wobei Nolte darauf hinweist, dass ein Schreckbild im Unterschied zu einem Schreckgespenst einen realen Kern habe).[72] Wenn Hitler also mit dem Holocaust nur auf die wahrgenommene jüdisch-bolschewistische Bedrohung reagiert habe, sei ihm „insoweit ein gewisses historisches Recht zuzuschreiben, als er sich dem umfassenden Anspruch der Sowjetunion mit großer, wenn auch vermutlich weit überschießender Energie widersetzte“.[73] Diese Thesen wurden in der Geschichtswissenschaft weitgehend zurückgewiesen,[74] die Historikerin Agnieszka Pufelska sieht in dieser Unterstellung einer jüdischen Mitverantwortung am Holocaust eine „antisemitische Entsorgung der deutschen Vergangenheit durch die Täter-Opfer-Umkehr“.[75]

Der Bielefelder Historiker und Bibliothekar Johannes Rogalla von Bieberstein untersuchte „Mythos und Realität“ des jüdischen Bolschewismus in einem Buch, das 2002 in der neurechten Edition Antaios erschien. Er kommt zu dem Befund, dass sich unter den frühen Bolschewiki in Russland und den Trägern der ungarischen Räterepublik von 1918 überproportional viele Juden befanden. Dies lasse sich unter anderem mit dem sozialistischen Versprechen erklären, die gesellschaftlichen Unterschiede abzuschaffen, und damit auch die zwischen den Religionen, aufgrund derer die Juden in diesen Ländern massiv diskriminiert wurden; zudem sei der jüdische Messianismus leicht anschlussfähig an die kommunistischen Versprechen einer Erlösung durch Weltrevolution. Aus diesem Grunde habe es bis in die 1920er Jahre hinein eine „jüdische Romanze mit dem Kommunismus“ gegeben, die „die materielle Voraussetzung für pauschale Diffamierungen und Verschwörungstheorien“ gebildet habe.[76] Der CDU-Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann nahm diese Argumentation 2003 in einer Rede zum Tag der Deutschen Einheit auf: Aufgrund ihres Engagements in der Führung der Bolschewiki und bei „Tscheka-Erschießungskommandos“ könne man die Juden „mit einiger Berechtigung als,Tätervolk‘ bezeichnen“, ein Begriff, den er im weiteren Verlauf der Rede aber sowohl für die Juden als auch für die Deutschen zurückwies: Das wahre Tätervolk des 20. Jahrhunderts seien die „Gottlosen mit ihren gottlosen Ideologien“ gewesen.[77] Diese Rede löste einen Skandal aus. Hohmann wurde vorgeworfen, er argumentiere antisemitisch und ziele darauf ab, Deutschland von der Verantwortung für seine nationalsozialistische Vergangenheit zu entlasten. Im November 2003 wurde Hohmann aus der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag ausgeschlossen, im Juli 2004 auch aus der CDU.

In den ehemaligen Ostblockstaaten taucht die These von den angeblich jüdischen Wurzeln des Kommunismus seit 1990 wieder auf. Rechte Publizisten setzen sie ein, um postkommunistische Regierungen zu delegitimieren, denen sie unterstellen, sie wären in Wahrheit immer noch Kommunisten, also Juden, und würden mithin nicht im nationalen Interesse handeln. Der Antisemitismus wird in dieser Argumentation zu einer patriotischen Widerstandspflicht.[78]

Literatur

  • Paul Hanebrink: A Specter Haunting Europe: The Myth of Judeo-Bolshevism. Harvard University Press, Cambridge/London 2018.
  • Ulrich Herbeck: Das Feindbild vom „jüdischen Bolschewiken“. Zur Geschichte des russischen Antisemitismus vor und während der Russischen Revolution. Metropol Verlag, Berlin 2009, ISBN 978-3-940938-49-7.
  • Gerhart Hass: Zum Russlandbild der SS. In: Hans-Erich Volkmann (Hrsg.): Das Russlandbild im Dritten Reich. Böhlau, Köln u. a. 1994, ISBN 3-412-15793-7, S. 201–224.
  • Agnieszka Pufelska: Bolschewismus. In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus. Band 3: Begriffe, Theorien, Ideologien. De Gruyter Saur, Berlin / New York 2010, ISBN 978-3-11-023379-7, S. 46 ff.
  • Joachim Schröder: Der Erste Weltkrieg und der „jüdische Bolschewismus“. In: Gerd Krumeich (Hrsg.): Nationalsozialismus und Erster Weltkrieg. Klartext-Verlag, Essen 2010, ISBN 978-3-8375-0195-7, S. 77–96 (Schriften der Bibliothek für Zeitgeschichte NF, 24).

Linksfaschismus

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Linksfaschismus (auch Linker bzw. Roter Faschismus oder Rot-Faschismus) ist ein politischer Kampfbegriff ohne einheitliche Bedeutung. Meist soll er realsozialistische Staatenlinksgerichtete Politik oder Ideologie als „Faschismus“, seltener auch Antikapitalismus faschistisch genannter Staaten oder Gruppen als „links“ bewerten. Die Politikwissenschaft verwendet den Begriff, anders als den Faschismusbegriff, nicht zur Beschreibung einer Ideologie oder Gesellschaftsordnung.

Italienische Demokraten bezeichneten damit seit 1926 den Stalinismus als eine mit dem damaligen italienischen Faschismus vergleichbare Diktatur. Vertreter der SPD bezeichneten die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) seit etwa 1929 als „rotlackierte Faschisten“; umgekehrt kategorisierten Kommunisten die Sozialdemokratie als „Rotfaschismus“ oder „Sozialfaschismus“.

