© WELT/ Christoph Hipp Ein Paar
in Erklärungsnot: Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD, Jude) und seine Frau Zübeyde, Lange hat der Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann
zur sogenannten Awo-Affäre geschwiegen. Seine heutige Ehefrau soll einen
Dienstwagen und ein besonders hohes Gehalt bei der Awo erhalten haben. Nun hat
er sich geäußert.
Brutto waren es 660 Euro im Monat, die Zübeyde Feldmann,
Ehefrau des Frankfurter Oberbürgermeisters, zu viel verdiente, als sie vor vier
Jahren kurzzeitig eine Kindertagesstätte der Frankfurter Arbeiterwohlfahrt
(AWO) leitete. Außerdem nutzte sie ihren Dienstwagen 15 Monate länger, als ihr
zustand.
Diese Erkenntnis ist nicht neu – sehr wohl aber die
Nachricht, dass sich die Frankfurter Staatsanwaltschaft die Bevorzugung der
34-Jährigen derzeit sehr genau anschaut. Dabei wäre die Besserstellung der
Kita-Leiterin eigentlich kaum der Rede wert, zumindest verglichen mit der
immensen Summe, die frühere AWO-Funktionäre in Frankfurt und Wiesbaden über
viele Jahre veruntreuten. Drastisch überhöhte eigene Gehälter,
Luxus-Dienstwagen, teure Hotels, überzogene Honorare und Spesen sollen allein
zwischen 2015 und 2019 einen Schaden von 4,5 Millionen Euro verursacht haben,
so lautete jüngst die erste Zwischenbilanz der von der Berliner AWO-Spitze
eingesetzten Aufklärer.
Und diese Summe könnte schon allein deshalb noch kräftig
steigen, weil der im Dezember zurückgetretene und später auch gekündigte
Ex-Geschäftsführer Jürgen Richter vors Arbeitsgericht gezogen ist. Er fordert
eine Gehaltsfortzahlung bis zum Rentenalter, also bis 2022. Das wären dann noch
einmal rund 750.000 Euro.
Richter ficht seine Kündigung mit der Begründung an, sie sei
formell unwirksam. Denn wegen zahlreicher Rücktritte nach der Aufdeckung des
Skandals im November 2019 habe das Präsidium nur noch aus drei Personen
bestanden – und das seien zu wenige, um eine wirksame Kündigung für den
Geschäftsführer auszusprechen.
Bei Zübeyde Feldmann lief hingegen angeblich nur eine
vierstellige Schadensumme auf, die zudem längst an die AWO zurückgezahlt ist.
Aber da ist nun einmal das jahrelange enge Verhältnis ihres Ehemanns Peter
Feldmann (SPD) zu eben jener „kleinen, raffgierigen Clique“, wie die heutige
AWO-Präsidiumsvorsitzende Petra Rossbrey die geschassten Verantwortlichen
nennt. Daher bleibt die Bevorzugung von Zübeyde Feldmann, die nach wie vor
Kita-Leiterin der AWO ist, ein Politikum.
Laut einer Sprecherin der Staatsanwaltschaft werden zwar
ausdrücklich nicht die Feldmanns selbst strafbarer Handlungen verdächtigt; die
Untersuchungen haben die früheren AWO-Manager und deren Günstlingswirtschaft im
Visier. Dennoch wächst der politische Druck auf das Stadtoberhaupt. Nach einer
Pandemie-bedingten Verschnaufpause mehren sich nun, da das Ausmaß des Skandals
immer offenkundiger wird, wieder kritische Stimmen auch zur Rolle des
Oberbürgermeisters.
Zwar dürfte ein Grund dafür sein, dass im März 2021
Kommunalwahlen in Hessen anstehen. Aber Feldmann war vor seinem Einzug ins
Rathaus nun einmal selbst bei der AWO angestellt, mehr noch: Für ihn war eigens
eine lukrative Stelle geschaffen worden, die nach ihm nicht mehr besetzt worden
ist.
Mit dem unter Untreueverdacht stehenden Frankfurter
Ex-AWO-Geschäftsführer Jürgen Richter und dessen Ehefrau Hannelore, die
Geschäftsführerin von Wiesbaden war, verband Feldmann eine jahrelange, enge
Freundschaft. Und es war laut Präsidiums-Chefin Rossbrey eben jene Hannelore
Richter höchstpersönlich, die im Arbeitsvertrag von Zübeyde Feldmann
handschriftlich eine Höherstufung eintrug. Außerdem strich sie kurzerhand die
Passage durch, die eine sechsmonatige Probezeit vorsah.
Es lägen „klare Indizien für strafbares Handeln vor“
Die Opposition im Frankfurter Römer, aber auch Mitglieder
von Feldmanns eigener, schwarz-rot-grüner Koalition fordern nun dringend
Antworten auf immer noch offene Fragen. Bei den Grünen heißt es, der OB müsse
endlich Farbe bekennen und die Wahrheit sagen, statt weiter Ausweichmanöver zu
fahren. Es lägen „klare Indizien für strafbares Handeln vor“, wenn sich mit
Hannelore Richter jemand von ganz oben und mit exzellenten Beziehungen zum
Oberbürgermeister in den Arbeitsvertrag von dessen Frau einmische, so
Grünen-Fraktionschef Sebastian Popp.
