Marsch auf Rom
Unter dem Marsch auf Rom (italienisch Marcia su Roma) versteht man die Machtübernahme Mussolinis und der von ihm geführten faschistischen Bewegung in Italien im Oktober 1922.
Vorgeschichte: Italien 1919 bis 1922
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Italien von einer tiefen wirtschaftlichen, politischen und kulturell-moralischen Krise erschüttert. Das Land gehörte zwar 1918 zu den Siegermächten, aber schon bald setzte sich die Meinung durch, die italienischen Politiker hätten auf den Friedenskonferenzen die italienischen Interessen nicht ausreichend vertreten – das Schlagwort der vittoria mutilata, des „verstümmelten Sieges“, das der Dichter-Soldat Gabriele D’Annunzio geprägt hatte, verbreitete sich. Zusätzlich machte sich die Agitation der Dritten Internationale bemerkbar, die, angefeuert durch den Sieg der Oktoberrevolution von 1917 in Russland, eine revolutionäre Umgestaltung Europas propagierte. Im „Biennio rosso“ (den zwei Jahren revolutionärer Agitation in Italien) erhoben sich zahlreiche Pächter und Landarbeiter mit ihren „Ligen“ und Kooperativen gegen die Grundbesitzer (agrari), die teilweise gewaltsam vertrieben und de facto enteignet wurden. Ab Mitte 1920 begannen auch die Industriearbeiter mit Fabriksbesetzungen und Enteignungen von Industriellen. Die 1919 gegründete, aber zunächst erfolglose faschistische Bewegung trat gegen diese Ansätze einer bolschewistischen Revolution auf und setzten den „Arditi del Popolo“ der Sozialisten ihre „Fasci di combattimento“ entgegen. Sie vertrieben die Fabriksbesetzer unter Anwendung von Gewalt und drangen in der Folgezeit aufs Land vor, wo sie auch die Landbesetzer vertrieben und die Organisationen und Einrichtungen der revolutionären Arbeiterbewegung zerstörten. Selbst sozialistisch dominierte Gemeindeverwaltungen wurden angegriffen. Die Regierung und die Exekutive ließen die Faschisten meist gewähren, weil sie in ihnen zunächst nur Verbündete zur Wahrung der Ordnung sahen.
In den Jahren 1921 und 1922 breitete sich die faschistische Bewegung sowohl geographisch als auch zahlenmäßig aus und wurde 1922 mit über 300.000 Mitgliedern zur stärksten Massenbewegung des liberalen italienischen Staats. Schon Ende 1921 hatte Mussolini, der immer mehr zum unbestrittenen Kopf, dem Duce, des Faschismus avancierte, die bis dahin lose zusammengehaltene Bewegung lokaler Squadren und Fasci di Combattimento in eine Partei, den Partito Nazionale Fascista („Nationale Faschistische Partei“, PNF) umgewandelt.
Als entscheidende Niederlage der Sozialisten, deren Partei sich in dieser Zeit überdies zweimal spaltete, kann der gescheiterte Generalstreik vom Juli/August 1922 gelten, den die faschistischen Trupps in den großen Städten mit Gewalt auflösten. Die Faschisten forderten nach diesem Sieg Neuwahlen und drohten mit einem „Marsch auf Rom“, falls dieses Anliegen nicht erfüllt würde. Der König gab diesem Drängen schließlich nach.
Am 1./2. Oktober 1922 organisierten die Faschisten den Marsch auf Bozen, der gegen die deutsche Volksgruppe in Südtirol gerichtet war. Die Untätigkeit der italienischen Sicherheitskräfte bestärkte die Faschisten in der Überzeugung, dass bei einem Staatsstreich kaum Widerstand von Seiten des demokratischen Italien zu erwarten wäre. Historikern gilt diese Aktion deshalb als Generalprobe für den „Marsch auf Rom“.
