Ein
Todesopfer schreibt...
(OFF
TOPIC, 28.12.2004)
Hallo,
Ihr Daheimgebliebenen!
Klar
doch. Ich bin selbst schuld... Warum wollte ich Weihnachten partout nicht bei
euch feiern? Stattdessen „flüchtete“ ich in Richtung sonniges Phuket in
Thailand, Sri Lanka, Malediven, Indonesien, Indien oder so. Dieser Tsunami hat
mich ja nahezu überall hingetragen... Ich habe erfahren, die Gewalt dieses
Tsunamis war stärker als eine Million Atombomben a la Hiroshima. Na, dann.
Rückblende. Vor meinem Check-in in Richtung Südost-Asien wusste ich zwar bis
ins kleinste Detail, wie meine Hotelanlage aussah (jedenfalls bis vor kurzem
noch)... ... ich wusste exakt, wie lange mein Flug (letztendlich: One-Way)
dauern würde und was mich das ganze kostet. Dass es mein Leben kosten würde,
damit habe ich eigentlich nicht gerechnet. Vor meiner Abreise erfuhr ich
hingegen recht wenig über Seebeben-Gefahren in meiner Reiseregion. Und ich
erfuhr praktisch nichts über Tsunamis. Ich hatte auch keine Ahnung, dass es
dort – für solche Fälle – nicht mal ein Frühwarnsystem gibt. Angeblich zu
teuer. Na ja: Wie viel ist ein Menschenleben auch wert? Aber auch ich habe es
einfach verabsäumt, im Reisebüro nachzufragen: „Hallo Leute, sagt mal, gibt es
dort, wo ich hinfliegen soll, auch ein intaktes Frühwarnsystem für Tsunamis?“
Ich meine, wer fragt das nicht? Andererseits: Was hätte meine Frage genutzt?
Ich nehme ja doch nicht an, dass mein Reisebüro bzw. mein Reiseveranstalter
ganz genau gewusst hat, dass es dort KEIN (!) intaktes Frühwarnsystem gibt.
Eben... In anderen Meeren bzw. Ferienregionen, so höre ich (leider erst) jetzt,
gibt es ein solches – letztendlich nicht uninteressantes - Frühwarn-System. Die
Seismologen dort, registrieren, irgendwo im Meer, ein Seebeben, das die
Richter-Skala zur Sonderschicht zwingt. - Und die Bevölkerung (inkl. Urlauber),
ein paar Tausend Kilometer weiter, kann dort über den drohenden Tsunami
informiert werden. Tolle Sache, was? Was es alles gibt... Diese Menschen dort
haben somit die faire Chance, zumindest ihr nacktes Leben zu retten. Und sogar
das ihrer, gerade am Sandstrand spielenden, Kinder. Einzige Bedingung: Diese
Menschen müssen es innerhalb einer bestimmten Zeit (zum Beispiel binnen einer
Stunde) schaffen, z.B. einen nahe gelegenen, etwa 20 Meter hohen Hügel zu
erklimmen. (Was dir in so einer Situation auch relativ leicht gelingt; kleine
Anmerkung) Doch da, wo ich war, in Südost-Asien, gibt es ein solches
Frühwarn-System offenbar nicht. Leider konnten wir nicht einmal via TV oder
Radio gewarnt werden. Angst vor Panik wird wohl nicht der Grund dafür gewesen
sein... Wenige Stunden nach meinem Ableben habe ich nun erfahren, dass
ausländische Warnzentralen dieses ausschlaggebende Beben vor Sumatra sehr wohl
registriert haben (no na, bei der Stärke) - zum Beispiel auf Hawaii. Doch mit
den, von der bis zu 700 km/h schnellen Flutwelle bedrohten, Ländern konnte man
einfach keinen Kontakt aufnehmen. Begründung: Es fehlte angeblich an
entsprechenden Rufnummern-Einträgen in diversen Adressbüchern. „Ein
funktionierendes Kommunikationssystem für Indien, Thailand, Bangladesch und Sri
Lanka existiere eben nicht“, meldet die österreichische Tageszeitung „Kurier“.
Hm... „Ein funktionierendes Kommunikationssystem für Indien, Thailand (...)
existiere eben nicht.“ - Auch diesen – unmissverständlichen - Hinweis habe ich
in meinem Reiseprospekt nicht vorgefunden. Leider. Denn dann wäre ich jetzt
wahrscheinlich noch immer in Österreich Schifahren... Sollte der Ort meines
Todes (irgendwo bei Indien) hinsichtlich meiner Wiedergeburt eine tragende
Rolle spielen, würde ich künftig ganz gerne als Gestalter von
Hochglanz-Reisekatalogen wiedergeboren werden. Bei meinen Prospekten wird
allerdings nicht die „Hotelanlage unter Palmen“ hervorgehoben, sondern die
ehrliche Warnung vor etwaigen Gefahren. Und zwar in den Farbtönen gelb-rot. Ich
wünsche Ihnen noch interessante Stunden vor Ihrem Fernseh-Gerät. Ich tippe auf
100.000+...
Übrigens: Wohin geht Ihre nächste Reise?
PS: Bin ja schon so
gespannt auf den übernächsten Sommer-Katalog 2006! Da wird es sicher wieder ein
paar super Schnäppchen geben. Und sollten Sie auf irgendeiner Palme einen
ziemlich kaputten Liegestuhl finden (was ich nicht annehme) – ICH brauche ihn
nicht mehr...
Mit freundlichen Grüßen, eines der toten Flutopfer…
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