Der Philosoph und Soziologe Jürgen Habermas warnte 1967 vor einem „linken Faschismus“ der APO, der eine Gewalteskalation fördern und rechtfertigen könne. Obwohl er dieses Urteil später zurückzog, diente der Begriff in der Bundesrepublik Deutschland meist zur Diffamierung linksgerichteter Gruppen und Parteien.[1] Er soll die von ihnen vertretene Politik, die sich oft als Antifaschismus legitimiert, ihrerseits als faschistisch, also antidemokratisch und gewaltorientiert, angreifen und delegitimieren. Er hat sich dabei zu einem beliebig eingesetzten Stereotyp entwickelt.[2] Das Wort wird ähnlich wie die Begriffe Anarchismus und Linksextremismus von Politikern, Behörden und Medien häufig mit Chaos, Gewalt, Terror und Kriminalität assoziiert. „Linksfaschisten“ werden als Gefahr für die innere Sicherheit dargestellt.[3]

Italien

Nach der Machteroberung von Benito Mussolini in Italien bezeichnete der Liberale Giovanni Amendola zunächst die italienischen Faschisten, dann auch die Stalinisten 1925 als „totalitär“ (totalitario): Faschismus und Kommunismus seien eine „totalitäre Reaktion auf Liberalismus und Demokratie“. Diesen als Vorwurf gemeinten Begriff nahm die Führung der Partei der Faschisten Anfang 1926 für ihre Ideologie und Politik in Anspruch. Nun übernahm die gesamte konservativ-liberale Opposition in Italien die These von der strukturellen Ähnlichkeit der beiden Diktaturen. In diesem Zusammenhang schrieb der Führer des Partito Popolare Italiano – einem Vorläufer der späteren „Democrazia Cristiana“ –, Priester Don Luigi Sturzo 1926:[4]

„Insgesamt kann man zwischen Rußland und Italien nur einen einzigen Unterschied feststellen, daß nämlich der Bolschewismus eine kommunistische Diktatur oder ein Linksfaschismus ist und der Faschismus eine konservative Diktatur oder ein Rechtsbolschewismus ist.“

Der Begriff ist also wie „Totalitarismus“ ursprünglich ein polemischer Kampfbegriff, der zwei politische Systeme und ihre Ideologien parallelisiert und als Diktaturen ablehnt.

Die Philosophin Hannah Arendt gab dem Totalitarismusbegriff in ihrem Hauptwerk Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft (englisches Original von 1951) ein theoretisches Fundament und beschrieb Ähnlichkeiten des Nationalsozialismus, Stalinismus und ansatzweise des Maoismus. Sie bezeichnete deren Regimes nicht als Faschismus, sondern als „totalitär“, und unterschied Mussolinis Diktatur, den Franquismus und Regierungen der Ostblockstaaten nach Josef Stalins Tod davon.

Weimarer Republik

1929 übernahm die KPD Stalins Sozialfaschismusthese: Danach galten die Reformisten der gescheiterten Zweiten Internationale, also die westeuropäische, vor allem die deutsche Sozialdemokratie, als „Steigbügelhalter“ des aufkommenden Faschismus. Diese ideologische Einordnung hatte den machtpolitischen Sinn, die Mitgliedsparteien der von Moskau gelenkten Komintern gegenüber ihren Konkurrenten zu stärken und zugleich den gesamteuropäischen Führungsanspruch der KPdSU in der Arbeiterbewegung zu untermauern.[5]

Als Reaktion darauf verstärkte die SPD ihre antikommunistische Haltung. Ihr späterer Vorsitzender Kurt Schumacher erklärte 1930 vor dem Reichsbanner Württemberg:[6]

„Der Weg der leider ziemlich zahlreichen proletarischen Hakenkreuzler geht über die Kommunisten, die in Wirklichkeit nur rotlackierte Doppelausgaben der Nationalsozialisten sind. Beiden ist gemeinsam der Hass gegen die Demokratie und die Vorliebe für Gewalt.“

Dies wurde nach 1945 zum oft zitierten Diktum von den rotlackierten Faschisten verkürzt.[7]

Der antimilitaristische Kommunist Otto Rühle schrieb als Reaktion auf den Hitler-Stalin-Pakt 1939 im mexikanischen Exil einen Aufsatz mit dem Titel Brauner und Roter Faschismus. Er verglich darin die Entwicklungen in Deutschland und Russland seit 1914 und fand in den Diktaturen Adolf Hitlers und Stalins, die er beide als „totalitär“ bezeichnete, eine „verblüffende Übereinstimmung in den Grundanlagen der Systeme – in der Machtdoktrin, dem Autoritätsprinzip, dem Diktaturapparat, der Gleichschaltungsdynamik, den Gewaltmethoden.“[8] Die ökonomische Ursache dafür fand er im „ultraimperialistischen Monopolismus, der zum System des Staatskapitalismus drängt.“ Das Scheitern der Novemberrevolution erklärte er daraus, dass die deutsche Sozialdemokratie ein „Kriegsbündnis mit der Bourgeoisie“ eingegangen sei, das sie nach dem Krieg gegen die Revolutionäre beibehalten habe. Dieses Bündnis habe sie „auf ihre wahre Wesensgrundlage zurückgeführt. Sie war immer nur scheinbar eine sozialistische Bewegung gewesen. […] Sie war und blieb eine kleinbürgerliche Reformpartei der Enttäuschten, Zukurzgekommenen, am kapitalistischen Aufstieg Verhinderten.“ Deshalb habe die SPD-Führung die Sozialisierungsforderungen der Rätebewegung erst abgeschwächt und dann ins Gegenteil verkehrt. Damit habe sie den möglichen revolutionären Bruch mit dem Kapitalismus verhindert und so erst die Morde an den Hauptvertretern des Spartakusbundes, dann den Aufstieg des Nationalsozialismus ermöglicht. In Russland habe Lenin die Revolutionsparole „Alle Macht den Räten“ in einer feudalagrarischen Gesellschaft zur bürokratischen, zentralistischen, von oben nach unten strukturierten Einparteiendiktatur verkehrt und damit Stalin den Weg geebnet.[9] Rühle vertrat damit eine eigenwillige, rätekommunistische Totalitarismustheorie, die nach 1945 vergessen und erst von der Studentenbewegung der 1960er Jahre wiederentdeckt wurde.[10]