Der CDU-Stadtverordnete Christoph Schmitt schlug vor, dass
der 61-jährige Oberbürgermeister sein Amt ruhen lassen solle, bis alle Details
aufgeklärt seien. Dazu gehören Fragen, wie sie auch die FDP in einer
dringlichen Anfrage formulierte: etwa, seit wann der Oberbürgermeister von den
gravierenden Finanz-Manipulationen von Jürgen Richter gewusst habe. Oder ob
„lebensnah“ sei, wirklich zu glauben, dass der OB nicht vom Ehepaar Richter
über die Vorzugsbehandlung seiner Gattin informiert worden sei.
Aufklärungsbedarf besteht auch noch bei der Frage, warum
sich Peter Feldmann so stark gemacht hatte für die Einrichtung ausgerechnet
einer deutsch-türkischen Kita, deren Leitung dann prompt seine Lebensgefährtin
und spätere Ehefrau übertragen bekam.
Die SPD lässt das allerdings an sich abprallen. Der
Frankfurter SPD-Chef, Planungsdezernent Mike Josef, sagte laut „Bild“-Zeitung:
„Man muss nicht jede Provokation eines CDU-Hinterbänklers beantworten. Schon
Willy Brandt hat gesagt: ,Zu oft mit der Faust auf den Tisch schlagen, bekommt
der Faust schlechter als dem Tisch.‘“ Das Vorpreschen hänge nur mit dem
beginnenden Kommunalwahlkampf zusammen; in der „Geschichte“ um die AWO gebe es
nichts Neues. „Alles liegt auf dem Tisch. Ich glaube, die Leute durchschauen,
dass es ein Evergreen ist, der hier gespielt wird.“
Eine Anfrage von WELT ließ die örtliche SPD unbeantwortet.
Ein Sprecher des Oberbürgermeisters verwies auf ein Schreiben des hessischen
Justizressorts an das Innenministerium, wonach keine Anhaltspunkte für ein
Einmischen Feldmanns in die Vertragsverhandlungen vorlägen.
Unter Druck geriet die SPD auch, weil die
sozialdemokratische Bundestagsabgeordnete Ulli Nissen aus Frankfurt jahrelang
zu den ehrenamtlichen Revisoren der AWO gehörte. Die Präsidiumsvorsitzende
Rossbrey kritisierte jetzt gegenüber der „Frankfurter Rundschau“, dass
Revisoren ebenso wie Rechnungsprüfer „vollständig versagt“ hätten.
„Gewisse Dinge hätte man einfach sehen können und müssen“,
so die frühere Fraport-Managerin. Dass beispielsweise der Jahresabschluss 2018
erst im Sommer 2019 in Auftrag gegeben worden sei, hätte alle Alarmglocken
schrillen lassen müssen. „Das ist völlig unverständlich, und bei einem
Unternehmen mit einem Umsatz von 70 Millionen Euro unglaublich und nicht
hinzunehmen.“
Ulli Nissen gesteht ein, dass sie „zu viel vertraut und zu
wenig misstraut“ habe. „Mein Fehler war es, dass ich als Ehrenamtliche die
Revision als Dienst für die AWO übernehmen wollte und dabei ein zu starkes
Grundvertrauen in die AWO-Funktionäre besaß“, teilte sie auf Anfrage von WELT
mit. „Denn stets hatte ich angenommen, dass sie im Dienst der Gemeinnützigkeit
stehen und auch so handeln.“ Sie habe sich nie vorstellen können, dass sich
jemand in dieser Art und Weise an der gemeinnützigen Organisation bereichern
würde. „Ich trage also wie andere Haupt- und Ehrenamtliche auch eine
Mitverantwortung.“
Nissen weist aber auch auf die gravierenden Mängel der
Wirtschaftsprüfer hin, auf die sich die Revisoren verlassen haben. Tatsächlich
wies die Bundestagsabgeordnete, die ihr Amt als Revisorin ebenfalls
niedergelegt hat, schon in den Prüfberichten für 2016 und 2017 darauf hin, dass
es völlig illusorisch wäre, „anzunehmen, wir könnten als Ehrenamtler aus
eigener Fachkompetenz die Bücher der AWO-Frankfurt angemessen prüfen“. Es
wurden zwar Stichproben geprüft und Verbesserungsvorschläge gemacht. Doch die
Prüfung der Wirtschaftsprüfer habe zu keinen Einwendungen geführt.
„Dieses Ergebnis der von der AWO Frankfurt beauftragten
Wirtschaftsprüfungsunternehmen ist die wesentliche Aussage als Grundlage unsere
Entlastungsempfehlung.“ Nissen würde heute niemandem mehr raten, ehrenamtlich
bei einer so großen Organisation die Kasse zu prüfen. Die AWO sollte, wenn ihr
wirtschaftliches Überleben sichergestellt sei, ihre Organisationsstruktur
überdenken und „in weiten Teilen weg vom Verein transformieren“.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen