Versetzung in den einstweiligen Ruhestand
Am 5. November 2018 bat Bundesinnenminister Horst Seehofer den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, Maaßen mit sofortiger Wirkung in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen,[115] was am 8. November 2018 erfolgte.[116] Sein Stellvertreter Thomas Haldenwang hatte seitdem das Amt kommissarisch geführt und wurde am 15. November 2018, nachdem das Bundeskabinett die Personalie bestätigt hatte, offiziell zum Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz ernannt.[117][118]
Hintergrund war Maaßens auch als Manuskript im Intranet des BfV veröffentlichte Abschiedsrede am 18. Oktober 2018 in Warschau vor europäischen Vertretern der Inlandsnachrichtendienste (Berner Club), in der er seine Wortwahl zu den Ausschreitungen in Chemnitz 2018 erneut verteidigte sowie „linksradikale Kräfte in der SPD“ ausgemacht haben wollte. „Medien sowie grüne und linke Politiker“ hätten sich durch ihn „bei ihrer Falschberichterstattung ertappt [gefühlt]“ und seine „Entlassung gefordert“. Weiter sprach er davon, dass „Medien und Politiker ‚Hetzjagden‘ frei erf[u]nden oder zumindest ungeprüft diese Falschinformation verbreite[t]“ hätten; dies sei für ihn „eine neue Qualität von Falschberichterstattung in Deutschland“.[119] Seehofer sprach von „inakzeptablen Äußerungen“ und zeigte sich „enttäuscht“, „eine Zusammenarbeit [sei] nicht mehr möglich“.[120] Das Innenministerium prüfte, ob Maaßen mit der Rede gegen das von Beamten verlangte Gebot der Zurückhaltung und Mäßigung verstoßen habe, kam aber zum Ergebnis, dass es keine rechtlichen Gründe für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gibt.[121]
Der damalige CDU-Vize und nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet sagte, der Fall Maaßen sei „an Absurdität nicht zu überbieten“. Der SPD-Innenexperte Burkhard Lischka meinte, man habe nicht „ohne Grund vor Wochen die Entlassung Maaßens wegen seiner ständigen Alleingänge und Querschläger gefordert“. Laut dem Grünen-Innenexperten Konstantin von Notz seien sich Maaßen und Seehofer „offenbar nicht im Klaren darüber, wie tief der Vertrauensschaden“ mittlerweile sei. Maaßen selbst hatte erklärt, er könne sich auch „ein Leben außerhalb des Staatsdienstes zum Beispiel in der Politik oder in der Wirtschaft vorstellen“. Einem Medienbericht zufolge hat Maaßen in einem Ersuchen an das Bundesinnenministerium selbst um seine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand gebeten.[122][123][124]
Der damalige AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen lud Maaßen dazu ein, in seiner Partei mitzuarbeiten. Maaßen sei „ein vorbildlicher Beamter, der die Wahrheit benennt“ und dafür „zu Unrecht sehr viel Prügel“ habe einstecken müssen. Mit den Worten „Ich bin seit 30 Jahren CDU-Mitglied. Ich bleibe das“ erteilte Hans-Georg Maaßen der Offerte der AfD eine Absage.[125] In einem Interview mit dem rechten Compact-Magazin kommentierte der AfD-Politiker Björn Höcke Maaßens Versetzung in den Ruhestand mit Blick auf den Verfassungsschutz mit den Worten, dass „[s]pätestens mit dem Rauswurf von Hans-Georg Maaßen […] auch diese Institution zum reinen Exekutivorgan für den völkerauflösenden und als pervers zu bezeichnenden Geist eines George Soros geworden“ sei.[126]
Erste Jahre im einstweiligen Ruhestand
Werteunion
Am 16. Februar 2019 trat Maaßen erstmals seit seiner Versetzung in den Ruhestand öffentlich auf, als er eine Rede vor Mitgliedern der besonders konservativen Werteunion in Köln hielt.[127][128] Darin kritisierte Maaßen die Flüchtlingspolitik von 2015 und die aus seiner Sicht daraus erwachsende Gefahr islamistischen Terrors und beklagte ein Klima, in dem viele Angst hätten, ihre Meinung frei zu äußern, „um nicht in die rechte Ecke gestellt zu werden“.[127] Am 21. Februar 2019 teilte der Vorsitzende der Werteunion Alexander Mitsch mit, dass Maaßen der Gruppierung beigetreten sei.[129] Im Mai 2021 kündigte Maaßen an, seine Mitgliedschaft ruhen zu lassen, da er mit der Wahl des der AfD nahestehenden Max Otte zum Vorsitzenden nicht einverstanden sei.[130] Die Werteunion sieht allerdings keine ruhende Mitgliedschaft vor.[131]
Nachdem im Januar 2022 Otte von der AfD als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten vorgeschlagen worden war, trat Maaßen am 24. Januar 2022 aus Protest aus der Werteunion aus.[132] Am 25. November 2022 kündigte er an, im Januar 2023 als Vorsitzender der Werteunion zu kandidieren.[133] Ende Januar 2023 wurde Maaßen zum Vorsitzenden gewählt. Vor der Wahl hatte er erklärt, er wolle sich „für die Durchsetzung christlich-demokratischer Ziele, für konservative und liberale Werte und gegen jede Art von Ökosozialismus und Gender-Wokismus einsetzen“.[134]