Marsch auf Rom: 27.–31. Oktober 1922
Bei mehreren großen Veranstaltungen im September und Oktober 1922 versammelte Mussolini die Kräfte des Squadrismus und kündigte den „Marsch auf Rom“ seiner Anhänger an, um die italienische Regierung notfalls auch gewaltsam zu übernehmen. Als sich immer deutlicher abzeichnete, dass Mussolini seine Androhung wahrmachen würde, erhoben sich allerdings auch warnende Stimmen. Der römische Militärkommandant Emanuele Pugliese beispielsweise drängte den Ministerpräsidenten Luigi Facta, den Notstand auszurufen, aber der unentschlossene Facta weigerte sich. Erst in der Nacht vom 27. zum 28. Oktober, kurz nach Mitternacht, als sich bereits Tausende zum Marsch bereitmachten und aus den Provinzen Nachrichten über Besetzungen von staatlichen Einrichtungen eintrafen, berief Facta das Kabinett ein.
Die faschistischen squadre hatten am 27. Oktober damit begonnen, die lokalen Verwaltungsgebäude (Präfekturen und Quästuren, also Polizeidienststellen), Verkehrsknotenpunkte und Kasernen zu besetzen und versuchten, sich Zugang zu staatlichen Waffenlagern zu verschaffen. Diese Versuche waren allerdings nur in einigen Teilen Norditaliens, vor allem im Veneto und in Friaul, erfolgreich; in einem großen Teil Nord- und Mittelitaliens scheiterte dieser militärische Teil des „Aufstandes“ jedoch bereits im Ansatz. Im Süden fand eine Erhebung oft gar nicht erst statt.
Die in Permanenz tagende Regierung Facta beschloss in der Nacht, den Belagerungszustand auszurufen. Das Notstandsdekret, das der Armee das sofortige Losschlagen gegen die Faschisten ermöglichen sollte, wurde vorbereitet, und Facta brachte es am nächsten Morgen zu König Viktor Emanuel III., dessen Unterschrift nötig war, damit das Dekret in Kraft treten konnte.
Einige der konservativen Vertrauten des Königs wie Antonio Salandra, der ehemalige italienische Premier, hatten ihm von der Unterschrift abgeraten – teils, weil sie sich dann den Rücktritt des unbeliebten liberalen Facta erhofften, teils, weil sie glaubten, in einer Koalition mit den Faschisten hohe Ämter zu erhalten. Sie vertraten die Ansicht, die Faschisten seien der Armee zahlenmäßig weit überlegen, Mailand sei schon in ihrer Hand und Rom könne nicht mehr gehalten werden, es gäbe nur unnötiges Blutvergießen im Falle der Unterzeichnung des Dekretes. Als Vittorio Emanuele den Marschall Armando Diaz, den Oberbefehlshaber des italienischen Heeres 1917/18, nach der Verlässlichkeit des Heeres fragte, antwortete dieser: „Majestät, die Armee wird ihre Pflicht tun, aber es wäre besser, sie nicht auf die Probe zu stellen.“
Vittorio Emanuele verweigerte daraufhin am Morgen des 28. Oktober 1922 die Unterschrift des Dekretes. Die Gründe für diese plötzliche Entscheidung sind bis heute umstritten. Sicher wollte der König keinen Bürgerkrieg riskieren, aber auch die Furcht vor einer Usurpation seines Vetters, des als Sympathisant der Faschisten bekannten Herzogs von Aosta, dürfte eine Rolle gespielt haben. Facta trat daraufhin zurück und schlug Salandra als neuen Regierungschef vor. Salandra selbst überredete nach diesem gescheiterten Versuch den König, Mussolini zum neuen Ministerpräsidenten zu ernennen. Vittorio Emanuele III. bestellte daraufhin am Abend des 29. Oktober Mussolini aus Mailand nach Rom ein.
Der „Duce“ der faschistischen Bewegung bestieg noch am gleichen Abend einen Nachtzug von Mailand nach Rom und kam am Morgen des 30. Oktober 1922 am Bahnhof Roma Termini an. Er begab sich daraufhin zunächst ins Hotel und dann im Schwarzhemd, der squadristischen Uniform, zum König, an den er als erstes die Worte gerichtet haben soll: „Majestät, ich komme vom Schlachtfeld“, was nicht ganz den Fakten entsprochen hätte. Das „Schlachtfeld“ waren die vom Herbstregen aufgeweichten Felder einige Dutzend Kilometer vor den Toren Roms, auf denen mittlerweile mehrere Zehntausend Faschisten in drei großen Gruppen eingetroffen waren. Zeitgenössische Angaben schwanken zwischen 50.000 und über 70.000, wahrscheinlich dürften es schließlich zwischen 40.000 und 50.000 Mann gewesen sein, die zu Fuß oder in zum Teil gekaperten Sonderzügen in der Nähe der Hauptstadt eingetroffen waren.