Bundesrepublik Deutschland

Jürgen Habermas (1967)

Seit Frühjahr 1967 tauchten Faschismusvorwürfe und -vergleiche in Konflikten zwischen Hochschullehrern und Aktivisten der westdeutschen Studentenbewegung auf. Sie griffen das Selbstverständnis der jeweiligen Adressaten als Antifaschisten an und wirkten daher als Stigma. Universitätsdirektoren bezeichneten Sit-ins als „faschistische Methoden“ (19. April) oder sahen darin „faschistische Züge“. Studenten bezeichneten einen amerikafreundlichen Vortrag Max Horkheimers als „Apologie des Faschismus“ (12. Mai). Horkheimer beschrieb daraufhin in einem Brief seine „Furcht vor der Verwandtschaft dessen, was heute sich kommunistisch nennt, mit faschistischem Terror“. Margherita von Brentano konstatierte am 7. Juni, „Faschismus“ sei in den letzten Monaten zum Schlüsselwort in den aktuellen Konflikten geworden. Radikaldemokratische Studenten hätten Einzelzüge im gegnerischen Verhalten wie auch die Gesamtsituation „faschistisch“ genannt. Der Philosoph Jakob Taubes sprach am selben Tag vom „Gespenst des Faschismus“, weil dieses Wort im öffentlichen Diskurs gefallen sei.[11]

Bei der Demonstration am 2. Juni 1967 in West-Berlin wurde der Student Benno Ohnesorg erschossen. Am 9. Juni wurde er in Hannover beerdigt. Beim anschließenden Kongress des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) forderte der Studentenführer Rudi Dutschke, Aktionszentren an westdeutschen Hochschulen zu gründen, um die eingetretene Situation rational zu bewältigen. Jürgen Habermas, Soziologe und Philosoph der Frankfurter Schule, erklärte sich daraufhin solidarisch mit den protestierenden Studenten und bezeichnete die Polizeiaktionen in West-Berlin als „Terror“ zur Abschreckung künftiger Proteste, der die Demokratie deutlich einzuschränken drohe. Die Studenten sollten jedoch vorrangig die Gesellschaft gründlich analysieren. Um deren komplexe Strukturen zu verändern, sei direkte Aktion wenig aussichtsreich. Gleichgültigkeit gegenüber bedrohten Bürgerrechten sei ebenso gefährlich wie zielloser Aktionismus. Die Welt sei von Gewalt besessen: „Aber die Befriedigung daran, durch Herausforderung die sublime Gewalt in manifeste Gewalt umzuwandeln, ist masochistisch, keine Befriedigung also, sondern Unterwerfung unter eben jene Gewalt.“

Hans-Jürgen Krahl entgegnete: Habermas habe argumentiert, die Provokation von Gewalt sei faschistisch. Zwinge der übermächtig bewaffnete Staatsapparat die wehrlosen Studenten nicht zur Provokation, etwa mit Tomatenwürfen, weil er ihnen keine andere Möglichkeit lasse? Er plädiere daher für „ritualisierte Formen der Provokation“, um der Öffentlichkeit die Gewaltlosigkeit der Studenten zu zeigen. Darauf reagierte Habermas: „Systematisch betriebene Provokation von Studenten“ sei ein „Spiel mit dem Terror (mit faschistischen Implikationen)“. Dies verstanden die Zuhörer zunächst als Kritik an staatlicher Gewalt, nicht an studentischen Aktionsformen.[12]

Darauf antwortete Dutschke als letzter offizieller Redner: Weil die entwickelten Produktivkräfte des Kapitalismus gegenwärtig die Abschaffung von Hunger, Krieg und Herrschaft materiell ermöglicht hätten, hänge „alles vom bewußten Willen der Menschen ab, ihre schon immer von ihnen gemachte Geschichte endlich bewußt zu machen, sie zu kontrollieren, sie sich zu unterwerfen, das heißt, Professor Habermas, Ihr begriffsloser Objektivismus erschlägt das sich emanzipierende Subjekt.“ Die Studenten sollten die „etablierten Spielregeln dieser unvernünftigen Demokratie“ bewusst durchbrechen und mit passiven Sitzstreiks zeigen, dass sie nicht provozieren, aber sich auch nicht „organisiert abwiegeln“ lassen wollten. Denn anders als von Karl Marx erwartet, tendiere die gegenwärtige ökonomische Entwicklung nicht von selbst zu einem Emanzipationsprozess, so dass die individuelle Tätigkeit Einzelner ein ganz anderes Gewicht erhalte.[13]