Tätigkeit für Medienrechtskanzlei
Sechzehn Monate lang, vom 1. Oktober 2019 bis zum 25. Januar 2021, war Maaßen als Of counsel im Managing Board der Medienrechtskanzlei des Rechtsanwalts und ehemaligen Pressesprechers der Werteunion Ralf Höcker tätig. Nach Angaben der Kanzlei befasste sich Maaßen in dieser Zeit auf eigenen Wunsch nicht mit Mandaten der Grünen, der Linken, der AfD oder solchen, die vom Verfassungsschutz in der Vergangenheit beobachtet wurden oder gegenwärtig noch werden.[135][136] Die Rechtsanwaltskanzlei Höcker, deren Mitglied Maaßen gewesen war, vertritt die Alternative für Deutschland (AfD) in einem Verfahren gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Die Klage hat zum Ziel, die Beobachtung der AfD durch das BfV zu begrenzen bzw. zu verhindern. Die Partei klagt hierbei gegen eine Beobachtung durch den Inlandsgeheimdienst. Die Behörde schweigt zu diesem Vorgang, weil das Verfahren noch läuft. Die Zeit wies am 25. Januar 2021 darauf hin, dass Maaßen für Höcker tätig ist, worauf nach Veröffentlichung des Artikels Maaßen die Zusammenarbeit mit der Rechtsanwaltskanzlei beendete.[137] Mit Schreiben vom 26. Januar 2021 erhob ein Rechtsanwalt Beschwerde gegen Maaßen wegen möglichen Verstoßes gegen das berufsrechtliche Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen.[138][139] Der Beschwerde wurde von der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf mit Beschluss vom Juni 2021 keine Folge gegeben.[140]
Positionen zur Corona-Pandemie
Gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Werteunion Alexander Mitsch teilte Maaßen über Twitter einen Fernsehbeitrag namens Corona-Wahn ohne Ende des österreichischen Privatsenders ServusTV, in dem ein Mediziner die Maßnahmen gegen Corona als „selbstzerstörerisch und sinnlos“ bezeichnete.[141]
Kontroversen
Im staatlichen ungarischen Fernsehsender M1 erklärte Maaßen im April 2019, es bestehe nach wie vor ein großer „Einwanderungsdruck“ nach Europa und Deutschland, wobei die notwendigen Vorkehrungen zur Minimierung des Immigrationsdrucks nicht getroffen würden.[142]
Im Mai 2019 kommentierte Maaßen im Zusammenhang mit der Ibiza-Affäre in Österreich das Zustandekommen der Videoaufnahmen gegenüber der BILD-Zeitung folgendermaßen: „Für viele linke und linksextreme Aktivisten rechtfertigt der ‚Kampf gegen rechts‘ jedes Mittel. Ich bin da anderer Meinung. Der Einsatz derartiger aktiver Maßnahmen ist ein Tabubruch.“ Maaßen kritisierte auch die Mitwirkung deutscher Medien an der Veröffentlichung der Aufnahmen. Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Eva Högl meinte dazu, diese Äußerungen Maaßens seien „mit dem Bundesbeamtengesetz und dem dort verankerten Mäßigungsgebot nicht zu vereinbaren.“[143]
Im selben Monat erklärte Maaßen in einem Interview mit der NZZ, der Ausdruck „Verschwörungstheoretiker“ sei „von bestimmten ausländischen Geheimdiensten erfunden und verwendet worden, um politische Gegner zu diskreditieren“. Er sei „erstaunt, mit was für einer Selbstverständlichkeit dieser Ausdruck ins Standardvokabular deutscher Journalisten aufgenommen“ worden sei. Der Journalist Patrick Bahners schrieb zu dieser Äußerung, nach „Maaßens mutmaßlich sachkundiger Einlassung“ hätten „bis auf Weiteres alle Verschwörungstheorien als verdächtig gelten“ müssen, „ausgenommen nur die Theorie, Geheimdienste fremder Mächte hätten den Begriff den Journalisten aufgeschwatzt“.[144]
Im Gespräch mit dem Deutschlandfunk hielt Maaßen im Juni 2019 Koalitionen seiner CDU mit der AfD in Ostdeutschland für denkbar. Er sagte: „Ich glaube, in der jetzigen Situation werden wir es auch ausschließen, dass es zu einer derartigen Koalition kommt, aber man weiß nie.“ Ziel der CDU müsse es sein, die drei anstehenden Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg zu gewinnen, dann könne sie AfD-freie Koalitionen bilden. Speziell in Thüringen gäbe es keine Basis einer Zusammenarbeit mit der AfD unter Björn Höcke. Er sehe einen großen Bedarf nach „konservativen Positionen und Werten“, den die CDU bedienen müsse, wenn sie keine „Klientelpartei im links-grünen Bereich“ sein wolle. Der Bundesvize der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Christian Bäumler, warf Maaßen daraufhin vor, „Wahlwerbung für die AfD“ zu betreiben; die CDU habe eine Koalition mit der AfD „ohne Wenn und Aber“ abgelehnt. Der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz sagte, Maaßen betreibe eine Verharmlosung des Rechtsradikalismus. Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer kritisierte, er sehe „eine ganz klare rote Linie“: Mit „rechts-außen“ gebe es „keine Zusammenarbeit und keine Koalition“, das gelte „heute und morgen“. Seine damalige Unterstützung für Maaßen betrachte er jedoch nicht als Fehler, da er „hohe Achtung“ vor dessen Kompetenzen habe und „ihm als Person“ vertraue.[145][146][147]