Nach der Ernennung Mussolinis zum Regierungschef gab dieser die Weisung, die faschistischen Verbände in Marsch zu setzen, die dann am 31. Oktober 1922 in Rom eine Parade abhielten. Anschließend kam es – wie schon in den Tagen zuvor – zu Überfällen auf sozialistische und kommunistische Pressebüros und Gewalttaten gegen deren Anhänger.
Folgen und Auswirkungen
Die Faschisten hatten die Gunst der Stunde genutzt und durch ein entsprechendes Auftreten den Eindruck äußerster Entschlossenheit erweckt, die vielleicht berechtigt war, aber aufgrund der schlechten Ausrüstung der Squadristen einem entschlossenen Einschreiten seitens der Armee kaum standgehalten hätte.
In den folgenden Jahren, besonders ab 1925, errichteten die Faschisten mit Mussolini an der Spitze eine totalitäre Diktatur. Die „Nationale Faschistische Partei“ (Partito Nazionale Fascista, gegründet im November 1921) wurde zur Einheitspartei, regimekritische Zeitungen wurden verboten, Gegner der Faschisten mit den Repressionsmaßnahmen eines ausgebauten Polizeistaats verfolgt.
Schon bald nach 1922 sah Adolf Hitler, Führer der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP), in Mussolini ein Vorbild und plante einen „Marsch auf Berlin“, der ihn an die Macht bringen sollte. Allerdings scheiterte der als „Hitlerputsch“ bekannt gewordene Umsturz bereits in seinen Anfängen, nämlich in München mit dem Marsch zur Münchner Feldherrnhalle am 9. November 1923. Hitler gab daraufhin die Strategie der gewaltsamen Machteroberung auf und begann nach der Neugründung der NSDAP den legalen Aufstieg seiner Bewegung, der schließlich am 30. Januar 1933 mit seiner Ernennung zum Reichskanzler zum Erfolg führte.
Der von Mussolini gegründete und geprägte Faschismus erreichte sehr schnell in ganz Europa Vorbildcharakter; Italien avancierte schnell zum Modell faschistischer Herrschaft und zum „Gravitationszentrum“ (Hans Woller) derjenigen Bewegungen in Europa, die sich auf das Vorbild des italienischen Faschismus beriefen, selbst aber nicht imstande waren, die Macht zu erobern.
March on Rome
March on Rome | |||||||||
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Benito Mussolini and his Blackshirts during the March | |||||||||
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Belligerents | |||||||||
Commanders and leaders | |||||||||
Luigi Facta Antonio Salandra Paolino Taddei Marcello Soleri Giovanni Giolitti | Benito Mussolini Emilio De Bono Italo Balbo C. M. De Vecchi Michele Bianchi | ||||||||
Political support | |||||||||
Liberals Socialists Populars Communists | Fascists Nationalists |
The March on Rome (Italian: Marcia su Roma) was an organized mass demonstration in October 1922 which resulted in Benito Mussolini's National Fascist Party (PNF) ascending to power in the Kingdom of Italy. In late October 1922, Fascist Party leaders planned an insurrection, to take place on 28 October. When fascist demonstrators and Blackshirt paramilitaries entered Rome, Prime Minister Luigi Facta wished to declare a state of siege, but this was overruled by King Victor Emmanuel III. On the following day, 29 October 1922, the King appointed Mussolini as Prime Minister, thereby transferring political power to the fascists without armed conflict.[1][2]
Background
In March 1919, Benito Mussolini founded the first Italian Fasces of Combat (FIC) at the beginning of the so-called Red Biennium, a two-year long social conflicts between the Italian Socialist Party (PSI) and the liberal and conservative ruling class. Mussolini suffered a defeat in the election of November 1919.[3]
Since 1919, Fascists militias, known as squadristi or "Blackshirts" due to their uniforms, began to attack socialist politicians and militants. In August 1920, the militia was used to break the general strike which started at the Alfa Romeo factory in Milan, while in November 1920, after the assassination of Giulio Giordani (a right-wing municipal councillor in Bologna), the Blackshirts were active in violent suppression of the socialist movement, which included a strong anarcho-syndicalist component, especially in the Po Valley.