Als Dutschke den Saal verlassen hatte, kehrte Habermas an das Rednerpult zurück. Dutschke habe zu seinem Erstaunen nur Sitzstreiks, also „eine Demonstration mit gewaltlosen Mitteln“ vorgeschlagen, dazu aber „eine voluntaristische Ideologie entwickelt, die man im Jahr 1848 utopischen Sozialismus genannt hat und die man unter heutigen Umständen – jedenfalls, ich glaube, Gründe zu haben, diese Terminologie vorzuschlagen – ‚linken Faschismus‘ nennen muss. Es sei denn, daß Herr Dutschke aus dem, was er an Überbau hier entwickelt hat, praktisch keine Konsequenzen zu ziehen wünscht.“ Nach zeitgenössischen Quellen sagte er außerdem: „Ich hätte gern geklärt, ob er nun willentlich die manifeste Gewalt herausgefordert hat nach den kalkulierten Mechanismen, die in diese Gewalt eingebaut sind, und zwar so, daß er das Risiko von Menschenverletzung, um mich vorsichtig auszudrücken, absichtlich einschließt oder nicht.“[14]

Habermas griff hier mit Vorbehalten den Vorwurf auf, den Krahl ihm in den Mund gelegt hatte, um eine Klärung zu erreichen, welche Aktionen Dutschkes theoretisches Konzept implizierte, und die Subversive Aktion im SDS zu isolieren.[15] Er setzte Aktionszentren und Sitzstreiks nicht mit Faschismus gleich, sondern bezog sich auf deren theoretische Begründung, die den gesellschaftlichen Wandel nur vom bewussten Willen der Revolutionäre erwartete. Ebenso hatte Marx den utopischen Sozialismus dafür kritisiert, die ökonomische Entwicklung der Gesellschaft nicht zu berücksichtigen. Habermas teilte also die Annahme Dutschkes, dass sich in Ohnesorgs Erschießung und den bisherigen staatlichen Reaktionen darauf Gewaltstrukturen der gesellschaftlichen Verhältnisse gezeigt hätten. Er fragte aber, ob durch bewusste Provokation solcher Gewalt weitere Opfer in Kauf genommen werden sollten. Er fürchtete, die gewollte Provokation des bürgerlichen Staates mit illegalen Aktionen könne den Faschismus erst erzeugen, der in den Gesellschaftsstrukturen angelegt sei, ohne dass die veränderungsbereiten Kräfte eine Chance zu einer erfolgreichen Revolution hatten. Dahinter stand die marxistische Faschismustheorie der „Kritischen Theorie“, die Faschismus als Folge und latente Bedrohung des scheinbar liberalen Kapitalismus beschrieben hatte.

Dutschke hörte diese Antwort am Folgetag auf einem Tonband und schrieb daraufhin in sein Tagebuch:[16]

„Der Vorwurf reduzierte sich darauf, daß ich, der ich durch Aktionen die sublime Gewalt zwinge, manifest zu werden, bewußt Studenten ‚verheizen‘ wolle… H[abermas] will nicht begreifen, dass allein sorgfältige Aktionen Tote, sowohl f[ür] d[ie] Gegenwart als auch noch mehr f[ür] d[ie] Zukunft ‚vermeiden‘ können. Organisierte Gegengewalt unsererseits ist der größte Schutz, nicht ‚organisierte Abwiegelei‘ à la H[abermas]. Der Vorwurf d[er] ‚voluntaristischen Ideologie‘ ehrt mich.“

Er sah wie viele Studenten die staatliche Gewaltenteilung nach Ohnesorgs Erschießung als nicht funktionsfähig an: Die Opfer würden zu den Tätern gestempelt, der tatsächliche Täter bleibe in Freiheit, die politisch Verantwortlichen blieben in ihren Ämtern. Nach jahrelangen Erfahrungen mit angemeldeten Demonstrationen wollte er die für ihn strukturelle Gewalt der bundesrepublikanischen Gesellschaft durch „organisierte Irregularität“ aufdecken. Die Reaktionen des Staates auf nichtangemeldete und neuartige Aktionsformen sollten der Bevölkerung die herrschenden Unterdrückungsmechanismen bewusst machen, von denen er überzeugt war.[17]

Der Sozialpsychologe Peter Brückner widersprach Habermas auf dem Kongress. Dessen These, provokative Protestformen erzeugten erst die „Möglichkeit zur Unmenschlichkeit“, sei falsch: Die Brutalität der Staatsorgane liege vollständig ausgebildet unter einer sehr dünnen Decke des sozialen Friedens. Viele sogenannte Provokationen seien bloß Mittel, um diese Decke punktuell zu durchstoßen und etwas wegzuziehen, um die Realität darunter zu erkennen.[18]

Schon in einem Aufsatz „Hochschulreform und Protestbewegung“, dann auch in einem Brief an Erich Fried vom 26. Juli 1967 nahm Habermas seinen Vorwurf zurück:[19]

„Ich habe in Hannover vom ‚linken Faschismus‘ in einem klar hypothetischen Zusammenhang gesprochen.“

In einem Brief vom 13. Mai 1968 an C. Grossner schrieb er zudem:[19]

„Erstens habe ich damals nicht gesehen, dass die neuen Formen der Provokation ein sinnvolles, legitimes und sogar notwendiges Mittel sind, um Diskussionen dort, wo sie verweigert werden, zu erzwingen.
Zweitens hatte ich damals Angst vor den irrationalistischen Implikationen eines Vorgehens, das unter dem Topos ‚die Spielregeln brechen‘ eingeführt wurde. Diese Befürchtungen hege ich auch heute noch, daher hat sich die Intention meiner damaligen Bemerkung nicht geändert. Freilich würde ich […] heute […] das Etikett des linken Faschismus vermeiden, und zwar nicht nur, weil dieses Etikett das grobe Missverständnis einer Identifizierung des SDS mit den rechten Studenten Anfang der dreißiger Jahre hervorgerufen hat, sondern weil ich inzwischen überhaupt unsicher geworden bin, ob das eigentliche Neue an den gegenwärtigen Revolten durch geistesgeschichtliche Parallelen getroffen werden kann.
Drittens halte ich nach wie vor Gewaltanwendung in der gegenwärtigen Situation nicht für ein vertretbares Mittel des politischen Kampfes. In einer Lage hingegen, […] deren Unerträglichkeit keineswegs allgemein ins Bewußtsein getreten ist, […] müssen sich die handelnden Subjekte […] inhumane Folgen ihres Handelns moralisch zurechnen lassen.“