Im Juli 2019 lobte Maaßen auf Twitter einen von ihm verlinkten Beitrag der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) namens In deutschen Städten sieht die Mehrheitsgesellschaft ihrem Ende entgegen: „Für mich ist die NZZ so etwas wie ‚Westfernsehen‘.“ Die NZZ selbst verwahrte sich gegen diesen Ausdruck, bezeichnete ihn als „Geschichtsklitterung“ und hob die hohe Kompetenz auch von deutschen Journalisten hervor. Alexander Fröhlich schrieb im Tagesspiegel, dass Maaßen in beiden Fällen mit seinem Vergleich einen Bezug zur DDR hergestellt und deren gleichgeschaltete und zensierte Medien mit den heutigen bundesdeutschen Medien auf dieselbe Stufe gestellt habe, wohingegen der Begriff „Westfernsehen“ (TV-Sender aus der Bundesrepublik, die in der DDR empfangen werden konnten und für viele DDR-Bürger als verlässliche Quelle galten) mit Objektivität und Glaubwürdigkeit verbunden wird.[148] Hans Brandt kritisierte im Tages-Anzeiger, dass Maaßen die Neue Zürcher Zeitung also als das betrachte, „was das Fernsehen Westdeutschlands für DDR-Bürger war: eine Stimme der Wahrheit und Aufklärung in einem Land, in dem niemand den eigenen Medien trauen kann“.[149]
Im selben Monat verlinkte Maaßen auf Twitter einen Beitrag des rechtspopulistischen und AfD-nahen Portals Journalistenwatch (JouWatch). Darin ging es um die Anwesenheit eines Reporterteams des ARD-Magazins Panorama an Bord der Sea-Watch 3, mit dem die Kapitänin Carola Rackete mit 40 auf dem Mittelmeer geretteten Flüchtlingen den Hafen von Lampedusa angesteuert hatte. Jouwatch hatte von einer Inszenierung für die ARD gesprochen, Vergleiche zur NS-Propaganda zu den „Kraft durch Freude“-Kreuzfahrtschiffen gezogen und die Journalisten als „Verbindungsoffiziere“ und „Handlanger von Schleppern“ bezeichnet. Maaßen twitterte dazu: „Sollte dieser Bericht zutreffen, ist Panorama jedenfalls kein Westfernsehen mehr.“ Kritik kam daraufhin von Ruprecht Polenz (CDU), der Maaßens Quelle JouWatch als rechtsradikal bezeichnete und in Anspielung auf Maaßens früheres Amt als Verfassungsschutzchef schrieb, dass „die Auswertung von Quellen und die Beurteilung ihrer Glaubwürdigkeit […] Kerngeschäft des Verfassungsschutzes“ sei. Mathieu von Rohr (Der Spiegel) befand, es sei „besorgniserregend, was für einen Verschwörungswahnsinn Maaßen“ teile.[148] Ebenfalls im Juli 2019 schrieb Maaßen auf Twitter, der Begriff „Seenotrettung“ sei falsch. Die Migranten seien „keine Schiffbrüchigen und keine Flüchtlinge“. Sie hätten „die Schleuserboote bestiegen, um von einem Shuttle-Service nach Europa gebracht zu werden“.[150] Für den Journalisten Michael Kraske spricht vor dem Hintergrund von täglich durchschnittlich sechs auf der Flucht ertrinkenden Menschen aus diesen Worten Maaßens „kalte Menschenverachtung“.[151]
In einem Interview im Sommer 2019 mit der Rheinischen Post erklärte Maaßen, er werde von Menschen, die ihn kennen, „für sozial und damit für eher links“ und für einen Realisten gehalten. Man sei „nicht automatisch rechts“, wenn man die Klimapolitik und die Migrationspolitik kritisiere. Nach Angaben der Zeitung habe Maaßen kurzzeitig vorgehabt, das Gespräch abzubrechen, da auf seine Aussage, er sei nicht in die CDU eingetreten, damit „1,8 Millionen Araber nach Deutschland kommen“, an ihn die Frage gestellt wurde, wie er diesen Satz seiner CDU-Parteikollegin Serap Güler erklären würde. Des Weiteren beschuldigte Maaßen die deutschen Medien, angeblich oft „tagelang“ nicht über gewaltsame Übergriffe von Flüchtlingen zu berichten. Als Beispiel nannte er die Attacken von vier Flüchtlingen im bayerischen Amberg am 29. Dezember 2018 und lobte die Neue Zürcher Zeitung sowie Russia Today Deutsch, da diese laut Maaßen als Erste darüber berichtet hätten. Die Welt bemerkte dazu jedoch, dass die beiden Medien diesen Vorfall erst am 31. Dezember aufgegriffen hatten, wohingegen Welt, Bild, Süddeutsche Zeitung sowie Focus bereits am 30. Dezember darüber berichtet hatten, also noch am selben Tag, an dem die Polizei eine erste Mitteilung herausgegeben hatte.[152]