In the 1921 general election the Fascists ran within the National Blocs of Giovanni Giolitti, an anti-socialist coalition of liberals, conservatives and fascists. The Fascists won 35 seats and Mussolini was elected in the Parliament for the first time.
After a few weeks, Mussolini withdrew his support for Giolitti and his Italian Liberal Party (PLI) and attempted to work out a temporary truce with the Socialists by signing the so-called "Pact of Pacification" in the summer 1921. The Pact led to many protests by the radical members of the Fascist movement, led by local leaders like Roberto Farinacci, who were known as Ras. In July 1921, Giolitti attempted to dissolve the Blackshirts, but he failed; while the Pact with the Socialists was nullified during the Third Fascist Congress on 7–10 November 1921, during which Mussolini promoted a nationalist program and renamed his movement National Fascist Party (PNF), which enrolled 320,000 members by late 1921.[4]
In August, an anti-fascist general strike was organized throughout the country, but it failed and was repressed by the Fascists. A few days before the march, Mussolini consulted with the U.S. Ambassador Richard Washburn Child about whether the U.S. government would object to Fascist participation in a future Italian government and Child gave him American support. When Mussolini learned that Prime Minister Luigi Facta had given Gabriele D'Annunzio the mission to organize a large demonstration on 4 November 1922 to celebrate the national victory during the war, he decided to immediately implement the March.
March
On 24 October 1922, Mussolini declared in front 60,000 militants at a Fascist rally in Naples: "Our program is simple: we want to rule Italy."[5] On the following day, the Quadrumvirs, Emilio De Bono, Italo Balbo, Michele Bianchi and Cesare Maria de Vecchi, were appointed by Mussolini at the head the march, while he went to Milan. He did not participate in the march, though he allowed pictures to be taken of him marching along with the Fascist marchers, and he comfortably went to Rome the next day.[6] Generals Gustavo Fara and Sante Ceccherini assisted with the preparations of the March of 18 October. Other organizers of the march included the Marquis Dino Perrone Compagni and Ulisse Igliori.
On 26 October, the former Prime Minister Antonio Salandra warned the then Prime Minister, Luigi Facta, that Mussolini was demanding his resignation and that he was preparing to march on Rome. However, Facta did not believe Salandra and thought that Mussolini would only become a minister of his government. To meet the threat posed by the bands of fascist troops now gathering outside Rome, Luigi Facta (who had resigned but continued to hold power) ordered a state of siege for Rome. Having had previous conversations with the King about the repression of fascist violence, he was sure the King would agree.[7] However, King Victor Emmanuel III refused to sign the military order.[8] On 29 October, the King handed power to Mussolini, who was supported by the military, the business class, and the right wing.
The march itself was composed of fewer than 30,000 men, but the King in part feared a civil war since the squadristi had already taken control of the Po plain and most of the country, while Fascism was no longer seen as a threat to the establishment.[citation needed] Mussolini was asked to form his cabinet on 29 October 1922, while some 25,000 Blackshirts were parading in Rome. Mussolini thus legally reached power, in accordance with the Statuto Albertino, the Italian Constitution. The March on Rome was not the seizure of power which Fascism later celebrated but rather the precipitating force behind a transfer of power within the framework of the constitution. This transition was made possible by the surrender of public authorities in the face of fascist intimidation. Many business and financial leaders believed it would be possible to manipulate Mussolini, whose early speeches and policies emphasized free market and laissez faire economics.[9] This proved overly optimistic, as Mussolini's corporatist view stressed total state power over businesses as much as over individuals, via governing industry bodies ("corporations") controlled by the Fascist party, a model in which businesses retained the responsibilities of property, but few if any of the freedoms. By 1934 Mussolini claimed to have nationalized "three-fourths of the Italian economy, industrial and agricultural", more than any other nation except the Soviet Union.[10]
Mussolini pretended to be willing to take a subalternate ministry in a Giolitti or Salandra cabinet, but then demanded the presidency of the Council.[11] Fearing a conflict with the fascists, the ruling class thus handed power to Mussolini, who went on to install the dictatorship after the 10 June 1924 assassination of Giacomo Matteotti – who had finished writing The Fascisti Exposed: A Year of Fascist Domination – executed by Amerigo Dumini, accused of being the leader of the "Italian Ceka", though there is no evidence for such an organization existing.
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