In einem am 5. Juni 1968 veröffentlichten Aufsatz stellte Habermas nicht mehr die befürchteten Folgen in den Vordergrund, sondern bejahte die teils neu erfundenen, teils aus anderen Ländern übernommenen Demonstrationsformen der westdeutschen Studenten und Schüler als geeignete Mittel für die Aufklärung der Bevölkerung über gegenwärtige Zustände des kapitalistischen Gesellschaftssystems. Sie provozierten durch den „virtuellen Charakter eines Spiels“ und der „ironischen Verdopplung“ Abwehrreaktionen und könnten so einen „heilsamen Schock“ und „erstauntes Nachdenken“ erzeugen.[20]

Unter dem Eindruck von Medienberichten und Politikeraussagen gegen „Sympathisanten“ der RAF-Terroristen nahm Habermas kritische Intellektuelle 1977 vor dem Vorwurf des „Linksfaschismus“ in Schutz. Seine Aussage vom 9. Juni 1967 sei eine für deutsche Linke typische Überreaktion aufgrund ihrer besonderen Sensibilität für unbeabsichtigte Gewaltwirkungen von Ideen gewesen.[21]

Rezeption in der APO

In der Neuen Linken stieß der Faschismusvorwurf von Habermas auf energischen Widerspruch, zumal die Studentenbewegung damals häufig solchen Vorwürfen und Vergleichen ausgesetzt war. So bezeichnete der damalige Direktor der Frankfurter Universität, Walter Rüegg, ein geplantes Go-in von Studenten im November 1967 öffentlich als „Einübung faschistischer Terrormethoden“. Aus diesem Anlass schrieben Studenten und akademische Mitarbeiter der Universität in einem als Flugblatt verbreiteten offenen Brief:[22]

„Ein Gespenst geht um in Deutschland – das Gespenst des Linksfaschismus. Gegen die unreflektierte Verwendung derartiger Begriffe, gegen die Diffamierung unbequemer Minderheiten protestieren wir mit aller Entschiedenheit. Ein ehemaliger Bundeskanzler spricht ungeniert in nationalsozialistischem Jargon von ,Entartung'; seine Magnifizenz von faschistischem Terror dort, wo kritische Studenten ihre Lehrer zu rationaler Diskussion provozieren.“

Oskar Negt schrieb im Kursbuch vom Juni 1968:[23]

„[…] der Vorwurf des Linksfaschismus ist Ausdruck einer Zerfallsstufe des bürgerlich-liberalen Bewußtseins, das von der fühlbaren Brüchigkeit der Institutionen und Regeln betroffen ist und doch in den sozialistischen Alternativen nur das Ende aller Sicherheit und Freiheit zu entdecken vermag […]. Der Linksfaschismus ist die Projektion der systemimmanenten Faschisierungstendenzen auf leicht diskriminierbare Randgruppen […]. Wer die Sicherheit der Freiheit dem Staat […] überläßt, ist Opfer einer fatalen Illusion: er glaubt an die Existenzfähigkeit einer Demokratie ohne Demokraten.“

Wolfgang Abendroth und Oskar Negt gaben verschiedene Antworten auf den Vorwurf von Habermas 1968 als Buch heraus.[24] Darauf reagierten verschiedene Autoren.[25]

APO-Anhänger griffen den Vorwurf auch in ironischer Form auf. Weil Theodor W. Adorno im Juli 1967 bei einem Vortrag über Goethe nicht über Ohnesorgs Tod diskutieren wollte, entrollten Anwesende ein Spruchband mit dem Satz „Berlins linke Faschisten grüßen Teddy den Klassizisten“.[26] Am 31. Januar 1969 ließ Adorno seinen Doktoranden Hans-Jürgen Krahl und andere Studenten, die im Institut für Sozialforschung einen Raum zum Diskutieren gesucht hatten, von der Polizei festnehmen und stellte Strafantrag gegen Krahl, in dessen Folge dieser wegen Hausfriedensbruchs verurteilt wurde. Herbert Marcuse sagte einen Besuch im Institut deswegen ab und verteidigte die Studenten brieflich gegenüber Adorno auch gegen den Vorwurf des „linken Faschismus“, den er als contradictio in adiecto („Widerspruch in sich“) bezeichnete. Adorno dagegen verteidigte den Begriff. Nach seinem Tod am 6. August 1969 schrieb Krahl in seinem Nachruf: Wie andere kritische Intellektuelle habe Adorno projiziert, „die sozialistische Aktion von links setze das Potenzial des faschistischen Terrors von rechts, das sie bekämpft, überhaupt erst frei. Damit aber ist jede Praxis apriori als blind aktionistisch denunziert.“[27]

2001 in einem Interview meinte der 68er Daniel Cohn-Bendit, linke Studenten hätten damals einen „Mangel an demokratischer Sensibilität“ gezeigt, dessen Erscheinungsform dem „faschistoiden Gebaren“ geähnelt habe. Dass Joschka Fischer mit drei anderen „Straßenkämpfern“ damals einen Polizisten mit Steinen in der Hand verprügelt habe, sei „Linksmachismus“ gewesen. „Unsere Selbstgerechtigkeit, unsere Unfähigkeit zu offenen Diskussionen […] ist ein wahrer wunder Punkt. […] Ich hätte schon viel früher zu dem Polizisten gehen sollen, der bei der Meinhof-Demonstration im Mai 1976 von einem Molotow-Cocktail schwer verletzt wurde.“ Gemeint war Jürgen Weber.[28]