Im August 2019 gab Maaßen der neurechten und der AfD nahestehenden Wochenzeitung Junge Freiheit (JF) ein Interview. In einem Gespräch mit dem Tagesspiegel berief sich Maaßen auf das Junge-Freiheit-Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2005 und vertrat die Ansicht, dass die JF nicht extremistisch sei. Ihre „Zielgruppe“ sei für die CDU „hochinteressant“, denn sie sei „eine konservative und rechte Leserschaft, die man für die CDU gewinnen oder zurückgewinnen“ müsse.[153] Maaßen trat auch beim russischen Propagandasender RT Deutsch auf[154] und hielt Ende 2019 einen Vortrag in der dem Netzwerk der Neuen Rechten zugeordneten Bibliothek des Konservatismus.[155] Interviews gab Maaßen auch der Preußischen Allgemeinen Zeitung,[156] der sogenannten „Atlas Initiative“, deren Gründer Markus Krall sich öffentlich für die Abschaffung des allgemeinen Wahlrechts einsetzt, sowie mehrmals dem Kultur-Magazin Schloss Rudolfshausen, einem laut rbb christlich-fundamentalistischen und verschwörungsideologischen Online-Magazin, dessen Herausgeberin Helene Walterskirchen sich wiederholt demokratiefeindlich geäußert hat.[157] Auch auf dem Sender TV Berlin, der Propaganda für die Regierung in Aserbaidschan ausstrahlt, sowie auf dem rechten YouTube-Kanal Hallo Meinung des Unternehmers Peter Weber trat Maaßen auf.[158][159] Eine ideologische Nähe zum Rechtsradikalismus hatte Maaßen in mehreren Interviews im Jahr 2019 von sich gewiesen: „Mein Großvater ist von den Nazis misshandelt worden, mein Onkel wurde von ihnen verfolgt, ausgerechnet mich in die rechte Ecke zu stellen, empfinde ich als unverschämt“. In seiner Amtszeit sei „die Abteilung Rechtsextremismus gewaltig ausgebaut“ worden und er habe als Behördenleiter wiederholt darauf hingewiesen, „dass rechtsterroristische Attentate jederzeit möglich“ seien. Die massive Kritik an ihm, auch aus der eigenen Partei, die er als strategisches „Isolieren, stigmatisieren, diskreditieren und dann neutralisieren“ bezeichnete, erinnere ihn an den Umgang totalitärer Staaten mit Oppositionellen.[160][161]
Mit einem Tweet im September 2019 löste Maaßen erneut eine Debatte aus. Er schrieb: „Wir sollten über eine Reform oder Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nachdenken.“ Es seien „zu viele“, und sie seien „zu teuer, zu fett, zu borniert und zu parteiisch“ und „überflüssig“. Widerspruch erhielt Maaßen von dem Grünen-MdB Volker Beck und dem Juso-Bundesvorsitzenden Kevin Kühnert, der antwortete: „Wenn man in Ihrem Tweet ‚ÖRR‘ durch ‚Verfassungsschutzämter‘ ersetzt, dann ist das zwar immer noch kein gehaltvoller Beitrag zur Debatte, aber wenigstens ein bisschen lustig.“ Die Berliner Morgenpost merkte an, dass Maaßen diese Forderungen nur wenige Tage nach dem von Björn Höcke (AfD) abgebrochenen ZDF-Interview aufgestellt habe.[162][163]
Ende 2019 sprach Maaßen bei Markus Lanz über Angriffe auf Asylunterkünfte, an denen zunehmend auch bürgerliche Täter beteiligt seien, die sich radikalisiert hätten. Er wolle jene zurückgewinnen, die sich vom Staat abgewandt hätten; dabei gehe es ihm um die „kleinen Angestellten“ und die „normalen Menschen, die Angriffe auf Asylunterkünfte machen“.[164]
Im Februar 2020 bewertete Maaßen die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten in Thüringen, die mit den Stimmen der AfD erfolgt war, als „Riesenerfolg“. Er sagte, er habe „in Thüringen die Wende unterstützt. Hauptsache, die Sozialisten sind weg“.[165]
Kandidatur für den Deutschen Bundestag
Nominierung
Am 1. April 2021 wurde durch einen Bericht in Tichys Einblick bekannt, dass Maaßen für den Deutschen Bundestag zu kandidieren beabsichtigte. Dazu musste er als Kandidat der CDU Thüringen im Bundestagswahlkreis Suhl – Schmalkalden-Meiningen – Hildburghausen – Sonneberg aufgestellt werden. Der Wahlkreis hatte zuvor keinen aufgestellten CDU-Kandidaten, nachdem der bereits nominierte Bundestagsabgeordnete Mark Hauptmann wegen unredlicher Geschäfte im Zusammenhang mit Schutzmasken während der COVID-19-Pandemie in Deutschland von allen Ämtern zurückgetreten war.[166] Die Kandidatur Maaßens erregte überregionales Aufsehen und erntete Kritik innerhalb der Unionsparteien.[167] Die Entscheidung über den Bundestagskandidaten lag satzungsgemäß bei den Delegierten der vier CDU-Kreisverbände Schmalkalden-Meiningen, Hildburghausen, Sonneberg und Suhl, die ihn am 30. April mit 37 von 43 abgegebenen Stimmen als Direktkandidaten für den Bundestag wählten.[168][169][170]
Zwei Tage nach der Nominierung schrieb Maaßen auf Twitter, die Südthüringer seien „ein starkes, liebenswertes“, aber auch „durchaus […] selbstbewusstes und wehrhaftes Volk, das allergisch auf Ratschläge und Weisungen aus Rom, München oder Ost-Berlin“ reagiert habe, auch wenn sie „von Julius Caesar persönlich“ gekommen seien. Das heutige südliche Thüringen gehörte jedoch niemals zum Römischen Reich, auch nicht zu Zeiten von dessen größter Ausdehnung; der Limes verlief etwa 200 Kilometer weiter westlich und südlich.[171]