Sonstige Rezeption

In der aufgeheizten Lage nach der Erschießung Ohnesorgs 1967 griffen viele Medienkommentatoren das Schlagwort auf, benutzten es zur Diffamierung der Studentenbewegung und deuteten Dutschkes Konzept als Einladung zu und Inkaufnahme von illegitimer Gewalt gegen Menschen. So bezeichnete die Bildzeitung demonstrierende linksgerichtete Studenten am 3. Juni 1967 als „rote SA“.[29] Chefredakteur Peter Boenisch nannte sie oft „Linksfaschisten“.[30]

Auch Politiker benutzten das Schlagwort oder sinngemäße Vergleiche damals gegen die Studentenbewegung: etwa Franz Josef Strauß (CSU), Rainer Barzel (CDU), Herbert Wehner (SPD) und Heinz Kühn (SPD).[31] Horst Ehmke (SPD) etwa sagte bei einem SPD-Parteitag 1968:[32]

„Soweit sie [die anti-liberale action directe] Diskussionen sprengt, Vorlesungen stört, Zeitungen verbrennt und Fensterscheiben einschlägt, verdient sie durchaus als ‚pseudo-linker Faschismus‘ bezeichnet zu werden. Diese Art von Protest wird an den bestehenden Mängeln unserer Gesellschaft nicht das Geringste ändern. Sie wird vielmehr die Reaktion in diesem Lande stärken, Faschismus nicht ‚herauslocken‘, sondern mitproduzieren.“

Die CDU gab für den Bundestagswahlkampf 1969 einen „Leitfaden für den Umgang mit der APO“ heraus, in dem es zum Stichwort „faschistoid“ hieß:[33]

„Faschistoid ist nach Meinung der Linken unsere Gesellschaft, da sie sich ‚faschistischer‘ Methoden bedient. […] Faschismus aber ist ein politisches System, das auf Gewalt aufbaut und insbesondere gegen die Demokratie gerichtet ist. Insofern sind die Gewaltanwendungen des SDS […] ein klarer Beweis eines linken Faschismus.“

Diese Sicht wird als Reaktion auf Faschismusvorwürfe seitens der 68er-Generation an die Elterngeneration, die die NS-Zeit erlebt hatte, gedeutet:[34]

„Nur allzu gern übernahm man also auf Seiten des ‚Establishments‘ den von Jürgen Habermas missverständlich formulierten und später korrigierten Vorwurf des ‚Linksfaschismus‘, schien dieser doch die eigenen, anti-totalitaristisch formulierten Vorbehalte perfekt auf den Punkt zu bringen. Allgegenwart und Willkür des Faschismusvorwurfs waren die Folge. Avancierte dabei das Adjektiv ‚faschistoid‘ zum Modewort der späten sechziger Jahre, standen sich die Kontrahenten in Sachen grotesker Geschichtsanalogien in Nichts nach.“

Den Sechstagekrieg (5. bis 10. Juni 1967), der nur Tage nach Benno Ohnesorgs Erschießung begann, deuteten einige deutsche Medien als Analogie zu einem „Blitzkrieg“ der deutschen Wehrmacht. Der Verleger Lothar Menne kommentierte diesen Trend 1969 sarkastisch: „Eine reaktionäre Gesellschaft, die vorher sechs Millionen Juden ermordet hat, befreit sich von ihrem schlechten Gewissen, indem sie den Faschismusvorwurf an diejenigen weitergibt, die in den letzten Jahren autoritäre Tendenzen in diesem Land aufgezeigt haben. Sie sind jetzt die Linksfaschisten, und alte PGs [Parteigenossen der NSDAP] werden zu Widerstandskämpfern.“[35]

Nach Terroranschlägen der RAF sagte der Journalist Gerhard Löwenthal am 12. Januar 1972 im ZDF-Magazin: „Die Sympathisanten des Linksfaschismus, die Bölls und Brückners und all die anderen sogenannten Intellektuellen, sind nicht einen Deut besser, als die geistigen Schrittmacher der Nazis.“[36] Die Aussage griff den Dichter Heinrich Böll, den Sozialpsychologen Peter Brückner und andere an, die vor Hysterie und Abbau rechtsstaatlicher Prinzipien im Zuge der staatlichen Antiterrormaßnahmen gewarnt hatten, und löste einen anhaltenden Skandal aus.[37] Ein Namensvetter Heinrich Bölls erhielt nach der Sendung viele Drohbriefe und Drohanrufe, durch die er erkrankte.[38]

Joachim Fest warf dem Dramatiker Rainer Werner Fassbinder im März 1976 vor, sein noch nicht aufgeführtes Theaterstück Der Müll, die Stadt und der Tod sei antisemitischer Ausdruck eines Linksfaschismus.[39] Fest wurde daraufhin scharf kritisiert: Er habe die politische Linke pauschal mit Faschismus und diesen mit Antisemitismus gleichgesetzt, um so dem bis dahin leeren Vorwurf des Linksfaschismus einen (falschen) Inhalt zu geben. Dies sei eine gezielte Selbst- und Lesertäuschung.[40]

Klaus Farin konstatierte 1997, dass wechselseitige Faschismusvorwürfe zwischen Skinheads und Autonomen ein verbreitetes Kommunikationsmuster seien:[41]

„Immer wiederkehrend, vor allem bei direkten Auseinandersetzungen auf der Straße, ist die Retourkutsche mit demselben Inhalt: dem (Links-)Faschismus-Vorwurf. Beiderseits wird der Begriff in inflationärer Weise gleichbedeutend mit undemokratisch, erpresserisch usw. verwendet. Durch diese schärfste aller Anschuldigungen eskalieren die Konflikte, Endlosdiskussionen und Kurzschlusshandlungen sind die Folge.“

Rechtsextremisten, etwa Angehörige der NPD, und Vertreter der Neuen Rechten benutzen den Begriff seit den 1960er Jahren, besonders seit der Wiedervereinigung Deutschlands 1990, zur Diffamierung politischer Gegner, so auch für Angehörige demokratischer Parteien.[42] So schrieb etwa Klaus Hornung im Jahr 2000:[43]

„Die (extreme) Linke war schon immer Meister im Besetzen der Begriffe und damit der Köpfe – beginnend mit Marx und Lenin. Der rot-grüne Block in Deutschland und seine willigen Helfer in den Medien haben diese Tradition seit Jahren erfolgreich fortgesetzt. Es ist ihnen gelungen, den eigenen politischen Standpunkt und Willen als den allein „demokratischen“ auszugeben und die Gegner mit den Begriffs-Keulen ‚Faschismus‘, ‚Rassismus‘, ‚Fremdenfeindlichkeit‘ etc. zu belegen und damit a priori aus dem politischen Diskurs auszuschalten. […] Der Linksfaschismus marschiert im Gewand der antifaschistischen Demokratie.“

Thilo Sarrazin bezeichnete Gegner nach einer Absage einer Diskussion um sein Buch Deutschland schafft sich ab laut Bild-Zeitung vom Januar 2011 als „Linksfaschisten“, die freie Meinungsäußerungen verhinderten, und verglich sie diesbezüglich mit nationalsozialistischen Studenten. Dies wies die Technische Universität Berlin als Veranstalter öffentlich zurück.[44]

Bezeichnung für Realsozialismus (Peter Sloterdijk)

Der deutsche Philosoph Peter Sloterdijk plädierte 1999, etwa in der Elmauer Rede, mit Begriffen wie „Menschenzucht“ und „Anthropotechnik“ dafür, Keimbahntherapie und pränatale Diagnostik samt Selektion von „fehlerhaften“ Embryonen gesetzlich zum Regelfall zu erheben. Daraufhin bezeichnete Habermas Sloterdijks Rede in einem Privatbrief als „genuin faschistisch“. Sloterdijk antwortete, Habermas versuche, „eine ganze Nation mit seinen linksfaschistischen Agitationen zu bewegen“. Die Kritische Theorie sei „tot“.[45] Die Philosophie solle sich endlich zu einer „kopernikanischen Mobilmachung“ bekennen und eine „ptolemäische Abrüstung“ vornehmen. Er meinte damit das Ablegen von aus seiner Sicht überholten, marxistisch beeinflussten Ideologien, besonders im Bereich der Sozialwissenschaften.[46]

In einem Interview sagte Peter Sloterdijk 2005:[47]

„Dass sich der linke Faschismus als Kommunismus zu präsentieren beliebte, war eine Falle für Moralisten. Mao Tse-tung war nie etwas anderes als ein linksfaschistischer chinesischer Nationalist, der anfangs den Jargon der Moskauer Internationale pflegte. Gegen Maos fröhlichen Exterminismus gehalten, erscheint Hitler wie ein rachitischer Briefträger. Doch man scheut noch immer den Vergleich der Monstren. Das massivste ideologische Manöver des Jahrhunderts bestand ja darin, dass der linke Faschismus nach 1945 den rechten lauthals anklagte, um ja als dessen Opponent zu gelten. In Wahrheit ging es immer nur um Selbstamnestie. Je mehr die Unverzeihlichkeit der Untaten von rechts exponiert wurde, desto mehr verschwanden die der Linken aus der Sichtlinie.“

Sloterdijk bezeichnete „den Linksfaschismus“ 2006 in seinem Werk „Zorn und Zeit“ als „vorherrschendes Sprachspiel“ im Antifaschismus der Nachkriegszeit, des Stalinismus und der Neuen Linken. Er bezog den Begriff auf den gesamten Realsozialismus unter Lenin, Stalin und Mao. Er listete Merkmale auf, die deren Systeme für ihn mit dem Nationalsozialismus vergleichbar machen, darunter ein FührerprinzipMilitarismusZentralismusKollektivismus, Demokratiefeindlichkeit, Misstrauen gegen Individualismus und Pluralismus, Monopolisierung des öffentlichen Raums und der Medien durch Parteipropaganda, die Aufhebung des neuzeitlichen Tötungsverbots im Dienst der als gut erklärten Sache und weitere.[48]

Bezeichnung für „Nationaler Sozialismus“

Manche Historiker und Politikwissenschaftler haben sozialistische und antikapitalistische Programmpunkte und Ideologiebestandteile faschistischer Gruppen als „Linksfaschismus“ bezeichnet, den Begriff also historisch-analytisch etwa für einen Nationalen Sozialismus verwendet. Peter von Oertzen sah in der völkisch-antikapitalistischen Komponente einen Grundzug des Faschismus überhaupt, der diesen vom Rechtsradikalismus bürgerlicher und reaktionärer Parteien der Weimarer Zeit unterschieden habe.[49]

Johannes Agnoli ordnete den antikapitalistischen Flügel der NSDAP um Otto und Gregor Strasser als Linksfaschismus ein. Adolf Hitler hatte diese Vertreter 1926 entmachtet und ließ sie und weitere innerparteiliche Gegner 1934 im angeblichen Röhm-Putsch ermorden.[50]