Vier Wochen vor der Bundestagswahl schrieb Maaßen in einem Brief an die Wähler, dass die AfD – „zugegeben“ – „manches drängende Problem“ anspreche. Aber sie könne es nicht lösen, denn, so Maaßens Begründung, sie sei „Oppositionspartei“ und werde es „wohl auch nach der Wahl aufgrund ihrer Isolierung bleiben“. Eine Stimme für die AfD sei somit eine „verlorene Stimme für Südthüringen“ und werde „im Zweifel nur den linken Parteien helfen“. Eine inhaltliche Abgrenzung unterließ er.[172]
Neurechte Ideologie, Klimafatalismus und Antisemitismus
Anfang 2021 veröffentlichte Maaßen im neurechten Magazin Cato zusammen mit Johannes Eisleben (vermutlich ein Pseudonym, das auf vielen neurechten Kanälen auftaucht) einen bereits im Vorjahr auf Englisch bei Telos, einem Journal der Alt-Right-Bewegung, publizierten Aufsatz mit dem Titel „Aufstieg und Fall des Postnationalismus“. Darin zeichnet Maaßen ein Bild des gesellschaftlichen Niedergangs, der auf einen Kampf zwischen der Unterschicht und Einwanderungsclans hinauslaufe. Er erwähnt dabei eine „Vermögenskonzentration auf eine kleine Elite“, eine bevorstehende „Auflösung familiärer und lokaler Zusammenhalte“, die „Entwurzelung“ von Menschen und Zerstörung von Traditionen. So würden die Menschen zu einer „anonymen, atomisierten Masse“, die kontrollierbar sei und von „sozialistischen und globalistischen Kräften“ manipuliert werde. Der Historiker Volker Weiß verwies darauf, dass die Vorstellung eines derartigen Bündnisses bereits Vorläufer im 19. Jahrhundert habe; das sei ein Diskurs der Antisemiten. Er bescheinigte Maaßen, inzwischen „schlicht und ergreifend Teil des neurechten Milieus“ geworden zu sein. Der Rechtsextremismusforscher Matthias Quent zog Parallelen zur Ideenwelt von Angehörigen der Konservativen Revolution während der Weimarer Republik sowie zu den Schriften des norwegischen Rechtsterroristen Anders Behring Breivik. In Maaßens Text fänden sich, so Quent, „Kernelemente des intellektuellen Rechtsextremismus“.[173][174]
Am 8. Mai 2021 veröffentlichte die Internetplattform Hallo Meinung ein Interview des Unternehmers Peter Weber mit Hans-Georg Maaßen auf YouTube. Dabei sagte Hans-Georg Maaßen unter anderem zum Thema Klimakrise, dass Deutschland nicht die ganze Welt retten könne. „Wir haben es schon zweimal versucht, die Welt zu retten, und es ist jedes Mal schiefgegangen“, sagte Maaßen. Der Spiegel sah darin eine Anspielung, die den Kampf gegen den Klimawandel mit dem Ersten und Zweiten Weltkrieg gleichsetzt.[175] Auf Anfrage des Tagesspiegels erklärte Maaßen, es sei ihm dabei um den „deutschen Größenwahn“ gegangen, „am deutschen Wesen solle die Welt genesen“. Dieser Wahn habe „die Welt in Katastrophen gestürzt“. Auf Nachfrage bestätigte er, dass er mit den beiden Katastrophen die beiden Weltkriege meinte.[176] Bereits zwei Monate zuvor hatte Maaßen auf demselben Kanal in der Sendung Maaßens Wochenrückblick die Grünen als „die gefährlichste Partei im Bundestag“ bezeichnet, da sie „eine neosozialistische oder ökosozialistische Politik“ verträten, die „bar jeglicher Realität“ sei und „noch weiter in den Abgrund“ führe.[177]
Einen Tag später sprach die Klimaschutzaktivistin Luisa Neubauer bei Anne Will an Armin Laschet gerichtet davon, dass Maaßen „antisemitische und rassistische Inhalte“ verbreite.[178] Konkrete Belege brachte sie zunächst nicht vor. Maaßen wies diesen Vorwurf zurück. Von verschiedenen Medien wurde darauf hingewiesen, dass Maaßen öfter vom „Great Reset“ gesprochen habe. Ursprünglich der Titel eines Buches des Weltwirtschaftsforum-Direktors Klaus Schwab und des Ökonomen Thierry Malleret, wird der Begriff in der verschwörungsideologischen Szene benutzt, um zu suggerieren, dass die Coronakrise von Eliten genutzt werde, um einen „großen Neustart“ des globalen Wirtschaftssystems vorzunehmen. Antisemiten sehen dabei eine „Geldelite“ am Werk. Dem rechten Internetportal Epoch Times erklärte Maaßen, beim „Great Reset“ würden „die Kapitalisten aus Davos mit den Leninisten“ wieder zusammenkommen – „in der gemeinsamen Verachtung des einfachen, des gewöhnlichen Menschen“.[175][179][180] Meron Mendel, der Direktor der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt, sagte, Maaßen werde schon länger „auf problematische Äußerungen, das Liken und Teilen antisemitischer Inhalte hingewiesen“. Doch „statt sich mit der Kritik auseinanderzusetzen“, stelle er seine Kritiker „als Problem dar“.[181] Am 13. Mai 2021 konkretisierte Neubauer ihre Vorwürfe. Sie habe nicht gesagt, dass Maaßen „selbst ein Antisemit“ sei. Er habe jedoch über seinen Twitter-Account auf die Plattform „The Unz Review“ verlinkt, deren Gründer Ron Unz „öffentlich den Holocaust in Frage gestellt“ habe.[182] Zudem verwende er problematische Begriffe wie „Globalisten“, und dieser Terminus werde, wie sie sagte, „auch von der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung als international verstandener Code von Rechtsextremisten bezeichnet“. Als langjährigem Präsidenten des Verfassungsschutzes müssten ihm, so Neubauer, solche Codes bekannt sein.[183] Stephan J. Kramer, Präsident des Thüringer Amtes für Verfassungsschutz, erkannte nach der Analyse von Publikationen Maaßens und dessen Verwendung bestimmter Begriffe „klassische antisemitische Stereotype“, der Rechtsextremismusforscher Matthias Quent kam nach einer Textanalyse zu dem Schluss, dass sich Maaßen „in der ideengeschichtlichen Tradition antisemitischer Weltbilder bewegt“.[157][173]
„Meinung & Freiheit“
Maaßen ist stellvertretender Vorsitzender der Stiftung „Meinung & Freiheit e.V.“, in der der Verleger und Journalist Roland Tichy Vorstandsvorsitzender ist sowie der ehemalige Vorsitzende der Werteunion, Alexander Mitsch, als Schatzmeister fungiert.[184]
Forderung von Prüfung der charakterlichen Eigenschaften für Tagesschau-Redakteure
Maaßen sagte am 1. Juli 2021 in einem Interview mit Peter Brinkmann beim Websender „TV Berlin“, dass es Verbindungen gebe zwischen „Personen, die für die Tagesschau arbeiten“, und der „linken und linksextremen Szene“.[158] Diese Personen solle man einer Prüfung der charakterlichen Eigenschaften unterziehen. Maaßen warf dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk einen „klaren Linksdrall“ vor, sprach von „Manipulation der veröffentlichten Meinung“ und erklärte, er sehe keine ausgewogene Berichterstattung. Konkrete Beispiele nannte Maaßen jedoch nicht.[185] In einigen Medien wurden Maaßens Aussagen als Forderung nach einem „Gesinnungstest“ wiedergegeben.[186] Da ARD-aktuell beim NDR angesiedelt ist, sprach Maaßen von einem möglichen „NDR-Untersuchungsausschuss“.[187] Kurz darauf twitterte er: „Gebührenfinanzierte Medien müssen neutral berichten und nicht erziehen.“ Einen Tag später schrieb Maaßen jedoch auf Twitter: „Tendenziöse Berichterstattung im #OERR kritisiere ich. Auch das gehört zur Meinungsfreiheit. Klar ist aber: Eine ‚Gesinnungskontrolle‘ journalistischer Arbeit durch die Politik darf es nicht geben.“[188]
Vor dem Hintergrund von Maaßens Äußerungen betonte die Bundesregierung die Bedeutung der Pressefreiheit. Regierungssprecher Steffen Seibert sah jedoch keinen Grund, auf einzelne Wahlkampfäußerungen einzugehen.[189] Maaßens Worte riefen auch innerhalb der CDU Kritik hervor.[190] Frank Überall, Vorsitzender des Deutschen Journalistenverbandes, warf Maaßen ein mindestens fragwürdiges Verhältnis zur Pressefreiheit vor.[185] Der Politikwissenschaftler Andreas Püttmann sagte, Maaßen sei „ein fanatischer Anti-Linker, während seine Distanzierung vom rechten, nicht-demokratischen Rand eher matt und pflichtschuldig“ wirke.[191] Tagesschau.de bescheinigte Maaßen eine Strategie, die man von Rechtspopulisten kenne: „Erst provozieren, dann zurückrudern und dabei immer wieder die Grenzen des Sagbaren austesten und womöglich verschieben.“[192]
Wahlergebnis
Als Direktkandidat für den Wahlkreis Suhl – Schmalkalden-Meiningen – Hildburghausen – Sonneberg trat Maaßen unter anderem gegen Frank Ullrich (SPD) und Stephanie Erben (Bündnis 90/Die Grünen) an. Während des Wahlkampfs forderten die Grünen in Thüringen ihre Unterstützer auf, Frank Ullrich statt Stephanie Erben zu wählen.[193] Bei der Bundestagswahl 2021 unterlag Maaßen mit 22,3 % deutlich dem Kandidaten der SPD Frank Ullrich, der 33,6 % der Erststimmen auf sich vereinigen konnte.[194]
Seit der Bundestagswahl 2021
Am 31. Dezember 2021 teilte Maaßen im rechten sozialen Netzwerk Gettr mit wohlwollendem Kommentar ein Video von Sucharit Bhakdi vom 22. Dezember 2021. Darin behauptete Bhakdi unter dem Titel „Der Beweis ist da: Impfung zerstört Immunsystem“, eine massenhafte Schädigung des Immunsystems durch Covid-19-Impfstoffe sei durch Obduktionen nunmehr bewiesen. Die Impfungen von Kindern verglich er mit Erschießungen und plädierte für ein Impfverbot. Die Ergebnisse einer „Pathologiekonferenz“, auf die sich Bhakdi berief, wurden von Fachleuten und der Deutschen Gesellschaft für Pathologie als „nicht wissenschaftlich fundiert“ bezeichnet. Maaßen wurde für die Weiterverbreitung des Videos heftig kritisiert, auch aus der CDU. Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien forderte seinen Ausschluss aus der CDU. Maaßen schrieb in einem an „Freunde, Parteifreunde und Unterstützer“ gerichteten Brief, er wolle nicht, „dass gesunde Kinder mit fünf oder sechs Jahren wegen einer Impfung um ihr Leben kämpfen“ müssten; er selbst, so Maaßen, habe als Kind Impfschäden erlitten und habe zweimal nach Impfungen notoperiert werden müssen. Ins Detail ging er dabei jedoch nicht. Auch sei er nicht gegen Impfungen und habe sich immer wieder impfen lassen, aber nur mit Impfstoffen, die er gut vertragen habe. Die Aussage, eine Impfung sei nur ein Piks, halte er jedoch für leichtfertig. Ein Parteiausschlussverfahren bezeichnete er als „Angriff auf die Meinungsfreiheit und die innerparteiliche Demokratie“.[195][196][197][198]
Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, kritisierte die CDU-Parteispitze für ihr Schweigen im Fall Maaßen. Dieser bewege sich mit seinen Äußerungen schon länger im Rechtsaußen-Spektrum. Das Schweigen der Parteispitze sei nicht mehr hinzunehmen. Maaßen verbreite auf eine Weise Verschwörungserzählungen, die die „Grenze des Tolerierbaren endgültig überschritten“ hätten. Schuster erinnerte auch daran, dass Bhakdi „im Rahmen seiner Verschwörungstheorien auch die Situation in Israel vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie für schlimmer“ gehalten habe „als das, was Deutschland in der NS-Zeit mit Juden gemacht hat“. Wer „solche Theorien noch weiter“ verbreite oder sich ihnen anschließe, sei, so Schuster, „in meinen Augen nichts anderes als selber ein Antisemit“.[199][200]
Am 4. Januar 2022 distanzierten sich der Vorstand und sämtliche Kreisvorsitzende der CDU Thüringen scharf von Maaßens Äußerungen.[197] Am 10. Januar verurteilte der CDU-Bundesvorstand Maaßens impfkritische Postings. Generalsekretär Paul Ziemiak sagte, Maaßens Wortmeldungen hätten „mit CDU-Politik nichts, aber auch rein gar nichts zu tun“. Die Warnung vor angeblichen Gefahren durch das Impfen sei unwissenschaftlich und gefährlich. „Wir weisen sie auf das Schärfste zurück“.[201]
Anfang 2022 schrieb der Spiegel, dass Maaßen in seiner Zeit im Bundesinnenministerium als Kunde beim „Buchdienst“ der Jungen Freiheit mit seiner Privatanschrift in Berlin-Dahlem registriert war. Maaßen lehnte es ab, anzugeben, was er dort bestellt hatte, er habe jedoch nie rechtsextreme Literatur gekauft.[202]
Seit Mai 2022 ist Maaßen „Bürgerbeauftragter“ der CDU im Kreisverband Schmalkalden-Meiningen. In dieser inoffiziellen Parteifunktion soll er als Ansprechpartner für CDU-Wähler aktiv werden. Seine Bundestagskandidatur verglich er mit einem „Soldaten“, der „in die Schlacht zieht“ und „Streifschüsse […] in Kauf nehmen“ müsse. Eine erneute Kandidatur schloss er nicht aus.[203]
In der Weltwoche schrieb Maaßen 2022, „Der Ukraine-Krieg ist nicht unser Krieg“. In Bezug auf dessen Zustimmung zum offenen Brief von Alice Schwarzer gegen Waffenlieferungen an die Ukraine twitterte er: „Ich hätte nicht gedacht, dass ich Oskar Lafontaine Recht geben muss.“ Man könne kein Interesse daran haben, so Maaßen, „schleichend als ukrainischer Kriegsverbündeter im Krieg mit Russland hineingezogen zu werden“.[204]
Eine Kontroverse in Fachkreisen des juristischen Kommentarwesens entfaltete sich im Sommer 2022 in Bezug auf Maaßens Mitarbeit an dem im Verlag C. H. Beck erscheinenden Standardkommentar „Epping–Hillgruber“ zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, in dem Maaßen als juristischer Fachautor den Kommentar zum Asylrecht verfassen sollte. Nachdem das Fachportal LTO über die Sache berichtet hatte und in verschiedenen Zeitungen wie der FAZ kritische Stellungnahmen zu der Autorenwahl erschienen waren, kündigten mehrere Mitautoren des Standardkommentars ihre Mitarbeit an dem Werk und an anderen Kommentarwerken des C. H. Beck-Verlages auf. Der Verlag hielt zunächst an der Auswahl fest und betonte, nur mit verfassungstreuen Autoren zusammenzuarbeiten, die auf dem Boden der FDGO stehen.[205]
Äußerung zu „Rassismus gegen Weiße“ und Parteiausschlussverfahren 2023
Am 13. Januar 2023 behauptete Maaßen in einem Tweet, „die treibenden Kräfte im politischen-medialen Raum“ hätten als „Stoßrichtung“ einen „eliminatorischen Rassismus gegen Weiße“ und den „brennenden Wunsch, dass Deutschland verrecken möge“. Zudem äußerte er in einem Interview auf dem Blog des Autors Alexander Wallasch, es gebe eine „grün-rote Rassenlehre, nach der Weiße als minderwertige Rasse angesehen werden und man deshalb arabische und afrikanische Männer ins Land holen müsse“. Mehrere CDU-Politiker erneuerten daraufhin die Forderung nach einem Parteiausschluss Maaßens bzw. forderten ihn auf, selbst aus der Partei auszutreten. In der neurechten Jungen Freiheit sagte Maaßen daraufhin, er lasse sich „nicht einschüchtern“; er vertrete „die Positionen des Grundsatzprogramms der CDU“ und nicht die Auffassungen „einer öko-woken Parteielite“.