Otto-Ernst Schüddekopf benutzte den Begriff für faschistische Bewegungen in Europa nach 1945, die ihm zufolge ernsthaft den Sozialismus anstrebten:[51]

„Die französischen Faschisten Marcel Déat, Eugene Deloncle, Jacques Doriot und Valois kamen vom Sozialismus und waren bestrebt, ihn in einer nationalen Form zu realisieren. Auch im Faschismus Mosleys war die sozialistische Komponente durchaus ernst zu nehmen. Seine an Keynes orientieren wirtschaftspolitischen Auffassungen hatte er in der Labour Party und sogar in der linksgerichteten Independent Labour Party entwickelt. Es ging ihm in erster Linie um die Überwindung der Arbeitslosigkeit und die Schaffung gesunder wirtschaftlicher Verhältnisse.“

So wurden das Programm der Rassemblement National Populaire (RNP) in Frankreich[52] und der Peronismus in Argentinien als Linksfaschismus eingeordnet.[53]

Vereinigte Staaten

Vor den Halbzeitwahlen 1946 beschimpften Vertreter der Republikaner die Demokratische Partei als red fascists („rote Faschisten“). Dies drückte ihre Ablehnung der Anti-Hitler-Koalition mit der Sowjetunion und der bisherigen Politik Franklin D. Roosevelts im aufkommenden Kalten Krieg aus.[54] Das Blackmailing (öffentliche Denunzieren mit Namenslisten) missliebiger Personen, vielfach von Schwarzen, Künstlern und Intellektuellen, als red fascists verbreitete sich 1947 auch in Fernsehgesellschaften der USA.[55] 1948 war red fascists im McCarthyismus bereits ein gängiger Ausdruck für alle vermuteten Kommunisten und ihre Anhänger in allen gesellschaftlichen Bereichen der USA geworden, etwa in den Gewerkschaften, Universitäten und Medien.[56] Nach der Entmachtung McCarthys 1954 gebrauchte J. Edgar Hoover, der Gründer und langjährige Leiter des FBI, die Begriffe red fascists oder communazis weiterhin für alle Personen, die er für Kommunisten hielt: darunter viele deutsche Antifaschisten, die in der NS-Zeit in die USA geflohen waren.[57]

Der US-amerikanische Soziologe Lewis Samuel Feuer deutete die Neue Linke als left wing fascism und erklärte diesen aus einem Generationenkonflikt.[58] Auch Irving Louis Horowitz kennzeichnete die Studentenbewegung der 1960er Jahre 1970 als neuen, linksgerichteten Faschismus.[59] 1981 beschrieb Horowitz einen gegenwärtigen left-wing fascism als „infantile Unordnung“. Er bezog sich dabei auf den Linksterrorismus, den er als Ergebnis der Ideen der Frankfurter Schule deutete. Der linke habe viel vom rechten Faschismus gelernt, sei aber urban und elitär. In ihm drücke sich ein Klassengegensatz in der Industriegesellschaft aus.[60]

In einer Rede vom 3. Juli 2020 zum bevorstehenden Unabhängigkeitstag denunzierte der damalige US-Präsident Donald Trump die antirassistische Bewegung Black Lives Matter als “far-left fascism” („linksextremen Faschismus“), der drohe, die amerikanische Geschichte zu diffamieren, die amerikanischen Werte auszulöschen und die Kinder zu indoktrinieren.[61]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Julius H. Schoeps, Christopher Dannemann: Die rebellischen Studenten. Elite der Demokratie oder Vorhut eines linken Faschismus? Bechtle, 1968.
  • Oskar NegtStudentischer Protest, Liberalismus, „Linksfaschismus“. Kursbuch 13, 1968, S. 179–189. In: Oskar Negt: Politik als Protest. Reden und Aufsätze zur antiautoritären Bewegung. Frankfurt am Main 1971.
  • Oskar Negt, Wolfgang Abendroth (Hrsg.): Die Linke antwortet Jürgen Habermas. Europäische Verlagsanstalt, 1969
  • Johannes Agnoli: Zur Faschismusdiskussion: ein Beitrag zur Bestimmung des Verhältnisses von Politik und Ökonomie und der Funktion des heutigen bürgerlichen Staates. Verlag O, 1973, S. 43 ff.
  • Ernst NolteStudentenbewegung und „Linksfaschismus“. In: Ernst Nolte: Marxismus, Faschismus, Kalter Krieg. Vorträge und Aufsätze 1964–1976. (1977) Deutsche Verlags-Anstalt, Berlin 1985, ISBN 3-421-01824-3, S. 237–252.
  • Wolfgang Fritz Haug„Linksfaschismus“. In: Wolfgang Fritz Haug: Vom hilflosen Antifaschismus zur Gnade der späten Geburt. Argument, Berlin 1987, ISBN 3-88619-309-8
  • Wolfgang KraushaarEntschlossenheit: Dezisionismus als Denkfigur. In: Die RAF und der linke Terrorismus. Zwei Bände, Hamburger Edition, Hamburg 2006, ISBN 3-936096-65-1, S. 140–156.
  • Heidrun Kämper: Aspekte des Demokratiediskurses der späten 1960er Jahre: Konstellationen – Kontexte – Konzepte. Walter de Gruyter, Berlin 2012, ISBN 978-3-11-026342-8, Kapitel 4.2.2 (Stigmatisierung: „Das Gespenst des Faschismus“, S. 84–104)
  • Heidrun Kämper: Wörterbuch zum Demokratiediskurs 1967/68. Walter de Gruyter, Berlin 2013, ISBN 3-05-006511-7 (Stichwort Faschismus, S. 409–413 und öfter)