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung Felix Klein warf Maaßen vor, durch „die Übernahme von Vokabular, das zur Beschreibung der nationalsozialistischen Verbrechen geprägt wurde“, den Holocaust relativiert zu haben. Die Verdrehung der Täter- und Opferrollen sei „typisch für antisemitische Hetze“ und die Strategie der Neuen Rechten, sich selbst zum Opfer zu machen. Doron Kiesel, der Direktor der Jüdischen Akademie des Zentralrats der Juden, sagte, wenn man „die Sprachspiele“, die „Wahl seiner Worte“ und „die Bilder“, die Maaßen benutze, betrachte, stelle man fest, dass Maaßens Vokabular „eine sehr braune, sprich nationalsozialistische Tradition“ aufweise. Der Zentralratspräsident Josef Schuster attestierte Maaßen, sich in „verschwörungsideologischen und antisemitischen Gefilden […] wohlzufühlen“. Der Leiter der KZ-Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora Jens-Christian Wagner erklärte, Maaßen sei ein Geschichtsrevisionist, da er mit seiner Verwendung des Begriffs „eliminatorisch“, mit dem 1995 der Politikwissenschaftler Daniel Jonah Goldhagen den Antisemitismus in Deutschland, der zur Shoa geführt habe, bezeichnet hatte, ganz bewusst einen Bezug zum Holocaust hergestellt habe. Damit habe Maaßen „erneut in den antisemitischen Giftschrank gefasst“.
Der Verlag C. H. Beck, der Kommentare zum Grundgesetz verlegt, woran auch Maaßen beteiligt war, teilte Mitte Januar 2023 mit, den Verlagsvertrag mit Maaßen zu beenden, woraufhin Maaßen diesen selbst aufkündigte. Laut Verlag ist die erschienene Kommentierung Maaßens fachlich nicht zu beanstanden, jedoch schade die öffentliche Diskussion mit fortschreitender Polarisierung dem Grundgesetz-Kommentar, dessen Herausgebern sowie dem Verlag. Auch der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz Thomas Haldenwang warf Ende Januar 2023 seinem Amtsvorgänger Maaßen vor, mit „sehr radikalen Äußerungen“ dem Bundesamt zu schaden. Diese Äußerungen könne er, so Haldenwang, „in ähnlicher Weise eigentlich nur vom äußersten rechten Rand politischer Bestrebungen wahrnehmen“. Er teile auch die Einschätzung des Antisemitismusbeauftragten Felix Klein, „der hier eindeutig antisemitische Inhalte (…) sieht“.[206][207][208][209]
Im selben Monat lobte Maaßen den verschwörungsideologischen YouTube-Kanal Ketzer der Neuzeit, deren Betreiber dem Reichsbürger-Spektrum zuzurechnen sind. Diese „klugen und mutigen jungen Leute“ seien „unsere Zukunft“, schrieb Maaßen. Nach Kritik an dieser Aussage löschte er den Tweet kommentarlos.[159]
Am 13. Februar 2023 beschloss der Bundesvorstand der CDU, gegen Maaßen ein Verfahren zum Parteiausschluss einzuleiten.[210]
Im Februar 2023 wurde zudem bekannt, dass Maaßen seit dem Jahr 2021 Gründer und Präsident einer Schweizer Stiftung namens Atlantis ist. In der Schweiz, so Maaßen, gebe es ein einfacheres Stiftungsrecht. Laut einem Flyer richtet sich die Stiftung gegen „Totalitarismus und zeitgenössischen Sozialismus“, da „Extremisten […] ganz offen den Vorrang ihrer Ideologie gegenüber der freiheitlichen Demokratie“ forderten und auch „Medien, Universitäten, gesellschaftliche Gruppen und auch die meisten Parteien […] inzwischen ähnliche Positionen“ verträten.[211]
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